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„Märzengrund“: Wenn ein Good-bye zum Fuck-you wird

Regisseur Adrian Goiginger bringt das Theaterstück „Märzengrund“ von Felix Mitterer als bildgewaltiges Heimatdrama auf die Leinwand. Der Film erzählt die Geschichte eines jungen Aussteigers in den Zillertaler Alpen in den 1960ern und ist vor allem dank der Darstellerinnen und Darsteller sehenswert.

Von Philipp Emberger

Wenn der junge Elias (Jakob Mader) hoch oben in den Tiroler Alpen steht und den Berg hinunter ruft, bekommt er außer seinem eigenen Echo keine Antwort. Genau diese Nicht-Antwort könnte ihn aber nicht glücklicher machen. Der junge Mann hat eine folgenschwere Entscheidung getroffen und sein bisheriges Leben hinter sich gelassen. Mit dem von seinen Eltern vorgezeichneten Weg als Erbe des Bauernhofs konnte Elias nichts anfangen, andere Menschen und die Gesellschaft findet er überfordernd. So macht Elias eine einsame und verlassene Almhütte im Märzengrund, einem abgelegenen Tal in den Zillertaler Alpen, zu seinem neuen Zuhause. Weit weg von den Menschen und der Zivilisation, um wieder atmen zu können, wie er sagt.

Elias’ Abschied ist aber auch ein ausgestreckter Mittelfinger an seine Familie und speziell an den tyrannischen Vater (Harald Windisch), der als gieriger Großbauer ums Eck kommt. Er ist stets darauf bedacht, Grund und Vermögen zu erweitern, und hätte all das auch nur zu gern an seinen Sohn, den Stolz der Familie, den Erben, weitergegeben. Doch sind es genau dieser Erwartungsdruck, diese vorgegebenen Normen und Regeln, an denen der sensible Elias zerbricht. Seine Entscheidung kann man durchaus auch als egoistisch einstufen, hat sie doch Konsequenzen für die gesamte Familie. Der elterliche Bauernhof bekommt so keinen neuen Besitzer und verfällt. Eine Enttäuschung und Blamage für Vater und Mutter (Gerti Drassl).

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„Märzengrund“ heißt ein Talgebiet im Tiroler Zillertal

Ähnlich wie das Theaterstück Felix Mitterers, der als Drehbuchautor am Film beteiligt ist, zeichnet auch der Film auf verschiedenen Zeitebenen Elias’ Leben nach. Der Stoff beruht auf einer wahren Begebenheit, die sich so in den Alpen zugetragen hat. Nachwuchsschauspieler Jakob Mader und Routinier Johannes Krisch teilen sich die Rolle des Aussteigers (auf verschiedenen Zeitebenen) und machen das auf ihre Art jeweils großartig. Die Schauspielleistungen sind generell ein Pluspunkt. Harald Windisch als strenger Familienvater, Gerti Drassl als die harte, aber auf ihre Art gütige Mutter. Dazu kommt noch die aktuelle Jedermann-Buhlschaft Verena Altenberger, die als Moid eine von Elias angebetete Frau spielt und zur Sehnsuchtsfigur für den jungen Mann avanciert.

Ein perfekt erschaffener Mikrokosmos

Die Welt in dem Aussteigerdrama ist brutal, streng hierarchisch und patriarchal. In seinem preisgekrönten Film „Die Beste aller Welten“ hat Regisseur Adrian Goiginger bereits eine perfekt inszenierte Welt, angesiedelt im Drogenmilieu, auf die Leinwand gebracht. Dieses Kunststück, wenn auch in einem anderen Milieu, wiederholt er nun in „Märzengrund“. Das bestätigt auch Verena Altenberger im FM4 Interview: „Wir haben immer versucht, den Mikrokosmos so perfekt wie möglich zu machen, weil wir daran glauben, dass es dann auch universell funktioniert.“

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Elias (Jakob Mader) und die Moid (Verena Altenberger) in einer Disco im Film „Märzengrund“

Damit das Ergebnis überzeugend ist, ist Goiginger auch bereit, die Extrameile zu gehen. Verena Altenberger spielt eine geschiedene Frau, die Rolle hat insgesamt doch recht wenig Screentime. Damit diese aber so perfekt wie möglich wird, engagierte Goiginger einen Schauspieler, der mit Altenberger davor auf einer Tiroler Hütte die kaputte Ehe der Moid-Figur durchspielen sollte. Diese Erfahrungen verdichten sich dann in wenigen Sätzen überzeugend auf der Leinwand.

Philipp Emberger, Verena Altenberger & Christian Fuchs

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Verena Altenberger ist am 22. August 2022 zu Gast im FM4 Film Podcast. Mit Christian Fuchs und Philipp Emberger spricht sie eine Stunde lang über die Filme, die sie geprägt haben – von „Forrest Gump“ bis „Friedhof der Kuscheltiere“.

Die Gefahr des Heimatkitsches

„Märzengrund“ wurde in den Bergen auf teilweise über 2.500 Meter Höhe gedreht. Die malerische Bergkulisse samt saftig grünen Wiesen und blühenden Blumen birgt das Risiko, dass der Film schnell ins Heimatkitschige abdriftet. Daran schrammt „Märzengrund“ manchmal nur knapp vorbei, umschifft die Gefahr aber doch großteils. Stattdessen dienen die schroffen Berge als ideale Kulisse, um Elias’ Kampf für die Freiheit und gegen gesellschaftliche Zwänge zu zeigen. Der Film drückt allerdings, speziell gegen Ende hin, dann doch etwas zu fest auf den Pathosknopf.

Den kitschigen Bildern setzt Goiginger immer wieder die harte Realität entgegen. „Märzengrund“ zeigt Elias’ Leben als Überlebenskampf – am Ende hat der Tiroler, auf dessen Leben der Stoff beruht, knapp 40 Jahre in den Alpen verbracht. In Summe macht das alles „Märzengrund“ zu einem Heimatfilm mit modernem Anstrich. Das Ergebnis ist so einerseits ein filmisches Porträt über den Aussteiger selbst, andererseits auch über die zurückgelassene Welt.

„Märzengrund“ startet am 19. August in den österreichischen Kinos.

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