FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Oppenheimer

Universal

Für Filme wie „Oppenheimer“ wurde das Kino erfunden

Christopher Nolan ist zurück. Mit einem Blockbustermeisterwerk voller geschliffener Dialoge und beklemmender Schauwerte. Aber Warnung: Dieses Epos über den Miterfinder der Atombombe brennt sich möglicherweise in die Netzhaut ein.

Von Christian Fuchs

Durchgeschüttelt und ein wenig zittrig fühle ich mich beim Verlassen der Pressevorführung. Das hat nicht nur mit dem Film zu tun, den ich gerade gesehen habe. Sondern leider auch mit einer privaten Familientragödie. Aber „Oppenheimer“ gelingt, was nur ganz große Meisterwerke schaffen: Er holt mich drei Stunden aus meiner tristen Realität und transportiert mich in eine andere Welt, in eine andere Zeit. Auch dort regiert allerdings die Tragik.

Christopher Nolan zeigt die potenzielle Apokalypse, bekanntlich ein Lieblingsthema Hollywoods, als faktengetreue Geschichtslektion. Wir folgen einer Gruppe von Männern, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit mathematischen Berechnungen ein Tor zur Hölle öffnen. Die Erfindung der Atombombe und ihr sofortiger Einsatz als Tatsachenthriller, inklusive komplexer politischer Verstrickungen.

Oppenheimer

Universal

Das Opus Magnum des Christopher Nolan

„Oppenheimer“ ist aber so viel mehr. Ein ungewöhnliches Biopic, ein leidenschaftliches Melodram, ein Wissenschaftsepos, eine Art existentieller Horrorfilm – und vor allem auch: ein Blockbuster. Ein gigantisches Werk für die Multiplexe, aber ohne Action oder gar Superhelden.

Fast im Alleingang hat Christopher Nolan bisher das Blockbusterkino revolutioniert, mit Filmen wie „The Dark Knight“, „Interstellar“ oder „Dunkirk“, ein Regisseur, der mitten im Spektakel nicht auf Intelligenz oder Ambition verzichten möchte. Ein Zelluloidsüchtiger, der seine gigantischen Produktionen noch immer auf Filmmaterial dreht und auf sichtbare Digitaleffekte militant verzichtet. „Oppenheimer“ ist nun so etwas wie Nolans Opus Magnum.

Oppenheimer

Universal

fm4filmpodcast

Radio FM4

In der aktuellen Folge des FM4 Film Podcast widmen sich Christian Fuchs und Jan Hestmann, verstärkt durch Natalie Brunner, dem heiligen Ernst von Christopher Nolans „Oppenheimer“-Epos und der grellen Meta-Welt von „Barbie“. Sie tauchen tief in die Welt beider Werke ein. Und sprechen auch über Publikumsschlangen in Pink, feministisches Marketing, den ersten Wissenschafts-Blockbuster, die Frauenfiguren bei Nolan.

Ein über 100 Millionen Dollar schweres Epos, in dem statt CGI-Hokuspokus geschliffene Dialoge im alten Hollywoodstil regieren, während die Kamera im IMAX-Format einfach nur Gesichter erforscht. Die Geschichte von Robert J. Oppenheimer, dem Miterfinder der Atombombe, erzählt als rasant geschnittener Szenenreigen, mit Bildern von Ausnahmekameramann Hoyte Van Hoytema, die sich in die Netzhaut einbrennen, jedoch auch als Festspiel für fantastische Schauspieler:innen.

Der irre gute Cilian Murphy („Peaky Blinders“) fesselt in der Titelrolle als undurchschaubare Figur, Ambivalenz zeichnet auch die Charaktere von Emily Blunt, Matt Damon oder Florence Pugh aus, alle voller Schattierungen und Brechungen, bis in die kleinste Nebenrolle. Nur Robert Downey Jr., an sich ein Spitzentyp, übertreibt manchmal einen Hauch zu sehr in seiner Rolle als getriebener US-Politiker.

Wahrhaftige cinematische Erfahrung

Überhaupt ist „Oppenheimer“ ein Film der Grauzonen, in dem sich Gut, Böse und Jenseits von Gut und Böse vermischen. Und natürlich gleichzeitig ein Film der beklemmenden Schauwerte. Christopher Nolan benutzt die ganze Überwältigungsmaschinerie des Kinos, um uns drei Stunden lang in den Sessel zu drücken. Atemberaubende analoge Effekte, elegante Montagen, schnelle Schnitte, die trotzdem nie hektisch wirken. Dazu eine Tonspur voller verstörender Geräusche und Momente der Stille.

Oppenheimer

Universal

Die Angst vor der Atombombe wird real, der Schrecken greifbar, die Sogwirkung des Films enorm. Wer, wie der Schreiber dieser Zeilen, mit der Nuklearkriegspanik der 80er Jahre aufgewachsen ist, wer damals wiederkehrende Albträume von aufquellenden Bombenpilzen hatte, sollte diesen Text vielleicht auch als sanfte Triggerwarnung verstehen.

Oppenheimer

Universal

Grundsätzlich gilt aber: Hier ist der Pflichtfilm des Jahres. „Eine wahrhaftige cinematische Erfahrung“, schwärmt Cilian Murphy himself. „Der beste und wichtigste Film dieses Jahrhunderts“, meint gar Christopher Nolans Regiekollege Paul Schrader. Durchgebeutelt und durchgeschüttelt fällt mir danach nur ein Satz ein: Für Filme wie „Oppenheimer“ wurde das Kino erfunden.

mehr Film:

Aktuell: