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"Maniac" - Benjamin Labatut - Buchcover

Suhrkamp

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Irre Lichter

„Maniac“ von Benjamin Labatut handelt vom klügsten Menschen der Welt.

Von Boris Jordan

Wer möchte ein Buch lesen, das sich mit dem Leben und der Reise von verrückten oder gerade im Verrücktwerden begriffenen Wissenschaftler:innen beschäftigt? Genau das ist das Feld des Holländisch- Chilenischen Schriftstellers Benjamin Labatut. Sein Debüt Roman von 2021 „Das irre Licht“ beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Schicksal von Physikern, Mathematikern und Chemikern in der Zeit zwischen den Weltkriegen, in Nazideutschland, im Exil und in den USA.

In „Das irre Licht“ sind das etwa der Physiker Werner Heisenberg, der auf einer Nordsee-Insel sitzt und im Delirium Gleichungen entwickelt, auf denen dann der Bau der Atombombe beruht. Oder der Mathematiker Alexander Grothendieck, der seine Ergebnisse lieber verbrennt, weil er bemerkt, wie gefährlich seine Entdeckungen sind. Nicht zuletzt der Chemiker und Nobelpreisträger Fritz Haber, der mit der Entwicklung seines Kunstdüngers Millionen vor dem Hungertod bewahrt und zugleich ein Nervengas entwickelt, an dem Millionen in den Gaskammern der Nazis ermordet werden.
„Das irre Licht“ war 2021 für den Booker Prize nominiert, es ist eines der erklärten Lieblingsbücher von Barack Obama.

Benjamin Labatut verknüpft die Schicksale dieser Naturwissenschaftler miteinander, mit dem Lauf der Geschichte, mit Krieg und Flucht und mit ihrer Krankengeschichte – weil sie sämtlich vor lauter intensivem Denken am Rand des Wahnsinns stehen, während die Welt rund um sie herum sich völlig verändert. Labatut beschreibt das so geschickt, dass man glaubt, sich inmitten eines Krimis oder Spionage-Plots zu befinden.

Das ganz neue Buch von Benjamin Labatut ist nun letzte Woche auf Deutsch erschienen. Es heißt „Maniac“ und wirkt fast wie eine Fortsetzung von „Das irre Licht“ – mit einem neuen Thema.

Maniac

"Maniac" - Benjamin Labatut - Buchcover

Suhrkamp

„Maniac“ von Benjamin Labatut, erschienen im Suhrkamp Verlag, Übersetzung von Thomas Brovot.

Die Hauptfigur ist diesmal der vielleicht genialste Mathematiker des 20. Jahrhunderts, der Ungar John von Neumann. Neumann war ein extremes Wunderkind, eine Intelligenzbestie. Er konnte schon als Neunjähriger achtstellige Zahlen multiplizieren und er hat mit seinem mathematischen Überlegungen die Grundlagen sowohl für die Spieletheorie und die Kybernetik geschaffen, als auch vom Manhattan Projekt in Los Alamos, der amerikanischen Entwicklung der Atombombe, und ihrer Ansammlung der Besten Köpfe der Welt im Wettbewerb mit Nazideutschland - von der fast alle spätestens durch den „Oppenheimer“-Film von Christopher Nolan wissen dürften.

Von Neumann war aber am meisten fasziniert vom „Maschinendenken“, vom „selbstreproduzierenden Automaten“, wie er ihn genannt hat. Ohne John Von Neumann gäbe es den Computer, wie wir ihn kennen, gar nicht, und auch keine künstlichen Intelligenzen. Davon ausgehend führt uns das Buch in unsere Gegenwart, zum Computer Alpha Go und seinem Duell mit dem weltbesten Go-Spieler, Lee Se Dol. Mit all den philosophischen Bedenken, die unsere Zeit gegen die künstliche Intelligenz hat und haben muss.

In „Maniac“ begleiten wir John von Neumann bei seinen wilden Überlegungen und Formeln, bei seinen Reisen durch die berühmtesten Universitäten seiner Zeit, seinen Auseinandersetzungen mit Hilbert und Einstein, seinem unsteten Liebesleben und seiner endlosen Getriebenheit beim Lösen von mathematischen und damit verknüpften philosophischen Problemen, während Faschismus und Krieg toben, Einstein und Bohr darüber streiten, ob die Quantenmechanik eine Zukunft hat - und während ein anderer berühmter Mathematiker, Paul Ehrenfest, mit seinem beeinträchtigten Sohn aus Deutschland fliehen muss, damit dieser nicht vom Eugenikprogramm der Nazis zwangssterilisiert wird.

Und wie beim „Irren Licht“ liest sich das Ganze wie ein psychologischer Kriminalroman, wo man nebenbei viel über Naturwissenschaft, Religion und Moral lernt. Eine Empfehlung für den Weihnachtsbaum, für die Nerds unter den zu Beschenkenden.

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