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Küste in Südwest-England

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„Shy“: ein junger Mann am Weg zurück in die Gesellschaft

In seinem neuen Roman „Shy“ nimmt uns der britische Autor Max Porter mit in das England der 1990er Jahre. Shy ist ein junger Typ, der einiges am Kerbholz hat - jemanden mit einer Scherbe angegriffen oder das Chemielabor der Schule verwüstet. Shy kommt in eine Art Internat, wo er sich bessern soll.

Von Eva Umbauer

„Sie waren mal einen Tag nach London gefahren, er und Shaun. Zu Black Market Records. Shaun war der, der ihn überhaupt auf Jungle gebracht hat. Shaun, der ihm Zeitschriften lieh und ihn mit seinen Decks hantieren ließ.“

Rotes Buchcover von "Shy" mit einer Musikkassette drauf

Kein & Aber

„Shy“ von Max Porter ist bei Kein&Aber erschienen, aus dem Englischen übersetzt von Matthias Göritz und Uda Strätling.

Wir schreiben das Jahr 1995. Shy ist sechzehn Jahre alt und hört Drum And Bass, eine damals in den Nineties in Großbritannien entstandene Form von elektronischer Musik mit schnellen Breakbeats, deren Vorläufer Jungle hieß. Shy wünscht sich einen richtig guten Plattenspieler. Ob die Musik ihn vielleicht retten kann? Jedenfalls sagt Shy am Telefon zu seiner Mutter, dass er Drum’n’Bass viel mehr liebt, als er sie je geliebt hat, und dann legt er auf.

Shy wünscht sich auch ein Auto und eine Freundin. Und dass er vielleicht die Rolle des in der Schule aufgeführten Musicals „Joseph and the Amazing Technicolour Dreamcoat“ übernehmen könnte, schließlich besteht auch sein „Mantel“, gleichsam der des Lebens, aus vielen bunten Flecken.

Last Chance School

Zur Zeit befindet sich Shy irgendwo am Land im englischen Südwesten in einem alten herrschaftlichen Haus. Es ist jetzt eine „Last Chance School“ - ein Internat für Jugendliche, die sozusagen vom Weg abgekommen sind, etwas Gröberes angestellt haben, aber noch eine Chance bekommen sollen.

Heute gibt es solche Institutionen in Großbritannien immer weniger, der Weg führt meist gleich in den Jugendstrafvollzug. Aber Shy in Max Porters Roman soll jedenfalls wieder zurück in das Leben finden. Vielleicht hilft ihm die Musik ja wirklich dabei? Shys Leidenschaft für neue elektronische Musik verstehen die Lehrer:innen und Therapeut:innen aber nicht immer so ganz.

„Ich denke, deine Musik ist auch nicht sonderlich hilfreich, so schnell und abgehackt und metallisch. Wenn wir nach Gründen dafür suchen, dass du keinen REM-Schlaf bekommst, ist dein Walkman schon mal hauptverdächtig, nicht? Der sorgt nur dafür, dass du AUFDREHST, aber wir wollen, dass du dich RUNTERREGELST.“

Shy regelt sich eines Nachts runter, packt seinen Rucksack voller Musik-Tapes und Steine und geht hinunter zum Ententeich der Institution. Er will abhauen, oder sich wenigstens für ein paar Stunden aus dem dortigen Alltag ausklinken. Er beginnt zu sinnieren.

Dieser innere Monolog über sein Leben und dessen Kämpfe - seine Vergangenheit und die Ungewissheit seiner Zukunft - geht über ein paar Stunden, in denen Shy weg ist aus seinem gegenwärtigen Leben, und genau daraus besteht der Roman.

Wie schon in seinem allerersten Roman mixt Max Porter in „Shy“ Prosa und Lyrik, also Fiction und Poetry. Er macht das unorthodox und clever. Das Buch hat nur etwa 140 Seiten, ist also vom Umfang her eher eine Novelle und braucht nicht allzu viel Zeit zum Lesen.

"Los jetzt.

Der Rucksack unverschämt schwer.

Es ist 3 Uhr 13.

...

Zerreißprobe. Knirschende Riemen.

Walkman am Start.

Pandemonium Andromeda Tour, Plymouth, 1994, Tape 1.

Randall Back2Back Kenny Ken.

Express how you´re feelin.

..."

Autor Max Porter

Lucy Dickens

Der Autor

Max Porter kommt aus der Nähe von London, hat Kunstgeschichte studiert, arbeitete dann aber als Buchhändler, wo er auch einmal einen Preis erhielt, den „Young Bookseller of the Year Award“. Vor acht Jahren erschien sein erster Roman, „Grief is the Thing with Feathers“, der auch auf Deutsch erschienen ist und in dem es um einen jungen Witwer und seine Kinder geht - und eine Krähe, die dunkle Comedy in das Leben der drei bringt.

Der nächste Roman von Max Porter hieß „Lanny“, er handelte auf eine Art satirische Weise von einem englischen Dorf-Jungen im Großbritannien mit einer konservativen Regierung. „Lanny“, „Trauer ist das Ding mit Federn“ und jetzt „Shy“ kann man durchaus als eine Art Trilogie zusammenfassen.

„Shy“ erschien im Frühjahr in Großbritannien und wurde ein Bestseller. Auch etwa die englische Musikerin PJ Harvey liebt das Buch: „‚Shy‘ hat mich verändert, beglückt, Tränen in mir ausgelöst, überrascht. Niemand schreibt wie Max Porter“, sagt Polly Jean Harvey.

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