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Kathryn Bigelow

ROBYN BECK / AFP

Gewalt und Romantik: Das Frühwerk von Kathryn Bigelow

Mit ihren späteren Politthrillern überzeugte die US-Regisseurin auch die Oscar Academy. Der FM4 Film Podcast blickt aber auf zwei ihrer Filme aus den 90ern zurück. Der Surferthriller „Point Break“ und das dystopische Meisterwerk „Strange Days“ begeistern immer noch.

Von Christian Fuchs

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Mit klischeehaften Geschlechterzuordnungen sollte man ihr nicht kommen. Auf ihre vermeintliche weibliche Sensibilität ließ sich die US-Regisseurin Kathryn Bigelow nie festnageln. Und eine leichtfüßige, romantische Komödie wird man schon gar nicht in ihrem Schaffen finden.

Dafür steht Bigelow für brisantes Politkino wie „Detroit“, „Zero Dark Thirty“ oder das Oscar-gekrönte Bombenentschärfer-Drama „The Hurt Locker“. Oder auch brachiale moderne Genreklassiker wie „Near Dark“, „Point Break - Gefährliche Brandung“ oder „Strange Days“. Mit den beiden letzteren beschäftigen sich Jan Hestmann und meine Wenigkeit im neuen FM4 Film Podcast.

Wilder, rebellischer Geist

Beschleunigte Bilder, rohe Gewalt, explodierende Emotionen. Kathryn Bigelows Filme bewegen sich auf einem Terrain, das gemeinhin tatsächlich von Männern dominiert wird. Von Anfang an pendelt die ehemalige Malerin und Kunststudentin zwischen beinharter Action und großen Gefühlen. Dabei gibt sie sich, wie ihr Ex-Ehemann James Cameron, nie mit formelhaften Ansätzen zufrieden. Bigelow geht es darum, festgefahrene Unterhaltungskino-Stereotypen aufzubrechen.

Kathryn Bigelow am Set von „The Hurt Locker“

Concorde Filmverleih GmbH

Kathryn Bigelow am Set von „The Hurt Locker“

Besonders mitreißend gelingt ihr das erstmals 1986 mit „Near Dark“, einer bis heute unerreichten Rundumerneuerung des Vampirfilmgenres. Kathryn Bigelow knüpft an alte Outlaw-Mythen und Rock’n’Roll-Ideale gleichzeitig an und inszeniert ihre Blutsauger als moderne Cowboy-Punks in einem mitreißenden Roadmovie.

Auch mit dem Serienkillerstreifen „Blue Steel“ und dem Gangdrama „Point Break - Gefährliche Brandung“ überschreitet sie die Hollywood-Vorgaben. Da steckt ein rebellischer, wilder Geist in den Figuren, ob es sich nun um einen weiblichen Cop oder eine kriminelle Surferclique handelt.

Filmstill aus "Point Break" - Keanu Reaves und Patrick Swayze in Fallschirmoutfit

Warner

„Point Break“

Action und Pathos: Jan Hestman über „Point Break“

Riesige Wellen, eine Serie von Banküberfällen und eine Bromance, die in die Filmgeschichte eingehen wird. Es ist das Jahr 1991, als sich Kathryn Bigelow mit „Point Break“ auf die Karte des großen Actionkinos setzt. Und es ist auch Keanu Reeves’ erster Auftritt als richtiger Actionstar in dessen Karriere. Er spielt den frisch von der Polizeischule kommenden FBI Agent Johnny Utah, der einer maskierten Räubertruppe, die sich selbst Ex-Presidents nennt, das Handwerk legen soll. Die Fährte führt ihn schließlich zu Surfer-Ass Bodhi (Patrick Swayze) und dessen Clique.

Kathryn Bigelow inszeniert ein rasantes Katz-und-Mausspiel, mit großartigen Actionsequenzen und einer ordentlichen Portion Pathos. Und einer der denkwürdigsten Held-Schurken-Beziehungen des 90er-Jahre-Kinos. Die findet ihr Ende im emotionalen Showdown vor dem Hintergrund der sich aufbäumenden Jahrhundertwelle, wenn Johnny seinem Widersacher Bodhi ein letztes Mal tief in die Augen blickt und ihm den ultimativen ride gewährt, begleitet von den Worten „Vaja con dios“.

Keanu Reeves als Surfer in Point Break

Point Break

Farben, Lärm und Körper in Bewegung

Im Jahr 1995 präsentiert Bigelow dann ihre Version des Jahrtausendwechsels. „Strange Days“ zeigt ein Los Angeles zwei Tage vor der ganz großen Silvesterfeier. In den Straßen herrscht ein Klima aus brodelnder Anarchie, Rassenunruhen und fieberhaften Partyvorbereitungen. Ein desolates Endzeitszenario, durch das ein gescheiterter Ex-Cop hetzt. Lenny Nero schlägt sich als Schwarzmarkthändler von sogenannten SQUID-Clips durch, die als neueste Technologie anno 1999 immersive Virtual-Reality-Erfahrungen versprechen.

In diesen seltsamen Zeiten wird Lenny in einen gefährlichen Fall verwickelt. Auf einem Snuff-Clip findet er den Mord an einer Prostituierten und glaubt, die Identität des Täters zu kennen. Neo-Noir-typisch lässt „Strange Days“ den Protagonisten nun in einen Strudel von Gewalt, Paranoia und defekten Beziehungen tauchen.

Filmstill aus "Strange Days"

Universal

„Strange Days“

Bigelow versucht, soziale, spirituelle und politische Themen in einen spannenden Action-Thriller zu verpacken. Eine Mischung, die Mitte der 90er Jahre das Publikum überfordert. Aus heutiger Sicht überwältigt aber nicht nur der subversive Subtext. „Strange Days“ begeistert alleine durch die ästhetische Oberfläche. Der Film rast auf einen furiosen Showdown zu, der auf einem gigantischen Milleniumsrave passiert. Ein orchestriertes Wirrwarr aus Farben, Lärm und Körpern in Bewegung.

Ganz am Ende besticht die Regisseurin mit einem Blickwinkel, der damals noch keinen politisch korrekten Auflagen geschuldet ist: Das Gute in der Gestalt von Angela Bassett ist schwarz und weiblich. Das Böse ist weiß, korrupt und männlich. Dazwischen Ralph Fiennes als labiler, sehnsüchtiger Lenny Nero in einer Lebensrolle.

Filmstill aus "Strange Days"

Universal

Wie in „Near Dark“, „Point Break“ oder auch im ultrarealistischen „The Hurt Locker“ geht es auch in „Strange Days“ um die Suche nach rauschhaften Kicks, nach Gewalt als Stimulanz. Kathryn Bigelow erzählt von menschlichen Ausnahmezuständen, wir dürfen auf ihren nächsten Film gespannt sein.

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