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Ein Junge schwimmt unter Wasser

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Viel Nass um Nichts: „Avatar - The Way Of Water“

2009 revolutionierte James Cameron die Blockbuster-Welt mit einer neuen 3D-Technologie und utopischen Ideen. Hat sich das ewige Warten auf ein „Avatar“-Sequel gelohnt? Ein enttäuschter Fanboy berichtet.

Von Christian Fuchs

FM4 Film Podcast #158: Das Avatar-Phänomen

Seit 13 Jahren wartet die Welt auf ein Sequel des erfolgreichsten Films aller Zeiten. Oder gieren wirklich alle nach einer „Avatar“ Fortsetzung? Für die einen eine Schlumpfenversion von Science Fiction, mit einem uralten Pocahontas-Mythos im Mittelpunkt, lieben andere den Film innig. Zu der letzteren Kategorie zählen Christian Fuchs und SLASH-Festival Direktor Markus Keuschnigg. Anlässlich von „Avatar: The Way Of Water“ unterhalten sich beide über Weltraum-Romantik, virtuelle Realitäten und die Liebe zu James Cameron.

Der FM4 Filmpodcast, immer Montag um Mitternacht auf FM4 - und ab 22 Uhr bereits überall, wo es Podcasts gibt.

Stell dir vor, du triffst nach 13 Jahren jemanden wieder, in den du damals ganz heftig verknallt warst. Die Aufregung ist zunächst groß. Aber im Laufe eines dreieinhalbstündigen Treffens machen sich Ermüdung und Ernüchterung breit, und danach willst du die Enttäuschung einfach nicht wahrhaben.

Ein bisschen ähnlich erging es dem Schreiber dieser Zeilen nach der Pressevorführung von „Avatar: The Way Of Water“. Beim eher ratlosen Verlassen des Kinos versuchte ich mich in den Zustand zu versetzen, als ich das erste Mal vom Originalfilm verschluckt wurde. Es waren nicht nur die atemberaubenden 3D-Effekte, mit denen Regisseur und Schöpfer James Cameron das Blockbuster-Kino revolutionierte.

Avatar“ erzählt unter seiner grellen Oberfläche aus Hi-Tech-Fetischismus, Naturgläubigkeit, Sci-Fi-Visionen und Wild-West-Romantik von berührenden Dingen. Wenn gegen Ende des Films der verwundete Soldat Jake (Sam Worthington) in den Armen der riesigen, immens starken und gleichzeitig hochsensiblen außerirdischen Na’vi-Kriegerin Neytiri (Zoe Saldana) liegt, dann beschwört der Film vieles gleichzeitig.

Zwei Personen umarmen sich

Centfox/Disney

Aufgehen in künstlichen Ersatzwelten

James Cameron zeigt in „Avatar“, dass uns das Andere und Fremde letztlich retten wird, er deutet den Sieg des Weiblichen über eine falsch verstandene, zerstörerische Männlichkeit an, er lässt ganz altmodisch die Liebe über Ideologie, Ökonomie und Militarismus triumphieren. Um es poetisch mit einem Tocotronic-Zitat aus dieser Ära zu beschreiben: „Im Zweifel für die Zwitterwesen aus weit entfernten Sphären, im Zweifel fürs Erzittern beim Anblick der Chimären“.

Darüber hinaus fasst der Regisseur aber in dieser Schlüsselszene und im darauffolgenden Finale auch zusammen, wovon sein ganzes Epos eben auch zentral handelt: von der Vereinigung des Authentischen mit dem Artifiziellen, vom kompletten Aufgehen in künstlichen Ersatzwelten. Von unserer Zukunft schließlich, von der „Avatar“ nicht nur handelt, sondern die wir Zuschauer mit unseren billigen 3D-Brillen anno 2009 zum ersten Mal glaubwürdig erahnen durften.

Wenn sich Berufszyniker und skeptische Freund*innen in den Folgejahren kritisch zum erfolgreichsten Film aller Zeiten äußerten, über eine Schlumpfenversion von Science-Fiction schimpften oder den uralten Pocahontas-Mythos als Inspiration belächelten, prallte das an meiner innerlich blauen Na’vi-Haut ab. Mehr als eine Dekade später sieht die Sache leider anders aus.

Zwei Personen schauen sich ernst an

Centfox/Disney

Eine Familienidylle wird bedroht

„Avatar – The Way Of Water“ beginnt mit einer ausgedehnten Happiness-Montage, wie man sie aus RomComs kennt, einschließlich einem Fotoschnappschuss, der das Glück personifiziert. Auf dem fernen Planeten Pandora herrscht endlich Frieden. Seit die Menschen mit ihrer Gier nach Rohstoffen vertrieben wurden, leben die verschiedenen Na’vi-Völker im Einklang mit der farbenprächtigen Umwelt.

Jake Scully, einst ein querschnittgelähmter US-Soldat, ist mit seinem großen blauen Avatarkörper verschmolzen und zum (recht strengen) Clanführer geworden. Zusammen mit seiner geliebten Neytiri hat er eine Familie gegründet, zu den fünf Kindern zählt auch ein adoptierter Menschenjunge.

Aber die Idylle währt in einem Film von James Cameron nicht lang. Der Regisseur, der tödliche Terminatoren auf die Erde losgelassen und die Titanic versenkt hat, gönnt seinen sympathischen Alienfiguren kein Glück. Die Sky People kehren zurück und diesmal geht es ums Ganze. Denn die Erde stirbt und Pandora soll zur neuen Heimat für die Menschheit werden, ob es den indigenen Ureinwohnern passt oder nicht.

Ein Kind lernt Bogenschießen

Centfox/Disney

Ensembledrama im und unter Wasser

Der Konflikt im Mittelpunkt dieses Films ist also derselbe wie vor 13 Jahren, als „Avatar“ in die Kinos kam: Gewissenloser, weißer Kapitalismus gegen ein außerirdisches Volk, das für unverdorbene Naturverbundenheit steht. Der Unterschied zum Original: „The Way of Water“ ist ein Ensembledrama, mit verwirrend vielen Charakteren. Und dann ist da der Schauplatz, um den sich letztlich alles dreht: Mehr als die Hälfte der überlangen Laufzeit spielt im und unter Wasser.

Dass auch die Superheldenkonzerne DC mit Aquaman und Marvel jüngst mit Prinz Namor auf ozeanische Helden setzen, kümmert James Cameron wenig. Von allen Blockbuster-Regisseuren hat er am meisten Erfahrung mit dem nassen Element, von seinem trashigen Debüt „Piranha II“ über Filme wie „The Abyss“ oder eben „Titanic“ hin zu seinen eigenen Erfahrungen als Tiefseetaucher.

Tatsächlich gelingen dem Regisseur und seinem Team spektakuläre Sequenzen, wenn Jake und Familie bei einem Na’vi-Stamm an der Meeresküste Unterschlupf finden. Aber die Euphorie über all das digitale Wellenreiten hält nicht lang. Leider hat sich Cameron entschlossen, weite Teile des Films in einer higher frame rate zu drehen, mit 48 statt 24 gewöhnten Bildern pro Sekunde, was den sauteuren Unterwasser-Szenen den Look einer Fernsehdoku verleiht.

Unter Wasser: Eine Person und ein Fisch berühren sich

Centfox/Disney

Der Reiz des Neuen fehlt

Großartig dagegen die expressive Mimik, die eindrucksvollen Na’vi-Gesichter, wieviel vom tollen Schauspiel von Zoe Saldana oder auch Kate Winslet zu sehen ist. Die meisten der menschlichen Darsteller verlieren dagegen, vor allem der junge Jack Champion als Weißbrot-Tarzan mit Dreadlocks wirkt höchstens wie ein Testimonial für cultural appropriation.

Spannend auch viele Action-Momente, die Ahnung, dass hier inmitten aller Digitalität auch echte Stuntleute kämpfen, stellt sich dank perfekter performance capture immer wieder ein. Trotzdem: Das einzigartige Gefühl körperlicher Überwältigung anderer Cameron-Werke (es wird wieder Zeit für „Terminator 2“) erreicht der Film nicht.

Eine mit Speeren bewaffnete Gruppe

Centfox/Disney

Abseits davon: Wer sich einst auf den Original-„Avatar“ eingelassen hat, trotz offensiver Esoterik und Exotismus, wurde mit echter, reiner Kinomagie belohnt. Dem Sequel fehlt der Reiz des Neuen und Revolutionären, der schöne Kitsch wird ins Fragwürdige überdehnt, die progressive Geschlechterpolitik wandelt sich ins Altmodische zurück. Gemischte Gefühle also für diesen Fanboy hier. Nicht zu vergessen: Dreieinhalb Stunden sind schon verdammt lang.

FM4 Film Podcast #158: Das Avatar-Phänomen

Seit 13 Jahren wartet die Welt auf ein Sequel des erfolgreichsten Films aller Zeiten. Oder gieren wirklich alle nach einer „Avatar“ Fortsetzung? Für die einen eine Schlumpfenversion von Science Fiction, mit einem uralten Pocahontas-Mythos im Mittelpunkt, lieben andere den Film innig. Zu der letzteren Kategorie zählen Christian Fuchs und SLASH-Festival Direktor Markus Keuschnigg. Anlässlich von „Avatar: The Way Of Water“ unterhalten sich beide über Weltraum-Romantik, virtuelle Realitäten und die Liebe zu James Cameron.

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