FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Lorde Porträtfoto

Ophelia Mikkelson Jones

Dreimal in die Sonne zwinkern

Auf ihrem dritten Album sucht Lorde nach Glück, Erholung und Erlösung in der Natur.

Von Susi Ondrušová

David Bowie meinte 2013, Lorde ist die Zukunft der Musik. Als ob ihre Songs „Royals“ und „Tennis Court“ nicht schon für sich sprechen würden, wurde die damals 17-Jährige auch noch von Bowie geadelt. Mehr Lob geht eigentlich nicht. Drei Jahre später war sie es auch, die im Rahmen der Brit Awards mit Bowie’s Bandkollegen „Life On Mars“ performt hat. Mit „Solar Power“ veröffentlicht die neuseeländische Musikerin nun ihr drittes Album. Nach Pop-Hits wie auf „Pure Heroine“ und „Melodrama“ sucht man auf ihrem neuen Album vergeblich. Es ist eine Ode an den Versuch eines Lebens im Einklang mit der Natur geworden und klingt dementsprechend entschleunigter, als man erwarten könnte.

Cover vom Solar Power Album von Lorde

Universal Music Group

Social Media hat Lorde mit Anfang 20 abgeschworen. Sie weiss nicht, ob sich ihre Songs für eine TikTok-Challenge eignen, und Insta-Storys aus ihrem Privatleben gibt es auch keine. Dabei ist allein das Albumcover ein perfekter Snapshot, bei dem sich Abertausende Influencer*innen und Content Creator denken müssen: „Warum bin ich nicht auf die Idee gekommen?“ Like. Herzerl. Sofort. Lorde hat sich für einen guten alten Newsletter entschieden, mit dem sie ihre Fans auf dem Laufenden hält. Viel lieber als vor dem Bildschirm verbringt Lorde ihre Zeit in der Natur, tankt an den umliegenden Stränden ihres Heimatortes Auckland Kraft und demnach auch Ideen für ihre Songs. Es wäre sehr leicht, „Solar Power“ als ein hippieskes Album zu bezeichnen, bei dem sich eine 25jährige Musikerin in die Wälder und Meere flüchtet und vor der Welt versteckt.

Ja, Lorde hofft im Opener Song „The Path“, dass die Sonne „uns“ den Weg zeigt, wenn sie aber vom Traum eines nachhaltigen Lebens singt, dann lässt sie auch das Warum nicht unerwähnt. Schon der erste Song „The Path“ wäre ein höchst kitschiges, um nicht zu sagen, naives Unterfangen, wenn das Lied nicht mit der Zeile „born in the year of OxyContin“ beginnen würde. Wenn es zur Conclusio, warum Lorde sich Antworten von der Sonne erwartet, nicht die Vorgeschichte gäbe, dass dieses Leben, bei dem „teen millionaires“ Alpträume von Kamerablitzen haben, vielleicht nicht so lebenswert ist. Man muss sich die Flucht auf ein „windswept island“ natürlich auch leisten können. Solche, die es nicht können wie die Autorin dieser Zeilen und andere (Stadt-)Menschen, die heuer noch keine Meeresluft gerochen haben, geschweige denn gewusst haben, dass ein typisch neuseeländischer Sommer nach Zikaden klingt, diese Menschen, wir also, können mit „Solar Power“ jetzt einen Einblick bekommen, wie sich dieses entschleunigte Leben auf der anderen Seite der Welt anfühlt und: anhört.

„Solar Power“ ist kein pompöses Pop-Album, bei der Produktion wollten Antanoff und Lorde echte Instrumente verwenden, um die Songs so „organisch“ wie nur möglich erklingen zu lassen. Es ist auch ein kollaboratives Album, wenn man tief in die Liner Notes blickt: Die meisten Songs hat Lorde gemeinsam mit ihrem Produzenten Jack Antanoff geschrieben, zusätzlich hört man an den Backing Vocals ihre Freund*innen: Phoebe Bridgers, Clairo, Marlon Williams und auch Robyn. Der Song „Secrets From A Girl (Who´s Seen it All)“ ist eine Art Ansprache an Lorde´s 15-jähriges Selbst. Sie will sagen: Alles wird gut. Robyn übernimmt den Spoken Word-Part am Ende des Songs. Im Stil einer Stewardess sagt sie: „Welcome to Sadness“ und erklärt, bei welchem „Karussel“ die Passagiere ihr „emotional baggage“ abholen können und schlägt folgenden Plan vor: „We can go look at the sunrise by euphoria mixed with existential vertigo.“

Wer den Sand am Körper kleben spürt, sich die Haare am Strand vom Wind trocknen lässt und den höchsten Sonnenschutzfaktor auf die Haut aufträgt, wird vielleicht schon mal den einen oder anderen Gedanken daran verschwendet haben, dass sich die Unbeschwertheit der „Flower Children“-Generation zu einer Wellnesskultur entwickelt hat, die sich der (in Verbindung mit Social-Media-Celebrity-Culture auch leicht fragwürdigen) Selbstoptimierung hingibt. Diese Parallele zieht Lorde in ihrem („extremely satirical“) Lied „Mood Ring“: „You can burn sage, and I’ll cleanse the crystals, we can get high, but only if the wind blows just right.”

Mit “Big Star” findet sich auf „Solar Power“ aber auch ein Lied über bedingungslose Liebe – geschrieben für und über Lordes mittlerweile verstorbenen Hund „Pearl“. Ihre Zukunftsängste in Bezug auf den Klimawandel und die Veränderungen, die uns in den nächsten Jahren bevorstehen, verarbeitet Lorde im Song „Fallen Fruit“: „It’s the fight that will define our lifetime, I think ... The way I feel when I’m outside is joyful, is light and thankful. This one song sort of encompasses my rage essentially at generations before me for fucking this up, basically. This is me sort of talking to my parent’s generation, being like ‚Do you know what you’ve done? How could you have left is with this?‘, because a lot of the things that you have been lucky enough to enjoy without really thinking about it will be pretty ruinous for us unfortunately!”

Um ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu leisten, hat sich Lorde übrigens dazu entschieden, ihr neues Album „Solar Power“ nicht auf CD zu veröffentlichen. Ein dazugehöriges Abspielgerät werden aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso höchstens die Eltern ihrer Fans besitzen. Statt eines Silberlings bietet Lorde ihren Fans an, eine „plastic-free box“ zu erwerben, die neben dem Album-Download auch zwei Bonustracks enthält und: „loads of extra visual content, handwritten notes, exclusive photos and access to some special surprises along the way. It’s kind of like purchasing membership to a little club, one that’s comitted to the evolving nature of a modern album.”

„Solar Power“ ist kein Hit-Single-Album, es ist ein melodiöses und sanftes Werk von einer Musikerin, deren Stimme im Pop-Zirkus dringend notwendig ist. Wegen der Zukunft, als Erinnerung daran, dass das Glück nicht im Konsum oder im Algorithmus liegt, sondern an der frischen Luft. „Blink three times when you feel it kickin’ in - that solar power!“

mehr Musik:

Aktuell: