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CC0 via Pixabay

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„Schwerer als das Licht“: Tanja Raichs wunderliche Robinsonade

Nicht willkommen im Dschungel: Nach ihrem Debütroman „Jesolo“ lässt Tanja Raich eine Frauenfigur in „Schwerer als Licht“ auf einer Tropeninsel stranden. Das neue Buch ist eine Weltuntergangsfantasie mit bilderreichen Erzählminiaturen.

Von Maria Motter

Paradiesische Zustände haben einst auf dieser tropischen Insel geherrscht, die in Tanja Raichs Roman „Schwerer als das Licht“ den Schauplatz für einen gewaltigen Showdown bietet. Als Leser*in strandet man mit einer namenlosen Ich-Erzählerin dort, läuft die Insel ab und in den Urwald. In Erzählminiaturen setzt sich diese Geschichte zusammen, aber vieles bleibt vage. Es ist eine wunderliche Robinsonade und eine Weltuntergangsgeschichte in erst leuchtenden, bald düsteren Tönen.

Tanja Raich hatte sich schon für ihren ersten Roman „Jesolo“ (2019 erschienen) für eine weibliche Hauptfigur entschieden. In „Jesolo“ erzählt sie von einer ungewollten Schwangerschaft und der Dynamik einer Paarbeziehung. In ihrem zweiten und neuen Buch „Schwerer als das Licht“ ist sogar der Sand schwarz: Tanja Raich stellt eine Einzelkämpferin ans Ende aller Zeiten.

Die österreichische Autorin Tanja Raich.

Kurt Fleisch

Tanja Raich

Zwischen Bedrohungsszenarien und Allmachtsgedanken

Die namenlose Ich-Erzählerin in „Schwerer als das Licht“ baut sich eine Festung mit Fallen voll Schlangen und bezieht auf ihrem Wachturm Stellung, weil sie sich ständig bedroht fühlt.

Die Gedankenwelt der Frau wechselt zwischen Verfolgungswahn und Allmachtsfantasien, und die natürlichen Gegebenheiten der Insel verändern sich. Weicht erst ein junges Äffchen nicht von ihrer Seite und hat sie auf ihren Schultern Palmenhörnchen und Papageien, so wird es still. Das Schnattern der Geckos hatte man als Leserin gemocht, doch vieles geht ein. Eine Pflanze ist der Vorbote des Untergangs, sie verdrängt alle anderen.

An mehreren Stellen gibt es knappe, volksmärchenhafte Verweise auf Geister, die Sterne vom Himmel stehlen oder launenhaft wie Kinder handeln. In ungezählten Fantasien und Träumen kommt die Frau beinahe ums Leben, sie verunfallt mit einer Axt und ertrinkt fast im Meer. Die Zeit sitzt ihr im Nacken, heißt es, und sie findet Pfade hinter ihrer Festung, doch die Spuren verlieren sich.

Buchcover zu "Schwerer als das Licht" von Tanja Raich

Blessing Verlag

„Schwerer als das Licht“ von Tanja Raich ist 2022 im Verlag Blessing erschienen.

Ab und zu ist der Duktus apokalyptisch. Da wird ein „wir“ als blind für den Lauf der Welt erklärt und das Meer ist „feindlich gestimmt“. „Am Ende wird alles schwarz sein und leer, und die Sterne schwarze Klumpen im Meer“, fasst ein schlichter Reim die Untergangsfantasien zusammen.

Palmenhörnchen und Papageien auf den Schultern

Großartig bildhafte Passagen finden sich in den 192 Seiten von „Schwerer als das Licht“ zu Flora und Fauna. Etwa, wenn sich hungrige Waldtiere über gestrandete Wale hermachen. Der Wal hat allerdings einen Schwanz und keine Fluke. Wenige andere Stellen erinnern jedoch an Schlagertexte. Sex hat man im Rhythmus des Meeres und vor Verliebtheit verstehen sich Mann und Frau ohne Worte, sie treten als allegorische Figuren auf und ihre Anziehung führt zu keinem Kind und schlägt in Hass um.

Was das Inselleben betrifft, erzählt Tanja Raich schließlich eine Variation einer allzu bekannten Geschichte: Auch ihr Roman „Schwerer als Licht“ bringt einen Menschen, der sich ausgeliefert, aber zugleich doch auch überlegen fühlt, in Stellung gegenüber anderen, die körperlich kleiner und meist nackt sind, mit bemalten Gesichtern und Augen, die die Hauptfigur „finster und entrückt“ anstarren. Die Ich-Erzählerin geriert sich zunehmend als Kämpferin, mit getöteten Languren in der Speis ihrer Festung und tödlichen Attacken auf Insulaner. Wie ein Rachegeist sucht sie ihre Siedlung heim, und ist doch entsetzt über ein Massaker.

„Schwerer als Licht“ ist eine morbide Angelegenheit und ein Lesestoff für alle, die in großen Museen am längsten vor Paradiesdarstellungen flämischer Meister stehen und Henri Rousseaus Dschungelbilder lieben. Rousseau hatte nie einen Dschungel betreten, seine berühmten, farbenprächtigen Ölbilder sind fürwahr eine fantastische Angelegenheit. Da wirft sich der hungrige Löwe auf die Antilope, es gewittert im Urwald und Äffchen naschen im Orangenhain. Er habe keinen Lehrmeister außer der Natur, hatte der Autodidakt Rousseau (1844-1910) gesagt, Inspiration fand er im botanischen Garten in Paris und auf der Weltausstellung 1889.

Tanja Raich hat „Schwerer als das Licht“ in Sri Lanka, in Indien, in Italien und in Mexiko geschrieben. Zuhören kann man der Autorin, die auch als Lektorin bei Leykam arbeitet, bei Lesungen am 31. August in Hartberg, am 11. September in Bozen und am 22. September im Literaturhaus Wien.

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