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Metallica

Tim Saccenti

Metallica - 72 Seasons

Das Metal-Quartett mag im Durchschnitt bereits um die 60 Jahre alt sein, nach Seniorenclub oder verkrampft auf jung getrimmt hören sie sich definitiv nicht an. Zeitlich einschränken wollen sie sich schon gar nicht und das ist auch gut so.

Von Christian Holzmann

Das Jahr ist noch relativ jung im Gegensatz zu den Protagonisten von Metallica, der unbestreitbar größten Metalband der Welt. Kirk Hammet hat den 60er-Zenith bereits überschritten, James Hetfield und Lars Ulrich feiern ihre runden Geburtstage in Lauf dieses Jahres und auch Rob Trujillo wird nächstes Jahr nachziehen. Eigentlich könnten sie es also ruhiger angehen, von Altersmilde aber keine Spur und vom Soundtrack zu einer Schachpartie im Park ist das aktuelle Epos „72 Seasons“ selbstverständlich Lichtjahre entfernt.

Gleich vorweg wage ich es sogar mich weit aus dem Fenster zu lehnen und zu behaupten, dass hier bereits eines der wohl besten Alben des Jahres vorliegt. Wer nun also auf Schimpf und Schande hofft (Metallica-Bashing ist ja sehr modern), wird ab hier nun vergeblich weiter lesen. Macht nichts, Sie haben eh schon draufgeklickt und Klicks sind schließlich sehr wichtig im Internet. Ironie off...

Klingt nach Konzeptalbum, ist aber keines

Laut James Hetfield bezieht sich der Albumtitel „72 Seasons“ auf die ersten 18 Lebensjahre des Lebens, in denen unser wahres oder falsches Selbstbild geprägt wird. Auch wenn das erst mal nach Konzeptalbum à la Pink Floyd’s „The Wall“ klingen mag, so ist dem nicht so. Auch ist es kein verklärter Blick zurück nach dem Motto „Früher war eh alles besser“, sondern eine Art Rückblick auf über 40 Jahre Metallica mit allen Höhen und Tiefen und wie sich diese ersten 18 Lebensjahre klarerweise auf dieses lange Schaffen ausgewirkt haben.

Teils schrammt man da knapp am Selbstzitat vorbei, aber eben doch. So schaffen es Metallica tatsächlich bei einem Song wie „You Must Burn!“ an Glanzzeiten wie „Sad But True“ zu erinnern, ohne dass es wie eine schale Kopie oder Aufguss davon klingt. Solche „Das ist doch... nein doch nicht“ Momente gibt es einige auf „72 Seasons“. Man muss nur geduldig zuhören wollen, bevor Metallica mitten in ihren teils ausufernden Songs in unerwartete Richtungen abbiegen, die schlicht Spaß machen.

Cover von "72 Seasons" von Metallica

Blackend Recordings

Dauert es dir zu lange, hörst du nicht zu

Das Internet weiß ja sehr viel oder gaukelt es uns zumindest ganz gerne vor. Vorab war bereits viel über „72 Seasons“ zu lesen, was über die vier vorab veröffentlichten Singles hinaus ging. Wo all die Damen und Herren das Album bereits her hatten, darf freilich ebenso hinterfragt werden wie die oft darin geäußerte Kritik, die Songs, ja überhaupt das ganze Album, wären viel zu lange. Es mag ja sein, dass gerade mal 2 von 12 Songs die 5-Minuten Marke unterschreiten. Na und? Einfach mal knapp über 77 Minuten zuhören zahlt sich aus, bevor man ungeduldig zum nächsten Song weiter klickt und das Album auf 10 bis 15 Minuten reduziert. Klar könnten Metallica sich kürzer fassen, wollen sie aber nicht. Wer das Album für zu lange hält, ist zu faul um zuzuhören.

In Zeiten schnelllebiger Kurzvideos auf TikTok & Co. darf man „72 Seasons“ ob seine Länge als kurzweiliges Statement sehen. Auf jeden Fall muss man der Band mit „72 Seasons“ attestieren, dass sie ganz einfach wieder richtig Bock haben. Das ist bereits nach den ersten 10 Sekunden mit Rob Trujillo’s superschnellem Bassintro klar und diese Lust und Spielfreude zieht sich durch jede Sekunde dieses Albums, das der Schreiber dieser Zeilen übrigens inzwischen nach 5 Durchläufen immer noch hört. Ich danke hiermit meiner toleranten Nachbarschaft.

Metallica

Tim Saccenti

Kein bisschen leise

Salopp gesagt hat das alles neben Hand und Fuß ganz einfach Wumms und geht nach Vorne. Dass das Album den Klassiker-Status eines „Master Of Puppets“ oder gar eines „Black Album“ erreichen kann ist zwar eher auszuschließen, so realistisch muss man schon sein. Aber wer weiß, was man nach vielen in der Zukunft liegenden „Seasons“ sagen wird. Ein herausragendes Metal-Album ist es allemal und ob die größte Metalband der Welt auch gleichzeitig die beste ist, mag ein Jeder und eine Jede für sich beurteilen. Kunst ist schließlich kein Wettbewerb. Was man frei nach Curd Jürgens sicher sagen kann: „Im Schnitt so 60 Jahre und kein bisschen leise! Hell yeah!“

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