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Jenny Ortega und Maddie Ziegler in "The Fallout": Sie liegen jede mit ihrem Kopf auf einem Polster.

Warner Bros.

„The Fallout“: Ein Amoklauf und die Überlebenden

Megan Parks Spielfilmdebüt „The Fallout“ erzählt feinfühlig vom Überleben nach einem Amoklauf an einer US-amerikanischen Schule. Mit Jenna Ortega in der Hauptrolle und in Form eines High-School-Dramas.

Von Maria Motter

Finneas O’Connell, der große Bruder von Billie Eilish, hat seinen ersten Soundtrack gemacht: für den Spielfilm „The Fallout“, Megan Parks Regiedebüt über Jugendliche, die einen Amoklauf an ihrer Schule überlebt haben. Premiere hatte der Film beim SXSW-Festival 2021, wo der Film sowohl die Jury als auch das Publikum überzeugt hat. Beide Hauptpreise gingen an „The Fallout“.

In den USA hat es allein im heurigen Jahr über 300 Massenerschießungen gegeben, das „Gun Violence Archive“ dokumentiert die Fälle. Die NGO „Everytown For Gun Safety“ hält fest, dass es in keinem Schuljahr im letzten Jahrzehnt so viel Waffengewalt gab wie im Schuljahr 2021/22.

“The Fallout” widmet sich der grauenhaften Thematik von Amokläufen in US-amerikanischen Schulen auf sehr sensible Weise. Regisseurin und Drehbuchautorin Megan Park verzichtet auf Schockmomente und die drastische Inszenierung von Gewalt. Die Sequenz des Amoklaufs dauert im Film zwei Minuten und der Schauplatz ist nicht etwa ein Klassenzimmer, sondern eine Mädchentoilette im Schulgebäude.

Jenny Ortega in "The Fallout".

Warner Bros.

Jenna Ortega in „The Fallout“. Das Drama ist via YouTube zu streamen.

Jenna Ortega hat die Hauptrolle und spielt Vada glaubwürdig. Vada versteckt sich dort in einer Kabine, nachdem die ersten Schüsse zu hören waren. Mit der Schulschönheit (Maddie Ziegler), die auf instagram für ihre Tanzvideos gefeiert wird, balanciert sie auf der WC-Brille, um nicht entdeckt zu werden. Ein Stöckelschuh fällt zu Boden und wird schnell aufgehoben. Dann fällt ein Ohrring. Ein Jahrgangskollege rettet sich zu den Mädchen, sein T-Shirt ist voll Blut. Von oben blickt die Kamera in die Kabine, Schnitt, Schwenk über ankommende Polizeiwagen, die High School und die amerikanische Flagge. Danach konzentriert sich die Handlung auf die Zeit unmittelbar nach dem Terror.

Erzählt wird, wie das Erlebte Beziehungsdynamiken verändert und auf welche Strategien die Jugendlichen zurückgreifen, um weiterzumachen oder zu verdrängen versuchen.

“The Fallout” nimmt seine jugendlichen Charaktere ernst und weiß über ihre Lebenswelt Bescheid. So wird etwa die Intimität von Textnachrichten mit Close-ups von Gesicht und Händen betont. Vada und die Tänzerin freunden sich an, aber zuhause hängt Vada in ihren Gedanken fest. Als Ganzes fühle sie sich taub. Die Hauptfiguren sind im gutsituierten Milieu zuhause. Ein Termin bei der Therapeutin ist schon organisiert, die Eltern sorgen sich. Vadas bester Freund Nick, der den Amoklauf in einem Klassenzimmer überlebt hat, beginnt, sich politisch zu organisieren und initiiert Demonstrationen.

Nicks Filmfigur lässt einen sofort an David Hogg denken, der den Amoklauf eines 19-Jährigen an seiner Highschool überlebt hat und sofort für eine strenge Reglementierung des Waffenbesitzes öffentlich auftrat. Hogg organisierte öffentliche Demonstrationen und „Die-Ins“ in Supermärkten, er war am nationalen School-Walkout beteiligt und traf Überlebende des Amoklaufs an der Columbine High School. Regisseur Gus Van Sant wollte sofort einen Film machen, der den Terror an der High School in Colorado am 20. April 1999 behandelt. Er wollte nicht, dass zehn Jahre gewartet würde, wie das gewöhnlich der Fall sei bei grauenhaften Taten. Gus Van Sants Drama „Elephant“ ist bis heute einer der eindringlichsten Filme und in der Genauigkeit der Erzählung allein auf weiter Flur.

„The Fallout“ weist eine andere Intensität auf. Die Ästhetik des Films entspricht jener zeitgenössischer Indie-Filme, und die Erzählhaltung ist im klassischen High-School-Drama verankert. So ist „The Fallout“ nicht schrecklich traurig beim Anschauen, sondern sehr annehmbar und stellenweise verträumt und lieber Teenie-Talk bekommt ausreichend Platz, ebenso Musik. Keinen Raum bekommt der Täter. Von einem 16-Jährigen ist in den Nachrichten zu hören und Vada fragt nach möglichen Gründen. Nicks Antwort: „Gibt es dafür je einen Grund?“

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