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Haarmodel mit Drahtgestell für Dutt auf ihrem Kopf. Szene aus "Medusa Deluxe".

EMU Films Production

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Haarpracht und Niedertracht

Die Vorliebe seiner Nichten für minutenlange Frisuren- und Make-up-YouTube-Tutorials hat Regisseur Thomas Hardiman zu „Medusa Deluxe“ inspiriert: Das exaltiert inszenierte Whodunit spielt unter Frisör*innen. Das Debüt ist in (fast) einer Einstellung gedreht.

Von Maria Motter

„What the fuck is going on?“, fragt die Frisörin Cleave (Clare Perkins) in der Maske und quatscht ohne Unterbrechung, während ihr Haarmodell stillhält und die Steadicam ihre Aufregung spiegelt. Die Polizei, die den ganzen Film hindurch nie im Bild zu sehen sein wird, hat angeordnet, das Gebäude nicht zu verlassen. „Medusa Deluxe“ wahrt Zeit und Raum, und ganz in Aristoteles’ Sinn eines Dramas wird sich auch die Handlung als geschlossen erweisen. Was als Krimi beginnt, wird bald und besonders in der zweiten Filmhälfte tragikomisch dank lustiger Dialoge.

Im Kern ist das allerdings eine makabre Geschichte im Party-Outfit, gehüllt in Jacquard-Kimonos, metallisch-glänzende Jacken und Kleider mit Raubtiermuster: Während einer Meisterschaft von Frisör*innen wird ein Kollege tot aufgefunden. Wer skalpiert denn einen Frisör, fragen sich die Haarmodelle. Die Konkurrenz beginnt, Gerüchte, Verdächtigungen und Behauptungen aufzutürmen wie Cleave die Haare von Modell Angie auf einem Drahtgestell auf deren Kopf. Eine Fontange sei das, erklärt Cleave. Und sie erzählt unvermittelt von Conditioner und Blut, die sich auf der Stirn des Mannes vermengten, als der noch am Leben war und Cleave etwas mit ihm zu klären hatte.

Frisörin und Haarmodel in der Maske, Szene aus "Medusa Deluxe".

EMU Films Production

Turmbau zu London: „Medusa Deluxe“ feiert die Salonkultur. Die Frisuren und all der Kopfschmuck im Film stammen von Eugene Soleiman.

Immer eine Steadicam-Erkundung voraus

Zu klären haben hier alle irgendetwas. „Medusa Deluxe“ beginnt mit einem derben, sechsminütigen Dialog, als wäre das hier nicht ein Hairstyling-Bewerb, sondern einer im Storytelling. Tote Menschen würden sie regelrecht verfolgen, so Cleave, dabei wolle sie nur Haare schneiden. Die schreckliche Geschichte von einem Lehrling und Peroxid verfolgt das Publikum.

Dass jemand im Lauf des Films in Flammen stehen könnte, ahnt man, und die Szene gerät grotesk theatralisch. Aufmerksame Zuschauer*innen sind in diesem Film dem Ensemble immer mehrere Steadicam-Gänge in diesem Industriebau voraus - selbst wenn die vielen, hier konkurrierenden Plaudertaschen mit ihren Geschichten ein Beziehungsgeflecht eröffnen, das erst schwer zu durchschauen scheint. Auch das Gebäude ist ein wahres Labyrinth. Der Tote war übrigens Morca, ein Mann aus Istanbul. Morcas Lover, der Ehemann und sein Baby kommen auch noch ins Spiel. Ein Sicherheitsmann fragt nach Babytüchern, ein anderer, wo denn ein gewisser Patricio bleibe, und ein Modell warnt vor der Friseurin Kendra.

Schwarze im Gegenlicht einer Neonröhre. Szene aus "Medusa Deluxe".

EMU Films Production

Glänzende Kameraarbeit, dünne Storyline

Das Ensemble ist selbstverständlich divers. Man kommt aus South London, exotisch sind nur die Frisuren für den Bewerb, erklärt ein Modell belustigt. Unter Leuchtstoffröhren an niedrigen Decken und in Lastenliften tut sich in „Medusa Deluxe“ durch den Gegensatz zwischen Schein und Sein schließlich genug Spannung auf, um dranzubleiben. Jeder Charakter bekommt seinen Auftritt. Am Ende wird getanzt und die Credits laufen in kaktusstachelig-grüner Schrift.

Die Kameraarbeit des Iren Robbie Ryan ist das Glanz-Treatment für diese dünne Storyline, die sich erst spät einkringelt. Schnitte sind gekonnt kaschiert. Regisseur Thomas Hardiman wollte für sein Debüt „Medusa Deluxe“ die klassische Murder-Mystery um ihren Detektiv bringen und in der Art und Weise, wie er sein Whodunit präsentiert, den Medienkonsum der Gegenwart reflektieren. A24 gefällt das auch, die Oscars sammelnde Filmproduktion mit eigenem Merchandise hat sich die Nordamerika-Rechte gesichert. In unseren Breiten ist der Streaming-Dienst Mubi zuständig und in Wien läuft „Medusa Deluxe“ ab Freitag im Stadtkino.

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