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Niv Nissim und John Benjamin Hickey am Stadtstrand in Tel Aviv, Szene aus dem Film "Sublet" von Eytan Fox.

Daniel Miller/Greenwich Entertainment

Empfehlungen für das Jüdische Filmfestival Wien

Das Jüdische Filmfestival Wien will uns von 24. April bis 8. Mai Leichtigkeit, Entspannung und Ablenkung bieten – klarerweise neben dem Bewusstsein für all das, was rundum passiert. Tipps aus dem sehr schönen Festivalprogramm.

Von Maria Motter

Jüdisches Filmfestival Wien,
24. April bis 8. Mai 2022, im Village Cinema und im Metro Kinokulturhaus, Wien.

Ein sanfter Druck auf die Schulter von Kida Khodr Ramadan in Berlin in „Ein nasser Hund“, der Ausblick vom Balkon einer Studentenwohnung in Tel Aviv in „Sublet“ und das Organisationstalent einer Anwältin und sechsfachen Mutter in der chassidischen Community Borough Park in Brooklyn, New York in der Doku „93 Queen“ sind drei der Details aus dem Kinovergnügen des Jüdischen Filmfestival Wien. „We are Family!“, ist diesmal das Festivalmotto und zu sehen sind bis 8. Mai herzige Spielfilme und erstaunliche Dokus.

„Dem unerschöpflichen Thema Familie – besonders wenn es um jüdische ‚Mischposche‘ geht – nähern sich Filmemacher:innen gerne auch mit Selbstironie und Witz“, hält das Festivalteam im Programmkatalog fest. Und das ist immer gut.

„Sublet“

„Sublet“ zum Beispiel ist ein Spielfilm wie ein sonniger Kurzurlaub. Da kommt ein schwuler, verheirateter US-amerikanischer Reisejournalist der New York Times in Tel Aviv an und er sieht als Ganzes vom Leben erschöpft aus, aber sein gebuchtes Apartment ist alles andere als aufgeräumt. Der junge Vermieter hat sich im Datum vertan und muss noch die Requisiten vom letzten Horrorfilmdreh verstauen. Der Journalist will ins Hotel, aber der Israeli bittet ihn, doch zu bleiben. Leichtfüßig und gegen Ende überraschend emotional wird es in diesen fünf Tagen in Tel Aviv.

Ein junger Mann schaut einen älteren an. John Benjamin Hickey und Niv Nissim im Film "Sublet".

Daniel Miller/Greenwich Entertainment

John Benjamin Hickey und Niv Nissim im ziemlich entzückenden „Sublet“, einem Filmfestivalhit von Eytan Fox.

„Marry Me However“

Mordechai Vardi ist Rabbiner und Filmemacher. Als er seiner Familie von seinem neuen Filmthema erzählt hat, haben zwei seiner Töchter ihm ihre Erlebnisse geschildert. Eine war mit einem jungen Mann zusammen, der ihr anvertraut hatte, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. Dennoch wollten die beiden heiraten, weil sie gut miteinander auskamen und die Tochter den Freund nicht im Stich lassen wollte.

Schwule und lesbische Orthodoxe, die heterosexuelle Ehen geschlossen haben, kommen in Vardis so spannender wie berührender Doku „Marry Me However“ zu Wort. Die Menschen sind Anfang 20 und haben bereits Kinder, doch sie wollen und können sich und anderen jetzt nichts mehr vormachen. Ihre Offenheit und die Gespräche über
Beziehungsleben sind absolut beeindruckend. Das sind 63 Kinominuten über Zugehörigkeit und Anerkennung, Liebe und das Leben.

Eine junge Frau und ein junger Mann mit Kippa sitzen auf einer Couch in einem Wohnzimmer.

Go2Films

„Marry Me However“ vom Rabbiner und Filmemacher Mordechai Vardi

„93 Queen“

Eine große Geschichte der Selbstbestimmung ist auch „93 Queen“: In Borough Park in Brooklyn, New York, wo die größte streng orthodoxe jüdische Gemeinde der USA zuhause ist, will eine Juristin und Mutter von sechs Kindern einen rein weiblichen Rettungsdienst begründen. Denn den gibt es bislang nicht in ihrer Community. Ruchie Freier will medizinische Notversorgung von Frauen für Frauen ermöglichen und anbieten.

Die junge Filmemacherin Paula Eiselt hat Ruchie Freier und ihre Mitstreiterinnen vier Jahre hindurch mit der Kamera und ihrem Tongerät begleitet. Am Ende des Films wird Ruchie Freier als Amtsrichterin vereidigt, als eine der ersten chassidischen Frauen in einem öffentlichen Amt in den USA.

Ruchie Freier wird als Richterin vereidigt. Szene aus der Doku "93 Queen".

Paula Eiselt/Malka Films

„93 Queen“

Truus Wijsmuller rettete tausende Menschen

Neben Kino, bei dem einem das Herz aufgeht, lenkt das Jüdische Filmfestival wie gewohnt auch die Aufmerksamkeit auf gewichtige, harte Themen. So gilt ein Schwerpunkt Kindern auf der Flucht. Österreich-Premiere hat „Der Pfad“ von Tobias Wiemann, der Jugendfilm erzählt von einem Vater und Sohn auf der Flucht vor den Nationalsozialist*innen, über die Pyrenäen wollen sie nach Spanien.

Geertruida Wijsmuller-Meijer im Jahr 1965 in Amsterdam neben einer Büste von ihr.

Ron Kroon

Widerstand gegen das Naziregime hat die Niederländerin Truus Wijsmuller (1896–1978) gelebt: Sie hat tausenden Menschen, vor allem Kindern, das Leben gerettet, doch kaum jemand kennt ihren Namen. „Für die ersten 600 Kinder, die am 10. Dezember 1938 aus Wien ausreisen durften, zahlte sie aus ihren privaten Mitteln“, erfährt man auf der Website des Jüdischen Filmfestivals. Die Regisseurinnen Pamela Sturhoofd und Jessica van Tijn haben Wijsmullers Lebensgeschichte recherchiert und für ihre Doku „Truus’ Children“ Menschen besucht, die über die sogenannten Kindertransporte vor der nationalsozialistischem Verfolgung und dem Krieg davonkamen.

An zwei Abenden, am 6. und am 7. Mai, werden unter dem Titel „Dokumente der Vernichtung“ Filme im Metro Kinokulturhaus gezeigt, die in nationalsozialistischen Vernichtungslagern gedreht worden sind. Und diese historischen Filmprogramme werden im Kino wissenschaftlich begleitet. Die Zuschauer*innen werden also nicht mit den Filmen „allein gelassen“, sondern es gibt die konkrete Möglichkeit, mehr zu erfahren. Die Filme zeigen Überlebende und Ermordete im Konzentrationslager Ebensee am 8. Mai 1945, in Auschwitz, in Majdanek. Sie beleuchten auch den Umgang mit Gedenkstätten in der Nachkriegszeit in der DDR.

Barbra Streisand wird achtzig

Barbra Streisand wird am 24. April, dem Eröffnungstag des Jüdischen Filmfestivals Wien, ihren 80. Geburtstag feiern. Ein Festtag als Anlass, „Hello, Dolly!“, „A Star is born“, „Yentl“, Liebe hat zwei Gesichter“ und „Meet the Fockers“ mit Ben Stiller im Kino zu zeigen.

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