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Buchcover "Die Schattenmacherin"

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Die Schattenmacherin: eine Dystopie unter Frauen

Eine auf einen kleinen Flecken reduzierte, noch bewohnbare Welt, allein von Frauen beherrscht, in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft: das ist das Setting im Debütroman von Lilly Gollackner. „Die Schattenmacherin“ handelt vom Generationenwechsel an der Führungsspitze einer autokratisch regierten Kleinstadt.

Von Anna Katharina Laggner

Rund 280 000 Menschen, also in etwa die Bevölkerungszahl von Graz: das ist alles, was in „Die Schattenmacherin“ von uns acht Milliarden übrig ist. Es sind ausschließlich Frauen. Die Männer haben in zwei, wie es im Buch heißt, „Verdichtungskriegen“ um das durch Fluten und Überhitzung schrumpfende Land gekämpft. 2034 dann sind sie von einer Seuche hinweggerafft worden. Der Roman spielt wenige Jahrzehnte später. An der Macht sind jene Frauen, die sich noch an Männer und Kriege erinnern können, sie haben im Norden der Erdkugel eine Stadt aufgebaut. Sie leben hier – wie es sich für eine Dystopie gehört – unter Kuppeln, die sie vor dem Sonnenlicht schützen. Die Grenzen des Lebensareals dürfen nicht überschritten werden. Ania, bereits unter den Kuppeln geboren, ist ausgewählt, die Alleinherrscherin Ruth zu beerben.

Buchcover "Die Schattenmacherin"

Kremayr & Scheriau

„Die Schattenmacherin“ von Lilly Gollackner (192 Seiten) ist im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.

„Die Schattenmacherin“ spielt im obersten Machtapparat der Stadt. Da, wo Wasserrationierung und Nahrungsmittelanbau geregelt, Grenzen und Schädlinge kontrolliert, die Fortpflanzung mittels hinübergeretteter Samenbanken gesteuert werden. Was mit männlichen Embryonen geschieht, ist eine der naheliegenden, wenn auch verbotenen Fragen, die Ania stellt.

Die Sprache in „Die Schattenmacherin“ ist poetisch und fein ziseliert. Nur als an einer Stelle davon die Rede ist, dass früher Sorgearbeit als naturgegeben angesehen wurde, wenn dir „kein Sack zwischen den Beinen baumelt“, streift die Erzählerin den Vulgär-Sprech und gibt einer Wut über die althergebrachten patriarchalen Strukturen Raum. Abgesehen davon erweist sich Lilly Gollackner als Metaphern-Pyrotechnikerin: da springt der Buchstabe Z wie ein Hund an der Kette, da schäumt Panik wie übergehende Milch, da ist Angst ein stinkender Begleiter aus der Kanalisation.

Ania ist jung und ambitioniert, hartnäckig, neugierig. Ruth, die alte Matrone, ist nicht bereit, ihre Macht kampflos aufzugeben. Und sie hat ein Geheimnis, das natürlich nicht verraten wird, aber wenig überraschend ist. Es bestätigt, dass die, die Wahrheit predigen, selbst die größten Blenderinnen sind. Gekämpft wird heuchlerisch, mit Bespitzelung, Bedrohung, Mafia-Methoden. Also vieles anders unter der Sonne der „Schattenmacherin“, aber das Wesentliche vertraut: es ist eine Spiegelung patriarchaler Strukturen im Frauengewand. Das glorreiche Matriarchat? Fehlanzeige, sie sind um keinen Deut besser, diese Frauen, wenn sie Alleinherrscherinnen sind. Aus der Perspektive einer allwissenden Erzählerin, also einer, die auch weiß, was sich in den Köpfen der Kontrahentinnen abspielt, exerziert „Die Schattenmacherin“ den Machtkampf zwischen Jung und Alt bis zum bitteren Ende durch.

Porträt Lilly Gollackner

Martina Lang

Lilly Gollackner, geboren 1978, aufgewachsen in Hallwang bei Salzburg. Journalistin, Autorin und Mediencoach. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien. Für ihre journalistische Arbeit erhielt sie u. a. den Journalismuspreis „von unten“ für den Beitrag „Arm und Reich in Österreich“, den Prälat-Leopold Ungar-JournalistInnenpreis und die New York Festival Gold World Medal für die Dokumentation „Schluss mit Schuld“.

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