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Drei Cover vom biber Magazin

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Wie das kleine „biber“ Magazin die österreichischen Medien geprägt hat

Das „biber“ Magazin wird nach 16 Jahren eingestellt und erscheint im Dezember ein letztes Mal. Das Magazin hat nicht nur migrantischen Jugendlichen interessante Geschichten geboten, sondern auch Journalist:innen mit Migrationshintergrund den Schritt in die Medien ermöglicht. Ich lernte beim „biber“ wie man schreibt und wie man Ikea-Küchen aufbaut.

Von Ali Cem Deniz

Das pinke Magazin, das in Wien an vielen Ecken zu finden war, war vielleicht eines der ersten Dinge, die mir aufgefallen sind, als ich 2008 zum Studieren nach Wien kam. Das schreibe ich jetzt nicht nur, weil mich die Meldung über das „biber“-Aus sentimental gemacht hat.

In Punkto „Vielfalt und Medien“ kannte ich bis dahin nichts außer „Heimat, fremde Heimat“. Ich kann mich gut daran erinnern, wie meine Eltern und ich uns einfach freuten, wenn am Ende eines Fernsehbeitrags ein türkischer Name stand. Momente und Emotionen, die wahrscheinlich schwer nachvollziehbar sind für Menschen, die nie migriert sind oder nicht Teil einer „Minderheit“ sind.

Ich erkannte im Namen „biber“ instinktiv nicht das Nagetier, sondern das türkische bzw. bosnisch/kroatisch/serbische Wort für Paprika. Als ich reinblätterte fiel mir auf, dass so gut wie alle Autor:innen „ausländische“ Namen hatten. Namen, die man eben sonst medial kaum finden konnte.

Journalismus-Ausbildung in der Wäscherei

In den drauffolgenden Jahren habe ich immer wieder „biber“ gelesen. Zum Beispiel gerne die Kolumnen eines gewissen Todors, der später auch bei FM4 mein Kollege wurde und nur einer von den vielen talentierten Autor:innen ist, die für dieses Magazin gearbeitet haben. Irgendwann 2011 stieß ich dabei auf eine Anzeige: die „biber“-Akademie, eine zweimonatige Journalismus-Ausbildung für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Eine Studienkollegin ermutigte mich, mich zu bewerben.

Werbung für biber-Akademie

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Ich weiß nicht mehr was ich damals in mein Bewerbungsschreiben geschrieben habe, aber schon bald war ich in einer ehemaligen Wäscherei im 15. Bezirk und baute in einem spartanisch ausgestatteten Büro eine Ikea-Küche auf. Die „biber“-Akademiker:innen bauten ihr Büro selbst auf. Auch FM4 berichtete damals über die Eröffnung der Akademie.

Zwischen Campus und Lugner-City

Die „biber“-Akademie war so wie auch das Magazin eine Mischung aus wirklich gutem und direktem Journalismus und ganz vielen Do-It-Yourself Elementen. In den Sitzungen gab es grundsätzlich keine Tabus. Noch am ehesten vor zu „seriösen“ oder „akademischen“ Texten. Man suchte einen lockeren und ungezwungenen Zugang zu Migration im weitesten Sinne. Ein Thema, das in den meisten Medien noch heute vorrangig als Problem behandelt wird.

„biber“ sollte gleichermaßen für Studis am Campus und für Jugendliche in der Lugner-City interessant sein.

Und so lernten wir „biber“-Akademiker:innen das Schreiben. Die akademischen, verschachtelten Sätze, die viele „biber“-Akademiker:innen mit sich brachten, wurden abgelegt. Thomas Schmidt, der davor für die „Zeit im Bild“ gearbeitet hatte, und mitterlweile Journalismus an der University of California, San Diego, unterrichtet, brachte uns die Grundlagen bei. Kurzmeldungen, Interviews, Recherche und Reportagen. Schon bald schrieb ich über türkische Serien, die schärfste Wurst von Wien und interviewte einen damals up-and-coming Rapper namens „RAF 3.0.“, den man heutzutage als Raf Camora kennt.

„biber“ wird fehlen

Ein Versprechen der „biber“-Akademie war es, den Absolvent:innen ein Praktikum in größeren Medien zu vermitteln. So kam ich auch zu diesem Radiosender, wo ich Anfang 2012 meine erste Geschichte schrieb. Über die Jahre habe ich dann immer mehr für FM4 gemacht und immer weniger für das „biber“. Das letzte Mal schrieb ich 2019 für das „biber“ über mein Leben als austro-türkischer Papa, der täglich mit Babytrage durch Meidling spazierte.

Mir ist kein Medium bekannt, das solche Geschichten anbietet, wie es „biber“ in den letzten 16 Jahren getan hat. Egal ob es um Balkan-Musik, türkische Serien oder Impostor Snydrom bei jungen Migrant:innen geht. Das Aus von „biber“ wird eine Lücke in der Medienlandschaft hinterlassen.

Eine ausführliche Geschichte über das Aus von „biber“ gibt es hier im Horizont Magazin.

Zum Glück hat aber „biber“ eben dazu beigetragen, dass einige Journalist:innen mit Migrationshintergrund den Einzug in die österreichische Medienlandschaft geschafft haben. Viele, die ihre Karriere beim „biber“ begonnen haben, hätten vermutlich weniger Chancen gehabt, wenn sie sich direkt bei den großen Medien beworben hätten.

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