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Luftschacht Verlag | Patrick Bonato

graphic novel

„Toubab“: Ein Weißbrot im Senegal

Den Herbst und Winter 2016/17 verbringt der Illustrator Patrick Bonato in einer Künstlerresidenz in St. Louis im Senegal. Er zeichnet ein Tagebuch und protokolliert seine Erfahrungen, als einer, der trotz des Kulturschocks etwas verstehen möchte, über die anderen und über sich selbst. Nun ist „Toubab“ im Verlag Luftschacht erschienen.

Von Anna Katharina Laggner

Wer schon einmal im frankophonen Westafrika war, weiß, was „Toubab“ bedeutet. So bezeichnet man, in Gambia genauso wie in Mali oder Senegal, weiße Menschen. Der Begriff ist nicht abfällig, kann aber, wenn ihn zehn Kindermünder skandieren, bei der und dem so Angesprochenen durchaus zu Stressreaktionen führen. Und das ist das Stichwort für den hier vorliegenden Toubab.

Er heißt Patrick, hat blonde Haare, trägt Brillen, schwitzt permanent und ist von Patrick Bonato als liebenswerte Lachnummer angelegt. Es sei nicht unbedingt die Figur, die man selber sein wolle, sagt Patrick Bonato, daher habe es einige Überwindung gekostet, sie Patrick zu nennen. Ursprünglich stand der Toubab einfach stellvertretend für alle weißen Reisenden im Senegal.

Seiten aus der Graphic Novel

Luftschacht Verlag | Patrick Bonato

Zumindest im ersten Bild schwitzt Patrick nicht. Da sitzt er an seinem Schreibtisch, neben sich ein Goldfischglas, und tippt in holprigem Französisch seine Bewerbung in den Computer („Es scheint mir sehr interessant zu sein in Senegal und ich würde sehr gerne einen Graphic Novel dort versuchen zu starten, wenn Sie möchten mir geben eine solchen Möglichkeit“).

Doch schon im Flieger der erste Schweißausbruch, bei der Vorstellung, was ihn dort, am sagenumwobenen Schwarzen Kontinent erwarten würde. Er landet mit seinen Vorurteilen und einem Rollkoffer in Dakar, wo er wider Erwarten weder aufgespießt noch gehängt, sondern von einem freundlichen Mann namens Aliou an der Hand genommen und in den Norden des Landes, nach St. Louis, gebracht wird. Dort wird sein Zimmer für die nächsten Monate sein safe space in der Fremde sein.

Auf den einzelnen Bildern arbeitet Bonato mit wenigen Farben, er hat einen präzisen, humor- und liebevollen Blick auf sein Alter Ego genauso wie auf seine wenigen Protagonisten (hauptsächlich sind es Männer). Nur an einer Touristenschar während einer Vogelsafari kann er kein gutes Haar lassen.

Seiten aus der Graphic Novel

Luftschacht Verlag | Patrick Bonato

Ihn habe die Frage sehr beschäftigt, wie er als weißer Mann aus einem afrikanischen Land berichten könne, sagt Patrick Bonato. Der Weg, für den er sich entschieden hat, ist, keine generalisierenden Aussagen zu treffen. Stattdessen von sich selbst zu berichten. Was man über den Ort und das Land erfährt, sind die persönlichen Erfahrungen des Toubab, der sich naiv-beherzt ins Abenteuer stürzt und permanent überfordert ist, von den Straßenhändlern wie von der Schärfe der Chilis.

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Luftschacht Verlag | Patrick Bonato

Sein Besuch im Schwimmbad kippt genauso ins Groteske wie seine Versuche, das Trommeln zu lernen. Bei einem Besuch in einem Club gerät er vollends in Verwirrung. Eine junge, weiße Frau bittet ihn, sich als ihr Ehemann auszugeben, da sie von einem jungen, Schwarzen Mann bedrängt werde. Was ist das Versprechen hinter einer weißen Frau? Warum vertraut sie einem Toubab mehr als einem Senegalesen? Und wie geht der schweißgebadete Patrick damit um?

Für komplexe Sachverhalte voller rassistischer Fallstricke wie das Aufeinandertreffen einer Frau, die für Geld und Unabhängigkeit steht, und eines Mannes, der sich nach Geld und Unabhängigkeit sehnt, hat Patrick Bonato Bilder und Szenen gefunden.

Bonato erzählt die Geschichte eines Toubab, der im Senegal viel entdeckt und wenig versteht. Ein höchst erfreuliches Buch, nicht zuletzt in dieser an Reisen und Entdeckungen so entsetzlich armen Zeit.

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