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Anna Miller: „Verbunden“

Wie oft am Tag greifen wir zum Smartphone, weil wir uns gut fühlen oder nicht mehr spüren wollen. In ihrem Buch „Verbunden: Wie du in digitalen Zeiten wieder Platz schaffst für Dinge, die dir wirklich wichtig sind“ gibt die Psychologin Anna Miller Denkanstöße für bewusstes digitales Verbunden-Sein.

Von Zita Bereuter

Gleich in der Früh eine halbe Stunde am Smartphone vertrödeln, nicht arbeiten können, weil man auf eine Nachricht von einer bestimmten Person wartet, unruhig im Alltag sein. All das hat die Psychologin und Journalistin Anna Miller schon vor Jahren an sich bemerkt. „Ich hatte generell das Gefühl, dass da einfach ganz viel Energie, Fokus, Zeit, Aufmerksamkeit und auch ganz viele Ängste und Hoffnungen in diesen digitalen Raum fließen“, erklärt sie im Interview. „Und ich fand, das ist schade, weil das Digitale ist gut, aber man muss halt wissen, wie man es nutzt.“

Das Digitale ist gut, aber man muss halt wissen, wie man es nutzt.

Also sucht sie vor allem in ihrem Gebiet der Positiven Psychologie nach Lösungen für einen sensiblen und im besten Sinne sinnvollen Umgang mit digitalen Medien. Ihre Erkenntnisse, Erfahrungen und auch persönliche Erinnerungen verschriftlicht sie mit praktischen Übungen in ihrem Buch „Verbunden: Wie du in digitalen Zeiten wieder Platz schaffst für Dinge, die dir wirklich wichtig sind.“

Going Offline
Ein Spezialtag auf FM4 am 2. Oktober 2023 mit einer Stunde Homebase Spezial zum Thema „Going Offline“. Ergebnisse, Erkenntnisse und Erlebnisse vom Offline-Sein, dem Offtober bis zum Offline-Dorf.

„Achtsamkeit ist als Begriff so abgenutzt, dass es fast schon wehtut, das Wort überhaupt in den Mund zu nehmen“, liest man an einer Stelle. Dessen bewusst schreibt sie auch: „Digitale Achtsamkeit ist nicht bloß das Streben nach weniger Zeit am Handy, sie ist eine der großen Herausforderungen unseres Jahrhunderts.“ Bis die politisch gelöst werden, kann man mit Anna Miller einen eigenen bewussten Umgang finden.

Anfangs erzählt Anna Miller von ihrem ersten Smartphone, dem Rausch des Digitalen und wie sie sich allmählich darin verlor. „Ich fand, ich möchte meine eigene ‚Leidensgeschichte‘ erzählen, bevor ich überhaupt Ratschläge und Tipps gebe, weil ich sitze mit im Boot.“

Wir wollen einfach geliebt und gesehen werden.

Bald glaubt Anna Miller den eigentlichen Grund für den häufigen Griff zum Smartphone zu erkennen: „Dass wir das in die Hand nehmen, weil wir uns eben verbunden und gut fühlen wollen. Oder gucken wollen, ob wir aus einer Gruppe ausgeschlossen sind.“ Das seien Urinstinkte, erklärt sie. „Und wir sind richtig krass Mensch - auch im Digitalen - und wollen einfach geliebt und gesehen werden.“

Das Smartphone in unserer Hand gibt uns die Möglichkeit, in Sekundenschnelle etwas zu unternehmen, „um uns dann selber in einem schlechten Moment auch nicht mehr zu spüren“.

Am Ende des Tages sind wir Tiere und brauchen im dreidimensionalen Raum Begegnung und Kontakt.

Soweit ist das ja auch gut, diese Verbundenheit zu spüren. Anna Miller sieht in diesen Bindungsthemen aber eine Abhängigkeit durch den digitalen Raum. „Wir wissen ja, dass ganz viele Menschen mittlerweile alleine wohnen oder man sich geografisch oder zeitlich nicht mehr zum gleichen Zeitpunkt irgendwo trifft.“ So mache man sich schnell sozial abhängig von digitaler Kontaktaufnahme. „Das ist mit Vorsicht zu genießen. Weil am Ende des Tages sind wir Tiere und brauchen im dreidimensionalen Raum Begegnung und Kontakt.“ Das Digitale sollte da möglichst effizient genutzt werden, „um den Kontakt herzustellen - und dann aber in die reale Welt damit“.

Ich würde so gerne mal wieder ein Buch lesen und es fällt mir aber immer schwerer.

Buchcover

Ullstein

„Verbunden: Wie du in digitalen Zeiten wieder Platz schaffst für Dinge, die dir wirklich wichtig sind“ von Anna Miller ist bei Ullstein erschienen.

Anna Miller plädiert für das Unmittelbare. Das Konkrete. Das analoge Tun. Auch wenn das vielleicht mühsam ist. Immer wieder höre sie von Leuten, dass sie so gerne mal wieder ein Buch lesen würden, es ihnen aber immer schwerer falle. „Das bildet man sich nicht ein, weil es nämlich Dinge gibt, die einen zufriedenstellen, wie zum Beispiel ein Buch zu lesen oder über längere Zeit etwas zu malen. Dabei wird aber viel weniger Dopamin ausgeschüttet, als wenn man sich zum Beispiel ein YouTube-Video anguckt.“

Wenn man also darauf trainiert ist, Glückshormone über schnelle Inhalte im Internet, über Social Media oder eben über YouTube zu bekommen, werden die Dinge, die länger brauchen, um Dopamin auszuschütten, auch langweiliger. Ständiges, schnelles Dopamin führt leicht zu Suchtverhalten und manchmal sogar zu Wahnvorstellungen bis hin zu Schizophrenie. Statt also die Welt einfach nur aufs Display kommen zu lassen, empfiehlt Anna Miller den Weg ins Freie.

Aus der Psychologie weiß man, dass Zufriedenheit und Glück extrem stark mit der Befriedigung zusammenhängen, etwas geschafft oder überwunden zu haben. „Wenn ihr jetzt darüber nachdenkt, diese mühsamen Wanderungen früher, oder ihr wart zelten und es hat geregnet, man hat dann immer so einen Moment, da denkt man: Ach, ne. Aber dann ist das so ein Moment von Glück und man sagt: Da habe ich etwas erlebt. Ich habe mich gespürt. Ich habe das Leben tatsächlich wahrgenommen, auch wenn das gar nicht immer so positiv war. Und das braucht der Mensch.“

Der Mensch braucht tatsächlich Reibung, Fortschritt und auch eben das Gefühl, dass er selber etwas erschaffen hat.

In ihrem Buch, das sie als Inspirationsquelle, Denkanstoß, Stütze und Vorlage versteht, spricht Anna Miller die Leser:innen direkt mit „du“ an oder erzählt in einem freundschaftlichen „wir“. Es lohnt sich, eigene Handlungsweisen zu hinterfragen und mit Anna Miller von einem Falsch-Verbunden zu einem Neu-Verbunden zu wechseln.

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