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Sicherheit im Nachtleben: „Es kann alles passieren“

K.o.-Tropfen, sexuelle Übergriffe, Rassismus, Safe Spaces: Wie sicher ist das Nachtleben? Was machen Clubs, um für Sicherheit zu sorgen? Wir waren am Wochenende unterwegs und haben nachgefragt.

Von Gersin Livia Paya

Es ist ein Thema, das alle etwas angeht. Ob man zu einem kleinen Gig geht, den Abend im Theater verbringt oder die halbe Nacht im Club: Das Nachtleben soll möglichst sicher ablaufen, tut es aber nicht. Zumindest nach dem, was man hört, wenn man sich an einem Wochenende um Mitternacht umhört.

Ich bin am Wiener Gürtel, eine bekannte Adresse, um abends noch in Clubs oder Bars abzutauchen. Vor den Lokalen sind Menschentrauben, es wird geraucht, gelacht, aber auch gedroht, gestritten und Schlimmeres. Sicherheit ist in den letzten Jahren in der Clubkultur zu einem wichtigen Thema geworden.

„Es kann einfach alles passieren“, sagt mir eine 16-jährige Frau, die neben ihrer Freundin vor dem Weberknecht steht. Es ist kurz nach Mitternacht, wir sind die einzigen Frauen, die vor dem Lokal stehen. Um uns herum viele junge Männer und ein Türsteher und die rasenden Autos auf der Straße.

Eine der beiden Frauen erzählt weiter: „Ich hab das Gefühl, ich bin paranoid, ich habe immer Angst, dass mir Männer folgen. Ich weiß nicht, ob es an Wien liegt oder daran, dass ich eine Frau bin.“ „Und du?“, frage ich die andere 16-Jährige. „Ja, same! Ich habe immer Panik. Mir ist zwar noch nichts Schlimmes passiert, aber ich habe ständig Angst.“ Bevor sie überhaupt ausreden kann, fängt ihre Freundin an, mir viele Beispiele von sexuellen Belästigungen und Catcalling aufzuzählen, die sie tagsüber genauso wie nachts erfährt.

Unter Catcalling werden sexuell konnotierte Verhaltensweisen und verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt zusammengefasst.

Ob sie wüssten, was zu tun ist, wenn sie Hilfe brauchen, frage ich sie. „Ich geh einfach immer weiter oder schnell weg, weil ich Angst habe, dass ich verfolgt werde oder so“, erzählt die junge Frau. „Es klingt so schlimm, aber hoffentlich bist du in einer Gruppe von Menschen, die dich beschützen können, denn Türsteher machen wirklich nichts, sie sagen meistens nur sowas wie: ‚Zieh dir halt mehr an.‘“

Auf der anderen Straßenseite erzählt mir ein 17-jähriger Mann von einem Türsteher, der einmal geholfen hat: „Letztens im Chelsea hatten wir eine Begegnung. Der Türsteher hat gesagt ‚Zeig auf die Person, die das gemacht hat‘, und hat dann sofort reagiert und geholfen. Das ist aber selten, es gibt wirklich zwei Arten von Türsteher:innen. Manchmal ist es einfach so, dass Türsteher:innen sich nicht einbringen und das führt dann zu wirklichen Problemen.“

Nachts bei den Gürtellokalen

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Wer kann also noch helfen? Zu den Mitarbeiter:innen in Clubs zählen auch die Barkeeper:innen. Marvin, zum Beispiel, steht hinter der Bar im Wiener Gürtellokal Chelsea. „Wir haben Security-Personal, das gut deeskalierend arbeitet. Wir haben keine Zwischenfälle in der Regel. Wir haben am Wochenende drei Securities, drinnen und draußen, und Funkgeräte, mit denen wir uns jederzeit erreichen.“

Ist Luisa hier?

Den Code „Ist Luisa hier?“ kennt Marvin auch, aber er hat noch nie erlebt, dass ihn jemand anwendet. Wer das Servicepersonal in der Gastro nach „Luisa“ fragt, dem wird sofort geholfen, wenn es ernst wird oder jemand Angst hat.

Zurück nach draußen, wo die Partyleute am Gürtel den Luisa-Code zwar aus dem Internet oder von Erzählungen kennen, dem aber nicht ganz trauen und ihn auch nie ausprobiert haben. Noch sind sie zu desillusioniert und rufen ihre Mutter an, wenn es Schwierigkeiten gibt. Auf der anderen Straßenseite erzählt man mir, dass es wichtig ist, mit älteren, männlich gelesenen Freunden auszugehen.

Und was sagen, die älteren, männlichen Freunde zur Sicherheit im Club? „Viel zu oft gibt es Typen, die einfach drauf aus sind, sich mit irgendwem anzulegen. Aber ich mache mir als Mann nur Sorge um meine Freundinnen. Das ist auch für mich nicht all zu schön.“

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Abgesehen von Sexismus und K.o.-Tropfen beobachteten alle auch schon Rassismus, Homophobie und Diskriminierung. „Rassismus hab ich schon oft mitbekommen. Dass Leute aufgrund ihres Aussehens nicht reinkommen. Das geht gar nicht!“, so eine 20-Jährige.

Eine 17-Jährige steht daneben und raucht eine Zigarette. Sie erzählt von ihren Freundinnen, die Homophobie ohne Hilfeleistung erleben mussten: „Zwei Frauen, die zusammen sind, haben sich auf der Tanzfläche geküsst. Ein Typ sagte: ‚Ihr kommt in die Hölle.‘ Eine von den beiden ging zum Türsteher, ihm war das egal. Der Typ kam dann wieder und hat sie belästigt, eine hat ihm dann eine Watsche gegeben. Der Türsteher hat sie dann einfach rausgeschmissen.“

Melde dich, wenn du daheim bist!

Und wenn die Partynacht zu Ende geht, fühlst du dich sicher auf dem Weg nach Hause? „Melde dich, wenn du daheim bist“, ist ein Satz, der für sehr viele Menschen zum Standardrepertoire gehört, wenn sie sich nachts voneinander verabschieden.

„Ich denke, Fortgehen ist sehr schwierig in Wien, obwohl wir meinen, in einer Bubble zu leben. Aber das ist leider nicht der Fall, daher sage ich nur: ‚Mädels, aufpassen!‘“, sagt eine Frau, die gerade auf dem Heimweg ist. Andere erzählen mir von der nächsten Gefahr im Taxi: „Naja, früher gab es noch kein Taxameter. Da haben die Taxifahrer gesagt: ‚Hey, steig ein, du musst nichts zahlen.‘ Ich kenne Freundinnen, die sexuell belästigt und auch vergewaltigt oder geschlagen wurden. Heute ist das weniger, dank dem Taxameter, aber trotzdem muss man sehr aufpassen.“

Die Vienna Club Commission (VCC) macht noch bis Mittwoch, 12. April 2023, eine Onlineumfrage zum Sicherheitsgefühl im Wiener Nachtleben. Hier könnt ihr an der Umfrage teilnehmen.

FM4 Auf Laut: #safefeiern

K.o.-Tropfen, sexuelle Übergriffe, Rassismus und Safe Spaces: Sicherheit ist in den letzten Jahren in der Clubkultur zu einem wichtigen Thema geworden. Wie sicher ist das Nachtleben? Was machen Clubs, um mehr Sicherheit zu schaffen? Und wie lassen sich Sicherheitsmaßnahmen und eine ausgelassene Feierkultur vereinbaren?

FM4 Auf Laut diskutiert am 11. April 2023 ab 21 Uhr mit Vertreter:innen der österreichischen Clubszene. 0800 226 996 ist die Nummer ins Studio, ruf uns an und erzähl uns von deinen Erfahrungen.

FM4 Auf Laut gibt es auch als Podcast.

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