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Samantha Isted

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Das Szene Openair 2023 ist gestartet

„Willkommen im Dschungel“, so das Motto des Szene Openair Festivals, das es sich von einem ihrer Headliner ausgeborgt hat. Das Beste im Westen: Am ersten Tag waren das Cro, Ski Aggu, SSIO und viele mehr.

Von Alica Ouschan und Melissa Erhardt

Es ist das Ereignis des Jahres für viele Vorarlberger:innen. Das allererste Festival, wo die Eltern einen alleine hinlassen, der Ort, wo man Livemusik zu erleben als Freizeitaktivität für sich entdeckt und man Menschen trifft, die ein Leben lang bleiben. Oder wo man Menschen wiedertrifft, mit denen man sonst nichts mehr gemein hat.

Beschreibungen wie „das kleine Frequency des Westens“ werden dem Szene Openair schon längst nicht mehr gerecht. Der Vergleich hat ohnehin schon gehinkt, als er geboren wurde. Denn das Szene Openair, das weiß jeder Mensch, der schon einmal hier war, ist so viel mehr als ein kleines Festival für junge Leute aus Westösterreich und der Bodenseeregion.

Von Anreise bis Timetable

Alles, was ihr übers Szene Openair wissen müsst, findet ihr hier.

Die Club- und Kulturszene hat in den letzten Jahren überall in Österreich harte Rückschläge erlitten. In manchen Teilen des Landes gelingt die Erholung ganz gut. Auch in Vorarlberg haben in den letzten Jahren viele Clubs und Venues zugemacht, erzählt uns ein Lustenauer Taxifahrer. Umso schöner ist es zu wissen, dass man sich aufs Szene Openair immer verlassen kann. Dass es stattfindet, ist genauso sicher wie der Umstand, dass es zur Festivalzeit immer regnet. Dieses Jahr soll es sogar durchregnen. Und trotzdem ist es restlos ausverkauft, bis aufs letzte Tagesticket.

Frisch geschnittene Vokis und schnelle Brillen

Frisch geschnittene Vokis und schnelle Brillen, bunte Regenponchos, rosa Barbie-Buckethats und andere lustige Kopfbedeckungen, soweit das Auge reicht: Modisch ist das Publikum für alles gewappnet. Die Schlange der Festivalbesucher:innen zieht sich bereits zwei Stunden vor der Öffnung des Campinggeländes bis ganz nach hinten zur Straße, die zur Schweizer Grenze über den Alten Rhein führt.

Die malerische Kulisse, mit hohen Bergen und grünen Feldern, wirkt daneben wie gephotoshoppt. In der Ferne grasen ein paar Ponys, ein Habicht fliegt vorbei, vielleicht auf der Suche nach einer halbvollen Bierdose, um Teil der Party zu werden, die gerade erst beginnt.

Szene Einlass/Besucher:innen

radio FM4

Zu den Klängen der FM4 Boombox werden Pavillons und Bierpaletten geschleppt, wer das Gaffer Tape zuhause vergessen hat, darf es sich vom Nebenzelt ausborgen. Hier wird geschwisterlich geteilt, Freude und Leid, Matsch und Sonnencreme, Gaffer und Bier. Der Geruch von Stroh und Vorfreude hält Einzug, der Wind sorgt dafür, dass die Regenwolken sich fürs Erste verkrümeln und wispert einem schon jetzt das Versprechen eines unvergesslichen Wochenendes ins Ohr.

Das Line-up mit den heimischen und internationalen Top-Headlinern Cro, Bilderbuch und Camo&Krooked, das TikTok-Phänomen Ski Aggu und die Headlinerin der Herzen, Nina Chuba, sind nur die Schaumkrone des kühlen Biers. Ein Line-up mit über 40 Prozent Ösi-Anteil bietet heimischen Newcomer:innen eine Bühne.

Lokale Acts dürfen hier das wohl größte Heimspiel ihrer bisherigen Karriere bestreiten, und Acts aus dem Osten Österreichs können sich einem jungen Publikum mit gutem Musikgeschmack präsentieren. Verifiziert, Jeremy Pascal, Miss Weirdy - das sind nur drei der Geheimtipps, die nach diesem Wochenende mit einigen Fans mehr nachhause fahren werden.

A bitzle Turn-up, a bitzle Moshpit am Donnerstag

Miss Weirdy wird die Ehre zuteil, das Szene Openair zu eröffnen. Bei der Bludenzerin mit jamaikanischen Roots steht alles im Zeichen von „Love Peace and Unity“. „Es ist Musik für die Seele, ich will die Leute ein bissl aufwecken und zum Denken anregen“, erzählt uns die Musikerin mit schönstem Vorarlberger Akzent nach ihrer Show.

Miss Weirdy

Samantha Isted

Miss Weirdy

Seit 2019 lebt Miss Weirdy in Spanien, auf der Bühne in Lustenau gibt sie ihren souligen, von Reggae durchzogenen Hip-Hop mit laid-back attitude zum Besten. „I can be Gangster, I can be Soul“, heißt es da, und die überschaubare Menschentraube vor der Bühne vibet, wenn auch eher noch schüchtern, mit.

Eher schüchtern bleibt die Crowd auch bei der zweiten „Gsiberger“ Rapperin, die an diesem Donnerstag auftritt: Nika. Sie ist 2022 vom ORF Vorarlberg als Newcomerin des Jahres ausgezeichnet worden und lebt mittlerweile in Berlin. Am Szene Openair spielt sie, zusammen mit Rap- und Lebenspartner D.A.R.I.O. ihre erste Festivalshow überhaupt.

D.A.R.I.O. und Nika

Samantha Isted

D.A.R.I.O. und Nika

„Das erste Mal beim Szene Festival hab ich gearbeitet, Zeitungen verteilt für die VN. Manchmal geht der Weg also auch von ganz unten ganz hoch“, sagt sie lachend, als wir sie nach der Show treffen. Auf der Bühne performen die beiden ihre gemeinsamen Songs und leiten mit den Worten „A bitzle Turn-up, a bitzle Moshpit“ den wahrscheinlich ersten Moshpit des Tages ein.

Hip-Hop rules

Schon an diesem bewölkten ersten Tag am Szene Openair merken wir jedenfalls: Hip-Hop rules everything hier. Klar, Ausnahmen bestätigen die Regeln (etwa das deutsche Indiepop-Duo Bruckner oder die US-amerikanische Metalcore-Band Beartooth), aber hier, am malerischen Alten Rhein, mitten im Grünen, sind alle Spielarten - und vor allem alle Generationen - der deutschsprachigen Hip-Hop-Szene vertreten.

SSIO

Robin Mayer

SSIO

Da ist etwa der Kopfnicker-Boombap-Sound, den der Bonner Rapper SSIO neben klassischem New-Era-Trap mit im Gepäck hat und uns damit straight in die 90er zurückwirft. „Ich piss auf das Mic und bin trotzdem im Takt“, rappt er in seinem weißen NBA-All-Stars-Trainingsanzug, Goldkette um den Hals, Pilotenbrille auf. Da werden Liegestütze auf der Bühne gemacht, ein Joke nach dem anderen gerissen („Durch die Musik von Katja Krasavice bin ich zu Hip-Hop gekommen“) und Shirts in die Crowd geworfen. Die fordert SSIO immer wieder zum Moshen auf: „Wenn ich bis drei zähle, rennt ihr aufeinander los wie die Affen im Zoo.“ Ok, klingt heftiger, als es war. SSIO ist nämlich ein „alter Hase“ im Rap-Game, sprich: Er schaut darauf, dass alle wieder stehen, bis es weitergeht, und unterbricht seine Tracks, um zu checken, ob es eh allen gut geht. Da heißt es dann auch zwischendurch: „Dieses Mal lassen wir den Kreis lieber zu, Leute.“

Ich hab es schon mal geschrieben, ich schreib es hier aber gern nochmal: Über Inhalt und Humor des selbsternannten King of Rap kann man gerne streiten („keine Moral, nur Unterhaltung“, so sein Credo), über seine Skills wahrscheinlich nicht.

Cro mit aufblasbarer Riesenpuppe

Matthias Rhomberg

Cro

Dann ist da der pop-lastige Feelgood-Rap von Cro, mit dem der Stuttgarter Rapper schon vor zehn Jahren die ein oder andere junge Frau zu ihrem wahrscheinlich ersten Rap-Konzert gebracht hat. Carlo ist mittlerweile 33 und hat die Pandamaske durch eine Art futuristische Space-Maske eingetauscht; die Crowd ist heute eine Mischung aus nostalgisch auf ihre Jugend zurückblickenden Millennials und neuen, sehr jungen, weiblichen Fans: Der Cro-Effekt zieht anscheinend noch immer. Passend zu diesem Vibe steht wie schon am Lido Sounds Festival eine kleine Hüpfburg auf der Bühne, riesige, grinsende Blumen-Emojis leuchten im Hintergrund.

Cro

Robin Mayer

Cro

Das Ganze erinnert ein bisschen an J Balvins „Arcoiris“-Tour und ist wahrscheinlich das Konzert-Pendant zum „Good vibes only“-Schild im Bobo-Hipster-Café. Dass Cro performen kann, steht außer Frage. Die Popstar-Attitüde hat er perfektioniert, die Background-Sängerinnen geben den Songs den letzten, souligen Feinschliff.

Hat das Wetter bisher trotz Wolkendecke gehalten, beginnt es noch während des Konzerts zu regnen. Davon lässt sich die Crowd aber auch nicht mehr abhalten. Erst als Cro gerade noch die letzten A-cappella-Zeilen von „Easy“ anstimmt, bewegt sich die Masse an jungen Menschen leicht nach hinten, auf der anderen Bühne geht es nämlich schon los mit dem Gen-Z-Party-Rap des Berliners Ski Aggu, der als DJ übrigens Prodbypeng im Gepäck hat. Wenn schon davor die Zeichen auf Abriss gestanden sind, geht es hier erst richtig los.

Party-Rap zum Ausrasten, der Soundtrack für den absoluten Kontrollverlust: Ski Aggu ist für die Gen Z vielleicht das, was die Atzen für Millenials waren. Ok, ein bisschen gescheiter vielleicht noch, immerhin kommen dann und wann auch Zeilen vor wie: „Ich schwör’, ich bin zu privilegiert (Warum?) / Weil ein weißer, deutscher Hetero die Bullen in Berlin nicht interessiert (Hurensöhne).“ Die Songs laufen maximal eine halbe Minute (gefühlt), das reicht aber auch vollkommen. Ski-Aggu-Banger wie „Party Sahne“ oder „Friesenjung“ leben von den ikonischen Y2K-Samples, auf denen sie beruhen („Jerk it Out“ von den Caesars oder eben „Friesenjung“ von Otto Walkes, das ja wiederum auf Stings „Englishman in New York“ basiert) und natürlich von dem Berliner Lifestyle, der bei jedem Track mitschwingt.

Ski Aggu

Robin Mayer

Während der Show werden Becher in die Luft geworfen, Sprechchöre angestimmt und – natürlich – gemosht. „Deutschrap hat ein Problem mit wacken Moshpits“, sagt Ski Aggu irgendwann und dann sowas wie: „Ich will hier keinen wacken Moshpit sehen.“ Das haut dann so semi-gut hin.

Roy Bianco

Eva Sutter

Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys

Mehr vom Szene Openair Festival 2023:

  • Tag 1: Cro, Ski Aggu, SSIO u.a.
  • Tag 2: Verifiziert, Sportfreunde Stiller, Bilderbuch u.a.
  • Tag 3: Nina Chuba, Camo & Krooked, Cari Cari u.a.

Inzwischen ist auch der Regen wilder geworden. Diejenigen, die können, drängen sich ins V.I.P.-Zelt, der Großteil lässt sich von ein bisschen Wasser aber nicht beirren und gönnt sich mit bester Laune den deutschen Italo-Schlager von Roy Bianco und den Abbrunzati Boys. Ein sehr interessanter erster Tag mit vielen Eindrücken geht zu Ende. Mal schauen, wie das Wetter die nächsten Tage durchhält.

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