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Autumn de Wilde

Florence And The Machine und ihre neue Platte „Dance Fever“

Die musikalische Reise der Florence Welch geht weiter, diesmal teils inspiriert von einem Phänomen aus dem europäischen Mittelalter, als ganze Gruppen von Menschen nicht mehr aufhören konnten, zu tanzen. „Dance Fever“ ist, laut Florence Welch, ein Märchen bestehend aus vierzehn Songs.

Von Eva Umbauer

Als ich ein Kind war, hörte ich zum ersten Mal vom „Veitstanz“. Das Wort an sich klang schon irgendwie bedrohlich, und noch mehr, als meine Großmutter sagte, man könne den „Veitstanz“ von einem verschluckten Haar bekommen. Eigentlich wollte Florence Welch gleich ein ganzes Album machen über dieses Phänomen, das im Mittelalter in Europa auftrat: zwanghaftes Tanzen mit unkoordinierten Bewegungen der Hände, Füße und des Kopfes. Tanzen bis zur Erschöpfung, bis zum Tod. Die Tanzwut, auch Tanzkrankheit, Tanzsucht, Tanzplage, Tanzpest oder Choreomanie, war aber weniger Vergnügen für die Betroffenen, sondern vielmehr eine Qual. Einen der neuen Florence-And-The-Machine-Songs nennt Florence Welch dann auch „Choreomania“.

Something’s coming, so out of breath, I just kept spinning, and I danced myself to death" - aus „Choreomania“

Florence Welch liebt es, zu tanzen, sich auf einer Bühne zu bewegen, dabei ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Letzteres ist im Alltag oft schwierig, aber die Bühne bietet Platz dafür. Florence Welch liebt die Konzertbühne, auch wenn sie das Touren eigentlich sehr anstrengend findet. Aber jedes Konzert, immer wieder ein neues zu spielen, es ist für Florence manchmal fast wie eine Art Zwang, eine Besessenheit. So wie diese Menschen, die im Mittelalter an der Tanzwut litten, meint Florence Welch, so könne sie nicht aufhören, zu performen. Daher kommt auch der Albumtitel „Dance Fever“.

„Sometimes the biggest dance songs have a really sad core to them“

Als die Pandemie kam, verwarf Florence Welch die Idee, ein komplettes Album inspiriert von der Choreomanie zu machen. Die Menschen litten damals sehr darunter, niemand wusste, woher diese eigenartige Tanzwut kam - ob von einem Virus oder einem Pilz, der oft Getreide befiel, das die Menschen dann aßen. War es eine neurologische Krankheit, ähnlich der Epilepsie? Auf Lateinisch heißt diese Tanzwut ja „epilepsia saltatoria“.

Albumcover von Florence and The Machine's "Dance Fever". Florence inszeniert sich altertümlich vor einem Vollmond

Universal Music

„Dance Fever“ von Florence And The Machine ist bei Polydor/Universal Music erschienen. Die Deluxe Edition enthält Acoustic-Versionen von „Morning Elvis“, „My Love“, „Free“ und „Cassandra“.

Florence Welch mochte schon immer dunkle Themen, ihre Musik hat immer wieder ein „gothic“ Element, aber dann mit der Pandemie setzte sie das Thema des geplanten neuen Albums, die „dance plague“, nicht mehr weiter fort, denn es wäre zu viel gewesen, eine Epidemie aus früherer Zeit eingehend zu beleuchten, wo doch gerade eine neue zu wüten begann.

Ansingen gegen die Trauer

Die Songs auf „Dance Fever“ singen gegen die Trauer an, die seit März 2020 auf der Welt lastet. Es ist eine Erzählung von Bewegung und Auferstehung, vom Rückzug ins Innere und dem Bedürfnis, mit anderen zusammen zu sein, von Bewegung und Auferstehung, von Folklore und Horror. Eine Geschichte von Metamorphose, von einer Idee, die eine Sache beginnt und sich dann - trotz aller Widerstände – in etwas Neues transformiert.

Einer der neuen Songs, „My Love“, ist ein euphorischer Dance-Track geworden, auch wenn Florence Welch singt: „There is nothing to describe, except the moon still bright against the worrying sky, I pray the trees will get their leaves soon. So tell me where to put my love. Do I wait for time to do what it does? I don’t know where to put my love and when it came, it was stranger than I had ever imagined. No cracking open of heaven, but quiet and still all my friends are getting ill.“ Der Song begann als trauriges Gedicht, zusammen mit Dave Bayley von der englischen Band Glass Animals machte Florence Welch einen großen Synth-Pop-Song daraus.

Ein anderer neuer Song, „King“, handelt vom Druck der Gesellschaft, dass man als Frau ab dreißig nun langsam daran denken sollte, eine Familie zu gründen. Ab fünfunddreißig wird es dann ganz eng, meint Florence Welch, wenn einem gesagt wird, dass man nur noch ein kleines Zeitfenster zum Kinderbekommen hat. „I am no mother, I am no bride, I am king, I need my golden crown of sorrow, I need my bloody sword to swing“, singt Florence. Eigentlich möchte sie eine eigene Familie, aber würde das mit dem vielen Touren dann noch funktionieren?

„I had modelled myself almost exclusively on male performers, and for the first time I felt a wall come down between me and my idols as I have to make decisions they did not have to make.“

Im nachdenklichen „Girls Against God“ - samt wunderhübscher Akustikgitarre - legt sich Florence Welch mit Gott an - wer oder was immer das nun genau ist. Aber es ist ein „funny song“, wie Florence sagt. Es geht um die Zeit, als die Pandemie gerade wütete und Florence sich fragte, ob sie überhaupt je wieder auf einer Bühne stehen würde.

„For me, singing and being on stage has always made me understand some sense of spirituality, or I understood the world, coming to concerts and seeing love. And in those years I wasn’t sure whether they would come back, I was very angry at God. Then I wrote a funny song about it because I was like, ‚As if God cares that I’m mad!‘ So it was kind of a song about that, and the artist ego versus the reality of your own complete insignificance.“

Florence Welch über einen anderen ihrer neuen Song, „Heaven Is Here“: „That was the first song I wrote in lockdown after an extended period of not being able to get to the studio. I wanted to make something monstrous. And this clamour of joy, fury and grief was the first thing that came out. With dance studios also shut it was my dream to one day create choreography with it. So it’s one of the first pieces of music I have made specifically with contemporary dance in mind.“

Eigentlich hätten im März 2020 die Aufnahmesessions zu „Dance Fever“ beginnen sollen, in New York - mit Jack Antonoff. Alles musste verschoben oder komplett abgesagt werden. Der Großteil des Albums wurde schließlich in London eingespielt, von Florence Welch selbst produziert, zusammen mit dem US-Amerikaner Jack Antonoff und dem Briten Dave Bayley.

Der Musiker Jack Antonoff - Bleachers, Fun - ist gegenwärtig einer der gefragtesten Produzenten und arbeitete mit Musikerinnen wie St. Vincent, Lana Del Rey, Clairo, Lorde oder Taylor Swift. In der Vergangenheit war Florence And The Machine mit britischen Producern wie Paul Epworth - Bloc Party - im Aufnahmestudio, oder mit Markus Dravs - Coldplay, Mumford And Sons.

Ob die Chemie mit Jack Antonoff stimmen würde, war sich Florence Welch erst nicht ganz sicher, weil man einander noch nie getroffen hatte, aber die Sorge erwies sich rasch als unbegründet. „Dance Fever“ ist ein vielseitiges Album geworden - aus Synth-Pop, 70s-Pop, Folk a la Emmylou Harris, Art Rock, mit einer Florence Welch, deren Texte und Stimme so gut sind wie nie zuvor.

Einer der schönsten Songs von „Dance Fever“ ist der letzte, er heißt „Morning Elvis“ und handelt von Elvis Presley oder besser, wie Florence Welch einmal an einer Tour zu seinem Haus Graceland in Tennessee, in den USA, teilnehmen wollte, aber von übermäßigem Alkoholkonsum zu geschwächt dazu war: „I thought the way to hang onto your rock ’n’ roll roots was to be the drunkest person in the room“, sagte Florence Welch einmal in einem Interview mit der New York Times. Zu viel Alkohol hatte ihr so Manches vermasselt, nicht nur den Besuch des Elvis-Hauses.

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