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Aktueller Musiktitel:

CULK

Sophie Löw

Vorm Abgrund dreh’ ich um

Die ewig gute Band CULK hat ihr drittes Album veröffentlicht, es heißt „Generation Maximum“.

Von Lisa Schneider

Da sitzen wir am Weltenrand, Füße baumeln, Gedanken taumeln. Bisschen Reimespaß muss sich hier noch ausgehen, die Musik ist schwer, das passt so. "Wer hinsieht wird vor Tränen nicht mehr sehen / Wir können nicht nur mehr daneben stehen“, da sind wir also am Anfang und gleich auch mittendrin im neuen, dritten Album der Wiener Gruppe CULK. Nennen wir sie Nachdenkpostpunkband, nennen wir sie Musikerneuer:innen, nennen wir sie Zukunftsdenker:innen, nennen wir sie, wie wir wollen. „Willkommen in der Hedonie“ ist als Eröffnungslied eine Ideenvorstellung, ein Song, der die Richtung vorgibt. Hedonie als Momentum und ein giving-in, es ist eh alles wurscht, und Gedanken mach’ ich mir trotzdem.

CULK Albumcover "Generation Maximum"

Siluh Records / Cargo

„Generation Maximum“ von CULK erscheint via Siluh Records / Cargo. Die kommenden Livetermine findet ihr hier.

Da war das erste, selbstbetitelte CULK-Album, veröffentlicht 2019, es war ein „Wir-machen-das-jetzt“. Das zweite, „Zerstreuen über euch“, veröffentlicht im Jahr darauf, war ein dicht gestricktes Konzeptalbum frei nach Patriarchatszerbröselungsansätzen. Und jetzt ist da „Generation Maximum“, wie der Titel groß und ziemlich allumfassend. CULK, das sind Sophie Löw, Johannes Blindhofer, Jakob Herber und Christoph Kuhn, alle vier Menschen in ihren Mitt- bzw. bisschen Später-Zwanzigern, alle vier Menschen, die sich vom Weltbeobachten und Zeug:innensein vor der Frage sehen: Wann mach’ ich jetzt selbst was, und wie?

„Ihr sucht in uns die Revolution / bürgt uns auf was ihr nicht leisten wollt“, so eine Zeile im Titellied. Anklage ja, mehr aber noch ein Nachfragen und Erklärungenverlangen. Die „Generation Maximum“, so Sophie Löw, „das sind eigentlich alle Menschen allen Alters, die jetzt gerade am Leben, auf dieser Welt sind“. Statt dem einsamen „Ich“ zieht sich das „Wir“ durch die Texte, es ist eine mutige Sache nicht nur über, sondern vor allem für eine Generation zu schreiben.

„Generation Maximum“ als Album ist eine Kapitelreise, das eine bedingt und verlangt das andere. Wir müssen über Selbstoptimierung und den ewigen Selbstvergleich reden, wir müssen über Gleichstellungsangelegenheiten und den immer prognostizierten, aber jetzt wohl an der Haustür klopfenden Weltuntergang reden, wir müssen über psychische Erkrankungen reden und natürlich müssen wir übers Internet reden. Mit „In meinen Händen eine leere Welt“ hört ihr die schön-subtilste Beschreibung von „Leg’ endlich mal dein Smartphone weg“ seit es die Wischwegkultur gibt (im Lied „www“). Auf die Frage, in welche Welt man eintaucht, wenn man sich dieses neue Album von CULK anhört, antworten sie mit „in die echte“.

Sophie Löw und Jakob Herber von CULK

FM4/Lisa Schneider

Zwei Menschen der Band CULK zu Gast im FM4-Studio: Sophie Löw und Jakob Herber.

„An was noch glauben / und wem gefallen / sind wir gefangen im Glauben an den Untergang“ singt Sophie Löw im Lied „Glut“, kopfschüttelnd steht sie dann vor dem gelben FM4-Logo. „Heute war so ein Tag“, sagt sie, eh schon wieder heiterer, „Da hab’ ich mir gedacht: Wen soll eigentlich interessieren, was ich hier mach’?“. „Uns!“ kommt’s von der Gegenseite natürlich. Aber auch natürlich, das sind Menschen, und die haben Zweifel. Gut sind die, die gut schreiben und sich auf Höchstniveau mitteilen können, die mitnehmen, statt sich, wenn auch sehr klug, über die anderen stellen. Das ist die Musik von CULK nämlich auch: immer ein Dialog. In dieser seltsamen Zeit, in der alle für alle plädieren und Inklusion zur Phrase verkommen kann, nicht ganz unwesentlich.

Den eigenen Lebensmoment hat schon immer jede*r am ärgsten, lautesten, anstrengendsten gefunden, in jedem Fall aber viel schlimmer, als es früher einmal war. Das ist menschlich, was soll man spüren und wahrnehmen außer der eigenen Existenz, und trotzdem schaut’s für unsere, sagen wir’s, „Generation Maximum“, richtig knusprig bitter aus. Hackeln kann man eh, ein Haus, wie das der Eltern, wird sich trotzdem niemand leisten können. Die Gratis-Praktika und Doppelstudien werden keine Pension einbringen, für Idiotenurlaube frei nach „Weihnachten in der Karibik“ müssen wir bald gar nicht mehr so weit wegfliegen. Danke also für all den Mist, den ihr uns hinterlassen habt, mag man sagen, Sophie Löw sagt aber: „Eigentlich würde ich es nur gern verstehen.“

Und dann klingt das auch noch gut. So gut, dass wir dann doch nochmal auf die große Frage zurückkommen, wieviel Pop in den Songs von CULK steckt und ob das 2023 überhaupt noch ein zeitgemäßer Gedankenausflug ist. Das ist Musik für Menschen, die ein bisschen mehr wollen als Kopfnicken und Kaltgetränke um drei Uhr früh, ein Hör-genau-hin-Album. Lieder, die man sich gemeinsam mit Menschen anhört bei denen ein kurzes Zwinkern reicht, um zu sagen: du verstehst. Das ist Musik, die man am besten laut und am allerbesten live hört, weil irgendwann der Wunsch immer größer wird, sich akustisch dann einmal komplett wegschwemmen zu lassen. Negieren und Wegschauen geht sich eh eine Zeitlang aus und CULK sind keine selbsternannten Weltretter*innen, sie denken eben nach, und das mit uns. Also natürlich ist das Pop, und natürlich ist das Postpunk und natürlich steckt das eine im anderen und natürlich ordnen wir nicht in Genres. Am Ende ist’s Musik.

Weltenrand also, taumeln und baumeln, das ist kein Untergangsalbum, aber es tut schon auch weh. „Wir verneigen uns vor dir“ heißt’s fast schon versöhnlich, also so, wie es sich bei CULK eben ausgeht, am letzten Lied „Dein Gehen“. Umdrehen muss man das und es ihnen entgegenrufen, Komplimente verstreuen und was noch alles.

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