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Kraftklub live im Posthof 2016

A. Wörister / C. Leeb

buch

Linz: Engstirnig und vielfältig zugleich

Mit „Musik durch die Linse. Eine fotografische Reise durch mehr als 10 Jahre Linzer Musik- und Kulturlandschaft“ veröffentlichen die Fotografen Andreas Wörister und Christoph Leeb einen dicht bebilderten Erinnerungsschatz für Konzertliebhaber*innen. Ein Gespräch.

Von Lisa Schneider

„Linz ist altmodisch.“ „Linz ist eine Mischung aus Dorf und Stadt.“ „Linz ist eine Stadt für Pensionisten.“ „Linz ist ein bisserl rassistisch.“
Soweit die Schmankerl an Aussagen, die Menschen allen Alters in einem Werbespot des Linzer Tourismusverbandes in die Kamera gesprochen haben. Die Stadt Linz war nach dessen Veröffentlichung im heurigen Sommer nicht sehr glücklich, der Zuspruch auf Social Media war dafür umso größer. Es ist halt auch was Wahres dran, wie Andreas Wörister, der als unter anderem Veranstalter und Konzertfotograf schon seit vielen Jahren in Linz lebt und arbeitet, bestätigt. Was er noch hinzufügen würde: „Linz ist engstirnig und vielfältig zugleich.“

Andreas Wörister ist Vinyl- und Linz-Liebhaber, und er hat mit seinem Kollegen Christoph Leeb gerade ein Buch herausgegeben: „Musik durch die Linse. Eine fotografische Reise durch mehr als 10 Jahre Linzer Musik- und Kulturlandschaft.“ Für die 160 fast durchgehend bebilderten Seiten haben die beiden Fotografen ihre Festplatten herausgekramt und die für sie wichtigsten Konzertfotos, aufgenommen in diversen Linzer Locations, aber auch darüber hinaus, herausgesucht. Entstanden ist das eindrückliche Porträt einer Stadt, die nicht nur den punkig-verschwitzten Keller, sondern auch die großen Open-Air-Bühnen mit internationalem Top-Star-Besuch zelebriert.

The National live am Ahoi Pop Linz 2018

A. Wörister / C. Leeb

The National am Ahoi! The Full Hit Of Summer 2018

Die Idee zum Buch kam während des erzwungenen Stillstandes der letzten Monate. On the bright side: Endlich mal die Archive entstauben und Dinge hervorzaubern, von denen eh alle reden. Jede*r kennt jemanden, der oder die dabei war, beim Auftritt von Nirvana am 20. November 1989 in der KAPU Linz. Es wird geflüstert, dass das nicht mal ein besonders guter Auftritt war, aber das gibt im Nachhinein natürlich auch niemand mehr zu. „Musik durch die Linse“ ist ein Buch voller Ideen, Erinnerungen und eben auch urban myths. Zum Schmökern und Schwelgen schön.

Nirvana live in der Kapu Linz 1989

Walter Horn

Sie waren da und nein, du warst höchstwahrscheinlich nicht dabei: Nirvana in der KAPU Linz, November 1989.

Diverse Kulturszene

„Vergleicht man Linz mit Graz oder Innsbruck, bietet die Stadt sehr viel. Da sprechen wir von Größen wie dem Brucknerhaus, aber vor allem auch von der unheimlich lebendigen freien Kulturszene. In der wird unglaublich viel von Einzelpersonen getragen, die zusammenwirken wie eine große Familie. Und dieses Familiäre, Leidenschaftliche - das ist es, was Linz auch vor allem musikalisch so lebenswert macht“, erzählt Andreas Wörister.

Was sich in den letzten zehn Jahren, die das Buch abdeckt, verändert habe? "Die Szene ist diverser geworden. Vor einigen Jahren gab es noch kein Metal-Festival in der Stadtwerkstatt. So wie es mittlerweile auch eigene Hiphop-Festivals gibt. Die Szene verändert sich aber auch hier vor allem durch einzelne, die neue Ideen reinbringen. Das Schöne ist, dass sich die Leute hinter den Veranstaltungen nicht in den Vordergrund drängen, also das „Sich-Profilieren" ist kein Ding in der Szene in Linz, wie ich sie erlebe.“

Gustav live in der Stadtwerkstatt Linz 2014

A. Wörister / C. Leeb

Gustav in der Stadtwerkstatt 2014

Kulturszene vs. Bürokratie

Andreas Wörister hat selbst als Veranstalter kleiner Events begonnen, so wie viele seiner Freund*innen und Kolleg*innen. Seine Generation ist in den letzten zehn Jahren in die Linzer Kulturszene hineinge- und durchaus mit ihr verwachsen, wie er lachend gesteht, der Output von außen ist aber immer mehr als erwünscht. „Wir sind mittlerweile alle 30 Jahre alt - oder älter, und werden das auch nicht ewig machen (können). Deshalb ist es umso wichtiger, dass es weiterhin für junge, interessierte Leute möglich bleibt, ihr eigenes Ding auf die Beine zu stellen.“

Das ist nicht immer so einfach, die österreichische Bürokratie wird ihrem zweifelhaften Ruf einmal mehr gerecht: „Will man zum Beispiel einfach einen Singer-Songwriter an die Donaulände stellen, ohne viel Tamtam, ohne Bühne, braucht man unzählige Genehmigungen. Sonst zahlt man tausende Euro Strafe - und das kann’s ja dann auch nicht ganz sein.“ Ingenieur Breitfuß lässt grüßen.

Bilderbuch live im Linzer Posthof 2015

A. Wörister / C. Leeb

Bilderbuch im Posthof 2015

Vom Kulturwirtshaus Auerhahn bis zum Schlachthof Wels

Die Einteilung der Kapitel folgt den einzelnen Locations. Von räudig-gut und überschaubar (Kulturwirtshaus Auerhahn), bis gewaltig, weil Open Air (Ahoi! Full Hit Of Summer). Zwei Kurzausflüge im Buch führen aus Linz hinaus ins Röda in Steyr und in den Schlachthof Wels. Vor jeder Bildstrecke erzählen die beiden Autoren kurz zusammengefasst die Entstehung des jeweiligen Veranstaltungsortes, auch, um das Ganze in der Stadtgeschichte zu verankern. Im Fall vom Posthof Linz ist da etwa Fotomaterial der An-, Um- und Zubauten aus den 80er und 90er Jahren zu sehen.

Das Buch „Musik durch die Linse“ widmet außerdem der 2018 verstorbenen Szenegröße Harald „Huckey“ Renner eine Gedenkseite und holt Stimmen aus der oberösterreichischen Kulturszene ein. Da schreibt etwa Domenik Riedl von der KAPU über sein Bild von Linz als Konzertstadt:

„Keimzelle vieler Kultur-terroristischen Attacken auf Auge, Ohren und Hirn. Ausgestattet mit unbeirrbaren Geschmacksknospen und prüfendem Blick. Unsere Stahlstadt.“

Buchcover "Musik durch die Linse"

Kulturplattform Oberösterreich

„Musik durch die Linse. Eine fotografische Reise durch mehr als 10 Jahre Linzer Musik- und Kulturlandschaft“ von Andreas Wörister und Christoph Leeb erscheint im Verlag der Kulturplattform Oberösterreich.

Mit „Musik durch die Linse“ teilen Andreas Wörister und Christoph Leeb nicht nur ihre fotografische Arbeit und somit ihre wichtigsten Erinnerungen der letzten zehn Jahre, sie wollen auch ein Statement setzen. Das Buch endet mit sieben Forderungen. Die beiden Autoren nehmen dabei aber nicht nur die Kulturpolitik und insbesonders deren Förderungsvergabe, sondern auch sich selbst als Teil der Linzer Szene ins Visier.

„Linz und seine freie Kulturszene ist deshalb so stark, weil sie gelernt hat, über die letzten zehn Jahre hinweg aus wenig Geld sehr viel zu machen - und das durch viel ehrenamtliche Arbeit und Leidenschaft. Am Ende des Tages ist es nicht ganz verständlich, dass die freie Szene im Vergleich zu den großen Häusern, wie etwa dem Musiktheater oder dem Brucknerhaus, einen Bruchteil der finanziellen Unterstützung bekommt. Rein gemessen an dem, welche Anzahl an Veranstaltungen da und dort stattfinden. Wir schauen aber auch kritisch auf uns selbst, in den letzten Jahren ist viel Offenheit verlorengegangen und vielleicht auch etwas von der anfänglichen Vorstellungskraft. Es ist wichtig, dass Leute ohne Startkapital eine kleine Lesung, ein kleines Konzert veranstalten können. Da schließt sich der Kreis, weil hier muss wiederum die Politik einspringen, genau das zu ermöglichen. Böse wirtschaftlich gerechnet bringt die Investition ja nämlich auch etwas, weil sie wieder etwas zurückbringt.“

Andreas Wörister und Christoph Leeb freuen sich jetzt, da das Buch da ist, vor allem auch auf den 3. November. Da findet in der KAPU Linz eine Präsentation sowie eine Podiumsdiskussion über die Linzer- und die oberösterreichische Kulturszene statt. Mit dabei sind neben den beiden Autoren die Linzer Kulturstadträtin Doris Lang-Mayrhofer, Posthof-Leiter Gernot Kremser, Tanja Brandmayr von der Stadtwerkstatt Linz, Günther Ziehlinger aus dem Team der KAPU und Thomas Diesenreiter von der Kulturplattform Oberösterreich.

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