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Kamp & Fid Mella

Kamp & Fid Mella

Kamp ist zurück ohne Zukunft

Der selbsternannte Versager ohne Zukunft Kamp meldet sich zusammen mit dem Produzenten Fid Mella nach 13 Jahren und einer neuen Single zurück und spricht selbstbewusst von einem Kamp-Back. Der Albumtitel „202“ steht für 2urück 0hne 2ukunft und ist in über 10 Jahren Arbeit entstanden.

Von Clemens Fantur

Rap ist ein schnelllebiges Geschäft. Denn da kann es schon passieren, dass, was und wer vor zwei Monaten noch als heißer Scheiß galt, heute schon wieder zum alten Eisen zählt. Und wer will schon im von Freshness getriebenen Rapgame zum alten Eisen zählen und die Hater haten hören? Aber lasst uns ähnlich sein, das Klugscheißen und Haten ist wie bei fast keinem anderen Genre fest in die DNA mit eingeschrieben. Es gehört zum Tagesgeschäft, gilt als Motivator und Antriebsfeder. Ist Stilmittel und Kulturgut zugleich. Das Alte oder auch das Neue wack zu finden, ist Teil der Kultur und treibt das Große und Ganze voran. Man muss das sportlich sehen.

Schon immer haben die ausführenden Protagonisten und Protagonistinnen genauso wie die geneigten Hörerinnen und Hörer bei jedem aufkeimenden jungen Rapper oder Subgenre das Ende des Hip-Hop-Abendlandes heraufbeschworen. Aber was ist passiert? Rap hat sich weiterentwickelt. Mal nach oben, mal nach unten, mal nach links, in letzter Zeit auch oft nach rechts. Mal nach vorne, oft auch wieder zurück. The circle of life eben. Vieles hat sich verändert im Laufe der Jahre, der süße Hate ist eine der wenigen, zuverlässigen und treuen Konstanten geblieben.

Zurück zur Schnelllebigkeit und gleich ein bisschen Hate des alten Mannes mit oben drauf: In den letzten Jahren hatte man das Gefühl, dass Rapsongs, welche größtenteils nicht länger als 1 Minute und 30 Sekunden lang waren, auch in nicht mehr als 1 Minute und 29 Sekunden geschrieben und produziert wurden. Zwei Hooks und eine bemühte Bridge inklusive. Klar, die Gewohnheiten der Hörenden haben sich verändert. Aber eben auch das Bemühen der Ausführenden.

Wer kann heutzutage schon behaupten, einen Song über 13 Jahre lang geschrieben zu haben? Das kann nur ein Versager sein, einer ohne Zukunft. Und da ist er: Kamp.

Kamp

Kamp & Fid Mella

Call it a Kamp-Back

Kamp ist zurück. Und das nach gut 13 Jahren Sendepause. Mit an seiner Seite Fid Mella, der umtriebige Produzent aus Norditalien, der in den letzten Jahren eigentlich nicht zu überhören war, man denke da zum Beispiel nur an den Silk Mob. Und dieser Tage wird auch Mellas neues Produzentenalbum „Hella Mella“ erscheinen, auf dem auch Kamp einen Song beigesteuert hat. „Hakkn“ unterstreicht die enge Verbundenheit der beiden Musiker, erzählt vom täglichen Hustle und beschreibt ganz gut, mit was sich Kamp in den letzten Jahren herumschlagen hat müssen, und ist ein guter Vorgeschmack auf das gemeinsame Album.

Und nun wird schon bald das neue, gemeinsame Album namens „202“ erscheinen. Genauer gesagt am 1.4.2022. Fast 13 Jahre nach dem letzten Album 2009. Gearbeitet daran wurde eigentlich immer. Mal mehr, mal weniger, je nach Dringlichkeit. Und in letzter Zeit hat diese Dringlichkeit zugenommen.

Kamp: „Dieses Album ist tatsächlich in einem Zeitraum von über zehn Jahren entstanden. Natürlich nicht immer fokussiert, ansonsten wäre das selbst für meine Verhältnisse ein erbärmliches Arbeitstempo. Aber ich habe konstant und anlassbezogen daran gearbeitet. Oft gab es über Monate oder Jahre keinen Anlass zu schreiben. Und dann gab es eben wieder solche Anlässe. Aber ich muss zugeben, dass ich selbst nicht daran geglaubt habe, dass wir es fertig machen. Bis plötzlich alle Dinge zusammenkamen. Das war 2009 eigentlich nicht anders, nur dass wir damals aus der Rapszene kamen und das tun wir heute natürlich nicht mehr. Möchte ich auch gar nicht.“

Vom Ende der 90er Jahre bis zum Ausklingen der Nullerjahre, also bis zum Erscheinen seines letzten Albums „Versager ohne Zukunft“, war Kamp einer der prägendsten Protagonisten der heimischen Szene. Er galt nicht nur als Freestylewunderkind, sondern auch als König der Wörtaz und Wortspiele und hatte in zwei seiner Zeilen oft mehr davon, als 90 Prozent seiner Kollegen auf einem ganzen Album. Jetzt ist er zurück in einer Welt, die sich extrem verändert hat.

Kamp: „Natürlich hat sich extrem viel verändert zwischen 2009 und heute. Damals war schon eine Zeit des Umbruchs, die mir vielleicht gar nicht bewusst war. Heute gibt es Dinge, die mir nie wichtig erschienen, wie etwa Streamingdienste und der ganze Kram. Mir ist das alles zum Großteil fremd und äußerst unsympathisch und alles, was nach wie vor da ist, was ich von früher her kenn, ist mir auch heute noch unsympathisch. Das Livespielen, Interviews Geben. Also eigentlich eine Lose-lose-Situation.“

Kamp & Fid Mella

Kamp & Fid Mella

Kamp: „Viele Protagonisten von früher – so wie ich auch - haben gerade zwei Dekaden Berufsleben hinter sich gebracht und dabei erkannt, dass es vielleicht besser ist, zu Altbewährtem zurück zu kommen. Aber ich glaube schon auch, dass es an der Situation der letzten zwei Jahre liegt und teilweise auch an dem, was davor im deutschsprachigen Rap Mode war. Nämlich diese absolute Inhalts- und Gedankenlosigkeit. In den letzten Jahren waren Themen oder gar Gefühle nicht sonderlich gefragt. Und jetzt, wo wir alle gezwungen waren, zuhause zubleiben, alle Clubs geschlossen hatten, hat eine Art Renaissance eingesetzt. Nicht nur bei den Hörerinnen und Hörern, sondern eben auch bei den Aktiven und ehemals Aktiven.“

Früher war nicht alles besser, aber vielleicht wurde doch ein wenig mehr Wert auf den Inhalt gelegt. Bei Kamp war das bestimmt so. Es scheint, dass the circle of life des Rapgames gerade wieder einen Pendelschlag zurück zum Storytelling macht, siehe zum Beispiel OG Kemo mit seinem Konzeptalbum „Mann Beisst Hund“. Aber lasst uns ehrlich sein, an den Spitzen der Charts wird man es nicht finden. Genauso wenig wie Kamp, aber das ist ihm schon seit Tag 1 bewusst. Angepisst und grantig war Kamp immer schon. Eine Verbitterter, wie bei vielen seiner Kollegen, ist daraus aber nie entstanden, oder etwa doch?

Kamp: „Doch, ich bin gerade gern der verbitterte alte Mann in dieser Rapwelt. Was mich in den 90ern zu Rap gebracht hat, das existiert in dieser Form so nicht mehr. Ich würde heute wahrscheinlich, wenn ich 14 wäre, ganz wo anders landen. Ganz sicher nicht bei Rap, ganz sicher nicht bei Hip Hop. Und trotzdem muss ich sagen, das es auch heute unfassbar guten Rap gibt. Es sicher nicht einfach heute, denn wir sind schon auf Schultern von Riesen gestanden, und die Kids heute stehen auf den Schultern von Riesen, die auf Schultern von Riesen, die auf Schultern von Riesen standen. Heute werden Dinge mit einer Leichtigkeit gemeistert, wie es damals nur Ausnahmetalente konnten. Es ist also nicht alles Scheiße. Aber ich darf trotzdem verbittert sein und ich steh dazu.“

202

Kamp: „Dieser Song ist beinahe schon 13 Jahre alt. Ich habe tatsächlich bereits 2009 an ihm begonnen zu schreiben und immer wieder Bruchstücke und Zeilen hinzugefügt, welche die Zeit gerade geschrieben hat. So wie etwa die Zeilen über Whizz Viennas Wohnungsexplosion. Somit ist sie also eine Nummer, die das Album gut repräsentiert, weil sie eine Zeit von 2009 bis 2022 umspannt. Es gibt ja dieses gevögelte Wort: Für das erste Album hat man sein ganzes Leben Zeit. Für das zweite Album dann nur ein paar Jahre. Wir haben uns für das zweite Album aber wieder ein ganzes Leben Zeit gelassen.“

Kamp ist zurück und wird die Hörgewohnheiten der jungen Rapfans ordentlich durcheinanderwürfeln. Der Tipp des alten Mannes: Hört dem anderen alten Mann genau zu und es werden sich Welten auftun. So, und jetzt genug mit dem Gehate. Peace.

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