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Krummes Holz: Julja Linhof und ihr erstes Buch

Drei junge Menschen auf einem alten Bauernhof irgendwo in Norddeutschland - und viel Traumatisches aus der Vergangenheit. Ob am Ende Hoffnung und Liebe aufkeimen? „Krummes Holz“ ist der Debütroman von Julja Linhof.

Von Eva Umbauer

Am Montag schiebe ich das Fahrrad, das ich neulich unter dem Schuppen hervorgekramt habe, durch das Gestrüpp der Wiese Richtung Westen, zur Auffahrt. Am Vortag lagen eine Einkaufsliste und ein Zwanzigmarkschein auf dem Küchentisch. Nun steckt beides in meiner Hosentasche.

Cover von Krummes Holz von Julja Linhof

Klett-Cotta

„Krummes Holz“ (272 Seiten) von Julja Linhof ist beim deutschen Verlag Klett-Cotta erschienen. Julja Linhof ist in der Gegend, in der ihr Roman spielt, aufgewachsen. Später studierte sie in Leipzig und lebt heute in Hamburg.

Der Hof steht sozusagen im krummen Holz. Krummes Holz steht am Zufahrtsweg. Wir befinden uns mitten am Land, irgendwo im deutschen Nordrhein-Westfalen. Man stellt sich Kühe auf der Weide vor, einen gemütlichen Hofhund und einen daher tuckernden Traktor. Idyllisch alles, oder? Nein, gar nicht. Eh klar eigentlich, sonst würde das wohl keinen Roman ergeben.

Kampf um Liebe und Anerkennung

„Krummes Holz“ von Julja Linhof spielt in den 1980er Jahren, also kommt auch die D-Mark vor, die deutsche Währung bevor der Euro eingeführt wurde, und Kassettenrekorder gab es damals auch.

Ich will Leanders Mixtape in meinen Walkman schieben, und aus dem Kassettenfach rollt mir ein Joint entgegen, was mich zum Explodieren bringt. Ich boxe die rechte Faust gegen die Schranktüren.

Wut, Zorn, Unaufgearbeitetes aus einer strengen, harten, gewaltgepägten Kindheit. Dabei ist Georg erst 19 Jahre alt. Georg ist der Ich-Erzähler in „Krummes Holz“ von Julja Linhof. Georg wird auch Jirka genannt - der Vater von Leander hat ihm diesen Namen gegeben. Leander ist der Sohn vom letzten Verwalter von diesem einst stolzen Bauernhof, ja, Gutshof, der nun heruntergewirtschaftet ist. Der Vater von Leander stammte aus dem Sudetenland in Tschechien, daher also der Name Jirka für Georg.

Geschwister

Der Bahnhof ist einer dieser Provinzbahnhöfe. Zwei Bahnsteige, dazwischen fünf Meter Wind. Im Bahnhofsgebäude die eine Spelunke…

Malene ist die Schwester von Georg. Sie möchte den Hof erben, hat eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, aber der Vater will das nicht. Als Georg nach fünf Jahren Internat - man hatte in dieser Zeit praktisch keinen Kontakt - heimkommt, wird er nicht gerade warmherzig empfangen von Malene. Es ist ein sehr heißer Sommer. Auch Leander ist hier, und die demente Großmutter von Georg und Malene, aber wohin ist der Vater verschwunden?

„Geht’s um den Hof? Oder nur um das Land?“ Sie schnaubt. „Das war hier mal der größte Hof in der Gegend. Ist dir das klar?“

Bevor man „Krummes Holz“ zu lesen beginnt, beantwortet die Autorin Julja Linhof ein paar Fragen, damit man ihren Roman vielleicht leichter versteht, obwohl er sich gut liest, auch wenn einen die Handlung immer wieder erschüttert - trotz oft poetischer Sprache und auch einer gewissen Leichtigkeit - und einen Szenen wie etwa die, als der Hofhund erschossen wird, das Buch erst einmal zur Seite legen lassen.

Trauma und zarte Liebe

Julja Linhof

Alena Schmick

Autorin Julja Linhof

So beantwortet Julja Linhof etwa die Fragen „Was prägt die Generationen in deinem Roman?“ oder „Malene und Jirka sind Geschwister - warum finden sie so schwer zusammen?“

Auch auf die Frage „Jirka und Leander sind durch ein Trauma verbunden, aber auch durch eine zarte Liebe. Was wiegt schwerer?“ geht Julja Linhof ein, und den Buchtitel, „Krummes Holz“ erklärt sie ebenfalls - dass dieser eben für die Hofzufahrtsstraße steht, aber auch, dass er von Kant inspiriert ist. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724 - 1804) sagte: „Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.“

Dazu meint Julja Linhof: „Es gibt mit Sicherheit verschiedene Lesarten und Interpretationen von Kants Worten, für mich greifen sie aber vor allem einen Aspekt auf: Erfahrungen, die wir in der vulnerabelsten Phase unseres Lebens, der Kindheit, gemacht haben, formen uns auf eine Weise, die uns anhaften bleibt (...), und das ist etwas, das ich in all meinen Figuren wiederfinde. Ihre Wunden, ihre Traumata haben sie auf eine Weise geprägt, die sich nicht ‚geradebiegen‘ lässt.“ Was aber nicht zwangsläufig heißt, dass aus einem „krummen Holz“ ein „krummes Leben“ erwächst.

Mein Zimmer riecht noch nach Sommer und Staub. Mit kaltsteifen Fingern öffne ich die Fensterflügel, und der Geruch wird verdrängt von Gewitterluft, dem Duft der Wiese, den die Trockenheit fast ausgelöscht hat. Ich steige nackt in meine letzte saubere Jeans. Ganz unten im Schrank finde ich den Wollpullover, den ich bisher nicht gebraucht habe...

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