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Bilderbuch

Eva Sutter

festivalradio

Ich sag’s nur meinem Fanclub

Und euch natürlich auch: So war der zweite Tag am Szene Openair 2023 in Lustenau mit den Auftritten von Verifiziert, Sportfreunde Stiller, Bilderbuch und anderen mehr.

Von Melissa Erhardt und Lisa Schneider

„Ich steh voll drauf, wenn Festivals nicht nur male Artists buchen, sondern auch ein diverseres Line-up haben. Ich find, das hat das Szene richtig nice gemacht. Und Kässpätzle gab es auch beim Catering – besser kann es also gar nicht werden.“ Weise Worte von der deutschen Musikerin Mele an diesem zweiten Festivaltag in Lustenau, an dem die Wolkendecke seit dem ersten Act bedrohlich weit unten hängt, dann aber doch bis zum Abend durchhält.

Mele

Samantha Isted

Mele

Ein paar Stunden zuvor hat die Stuttgarter Musikerin ihre Popsongs über Crushes auf Cousinen und lang ersehnte Berührungen zum Besten gegeben und damit die dem Wetter geschuldeten Gummistiefel- und Wanderschuhträger:innen nicht nur zum Tanzen, sondern auch zum Lachen gebracht: „Im Saarland ist der Song nicht so gut angekommen“, schmunzelt sie bei der Ansage von „Deine Cousine“, die Vorarlberger:innen nehmen es mit Humor.

Mele, das ist sowieso ein Name, den man sich merken kann. „Die deutsche Justin Bieber“ nennt sie sich auf Instagram und, naja: Die richtige Attitude hat sie definitiv schon einmal. Was auf Tape vielleicht ein Ticken zu feingeschliffen und poliert klingt, ist live auf der Bühne eine, ich kann es nicht anders sagen, wholesome Experience: Pop meets Indie meets Schlager meets Techno-Rave. Im September spielt Mele am Waves Festival ihre erste Show in Wien, eine gute Gelegenheit also, sie dort live auszuchecken.

Während wir hinter der Bühne gerade noch über Idole und Vorbilder sprechen und dabei der Name Juju fällt, steht diese schon längst auf der Mainstage und rappt. Weißes Outfit, volle Power, 110 Prozent. Eh wie immer eigentlich bei dieser Frau. Die Berlinerin weiß einfach, wie man eine Festivalbühne im Handumdrehen in einen pulsierenden Club verwandeln kann, daran gibt er auch am Szene Openair keine Zweifel. Wer auf gute Eskalation und noch bessere Ohrwürmer steht, ist hier goldrichtig.

Juju

Matthias Rhomberg

Juju

Dass es abseits der Bühnen seit längerem so still um die ehemalige SXTN-Rapperin ist, hat einen guten Grund: Da wird fleißig an einem neuen Album gearbeitet. Vier Jahre ist es immerhin schon her, seit sie ihr Debüt „Bling Bling“ herausgebracht hat, aber wie sagt man so schön: Gut Ding braucht eben immer noch Weile, daran ändert auch das Streaming-Zeitalter nichts. Neues gibt es dafür von der nächsten Künstlerin, der der bewölkte Himmel besonders gutsteht: Verifiziert.

„Stadtlabyrinth“ heißt der neue Song, den die Wienerin auf TikTok und Instagram schon fleißig angeteaset hat und den sie in Lustenau in grüner Übergangsjacke und voller Länge performen wird. Dass Veri eine Schwachstelle für 2000er Hits hat, wissen wir ja spätestens seit „Lady Boba“, der gelungensten Verwurschtelung des One-Hit-Wonders „The Magic Key“, die es jemals gab und geben wird. Mit „Stadtlabyrinth“ traut sich die Musikerin ein paar Jahre weiter vor und schaut sich da flowmäßig ein bisschen was von „Prayer in C“ ab, einem Song, ursprünglich geschrieben von einem französischen Folkpop-Duo, den dann aber ein gewisser Herr Schulz in die Charts geschleudert hat und der, sagen wir es mal so, kein Glanzmoment für die Mainstream-Popwelt war.

Verifiziert

Robin Mayer

Verifiziert

Bei Verifiziert kommt durch die melodische Referenz allerdings genau die richtige Portion an verzerrter Nostalgie auf, alles richtig gemacht also. Das gilt übrigens generell, für die ganze Show: Das hier, zusammen mit DJ, Produzent und Day-One-Begleiter sepfl, ist genau der richtige Kompromiss zwischen Turn-up und In-den-eigenen-Feelings-Sein, zwischen Zum-Beat-Springen und Mit-dem-Autotune-Schunkeln. Und wenn der Himmel dann zuzieht und Veri zu „Stromausfall“ ansetzt, dann ist es eh schon um uns geschehen.

Es gibt Bands, die holen dir ein Lächeln auf die Lippen, das du schon seit 15 Jahren vergessen hast. „Die Welt ist groß genug, wir sind nicht allein“, singt ein eh immer strahlender Peter Brugger, manche Menschen altern nicht, oder immerhin nicht im Herzen. Man muss nur zwei Dinge zumindest ein bissi mögen, um diesen Auftritt der Sportfreunde Stiller zu genießen, und das sind Refrains und trockene Sonnenuntergänge.

Sportfreunde Stiller

Eva Sutter

Schlecht gelaunte Menschen reden von Schlager, wir reden von Klassikern, erinnert euch zurück, so hat in den Nullerjahren der erfolgreiche Pop geklungen, es ist wenig elegant, da herumzumeckern an einer Band, die - Vorsicht, Aua-Formulierung - niemandem weh tut, eher umgekehrt, die vielen weiterhilft. Da gibt es keine Ratschläge für Beziehungen, da gibt es Angebote, das ist Musik zur Herzwehbegleitung oder aber schöner dann, zur Begleitung, wenn die Gefühle gerade erst so richtig groß werden. Spaß macht es auch. „Früher kamen BHs geflogen, heute sind es Kinder Countrys“, lacht Peter ins Mikro, und hinten nach, weil korrekt, „das ist bitte keine Aufforderung, fühlt euch nicht unter Druck gesetzt!“ „Kein Herz bleibt für immer schwarz“ ist noch so eine schönste Zeile gestern. Verifiziert steht auch im Publikum, auf den Entgegenruf „Ist das entzückend!“ nickt sie begeistert. Wellenreiten, Komplimente, ein bisschen Backstreet Boys, they’re alright.

Und dann hängt er wieder da, der grünbezahnte Vorhang, den Bilderbuch aktuell durchs Land tragen, auf dass er kurz vor dem brandneuen Set-Opener „Softpower“ von oben herunterflattern kann. Große Shows, große Gesten, hohe Absätze: Das sind fix fünf bis sieben Zentimeter, auf denen Maurice Ernst über die Bühne spaziert, weiße Hose, langer, schwarzer, offener Mantel, darunter halt nichts außer fast einem Rosenkranz, uff, ja, los geht’s.

Bilderbuch

Eva Sutter

Können Bilderbuch eine Setlist spielen, die tatsächlich nur aus Hits zusammengezimmert ist? Ja. Dass sie nach Liebesauffrischern wie „Gigolo“ oder „Bungalow“ Songs wie „Kitsch“ spielen, bedeutet nicht, dass der Song so fantastisch wäre, sondern eher, dass der Titel auf herrliche Weise gut zur Band passt. Auch das ist eine Entscheidung, und dann hören wir, bleiben wir dabei, den schönsten Kitsch, seit es Lagerfeuerromantik in Österreich gibt: „Nahuel Huapi". Bei Bilderbuch geht sich alles aus. Es muss ein angenehmes Bauchgefühl sein, zu mischen und zu probieren und nicht gerade selten einen großen Song zu schreiben, schön zu sein und sich so zu fühlen, Menschen entgegenzuspielen, die das alles auch sehr gut finden. In ein paar Jahren werden wir vielleicht erst richtig verstehen, wie groß das alles ist, bei und mit dieser Band, wenn es um Einträge in Poplexika geht oder so fade Titel wie „Österreichische Musikgeschichte“. Könnte auch ein Albumtitel sein, weil auch das ist ein Skill dieser fabelhaften Gruppe, sie tun Pfeffer rein.

Bilderbuch

Robin Mayer

Mehr vom Szene Openair Festival 2023:

  • Tag 1: Cro, Ski Aggu, SSIO u.a.
  • Tag 2: Verifiziert, Sportfreunde Stiller, Bilderbuch u.a.
  • Tag 3: Nina Chuba, Camo & Krooked, Cari Cari u.a.

Gelernte Dinge also: Lange Mäntel sind emotionaler Bestechungsversuch und das Beste der Welt, Lukas König und Katrin Paucz als Livebandaufbesserer:innen auch. Regen kommt nicht, wenn man sehr fest dran glaubt, zumindest dann erst spätnachts, und „Checkpoint“ bleibt ein Lebenslied.

Aktuell: