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Oscarverleihung

AP Photo/Chris Pizzello

Oscars 2024

Oscarheimer!

Sieben Oscars für „Oppenheimer“, vier für „Poor Things“ und zwei für „The Zone of Interest“. „Barbie“ geht mit einem Oscar nach Hause, kriegt aber am meisten Liebe ab. Ansonsten? Slash von Guns N’Roses war auch da und das, woran wir uns morgen und übermorgen und 2040 erinnern werden, ist die Aufführung von „I’m Just Ken“.

Von Pia Reiser

Sieben Oscars für „Oppenheimer“, vier Oscars für „Poor Things“, zwei Oscars für „The Zone of Interest“, nur einer für „Barbie“, einer für „The Holdovers“ und keiner für „Killers of a Flower Moon“, das ist die trockene Preisbilanz eines recht überraschungsfreien Abends, an dem aber doch auch gute Sätze wie „I wanna thank my terrible childhood“ oder „My eyes see Oppenheimer“ gefallen sind.

Überraschend vielleicht eher, dass der Verliererfilm in Sachen Awards irgendwie aber mehr Raum einnimmt - während und nach der Preisverleihung. Schon zu Beginn sitzt Host Jimmy Kimmel auf der Bank der Busstation aus „Barbie“, neben ihm Margot Robbie, die „You’re so beautiful“ sagt. Und Kimmel: „I know.“ Ich schwöre, ich hab Cillian Murphy, den Held der Introvertierten und der „Ich lache mit geschlossenen Lippen“-Vertreter lachen sehen!

Jimmy Kimmel tritt auf, ein Viertel des Saals entscheidet sich für standing ovations, der Rest woohoot gutgelaunt und Kimmel richtet nochmal den Scheinwerfer auf „Barbie“ und nennt ihn „the biggest movie of the year“. Der Opening Monologue ist ganz launig, Kimmel nennt Christopher Nolan „also a very attractive man“ und meint über den „Anatomy of a Fall“-Hund Messi (mit Fliege): „I haven’t seen a French actor eat vomit like that since Gerard Depardieu.“ Kimmel erinnert daran, dass dieses Jahr Robert de Niro und Jodie Foster nominiert sind - und dass das auch 1977 der Fall war!

Extrablatt, Extrablatt! In einer superfrischen Episode des FM4 Filmpodcast lassen Philipp Emberger und ich die Oscars, den Roten Teppich und die Award Season Revue passieren!

Für die Schauspiel-Kategorien greifen die Oscars auf einen Präsentations-Modus zurück, der schon 2009 eher für leicht eingeschlafene Füße gesorgt hat: Es kommen fünf Laudator:innen, die in dieser Kategorie schon mal gewonnen haben, auf die Bühne und jede:r hält eine Mini-Rede auf die nominierte Person. Aber so erfahren wir immerhin von Lupita Nyongo, dass Da’Vine Joy Randolph in „The Holdovers“ die Brillen ihrer Großmutter getragen hat. Der erste Oscar des Abends geht - wie erwartet - an Randolph.

The God of Thunder und Princess Peach, also Chris Hemsworth und Anya Taylor-Joy - die Oscars sind sichtlich um ein jüngeres Publikum bemüht - sind die Präsentator:innen für „Best Animated Short“ und „Best Animated Feature“. In meiner Rolle als Captain Obvious bemerke ich, dass ein Mann, der den Preis für „Best Animated Film“ entgegen nimmt, aussieht wie Sean Lennon, um dann festzustellen, dass es Sean Lennon ist. Der Gewinnerfilm heißt „War is over! Inspired by the Music of John & Yoko“ und Sean Lennon bittet den Saal, „Happy Mother’s Day, Yoko“ zu sagen. Hätten wir das auch erledigt. Als „Best Animated Feature“ wird Hayao Miyazakis „The Boy and the Heron“ ausgezeichnet. Der Regisseur ist aber nicht da, und so schlurfen Hemsi und Taylor-Joy mit dem Oscar von der Bühne, das hat Tradition, Miyazaki hat sich auch den Oscar für „Spirited Away“ nicht abgeholt.

Und juhu, das Orchester stimmt „P.I.M.P.“ an, als der Name von Justine Triet und Arthur Harari verlesen wird; die beiden werden für das Drehbuch für „Anatomy of a Fall“ ausgezeichnet. Übrigens eines von fünf Paaren, die dieses Jahr nominiert sind - Greta Gerwig und Noah Baumbach, Christopher Nolan und Emma Thomas, Margot Robbie und Tom Ackerley. Der Oscar für „Best Adapted Screenplay“ geht an Cord Jefferson für „American Fiction“. Bisher also eigentlich alles nach Plan und Buchmacherei.

Oscarverleihung

AP Photo/Chris Pizzello

Michael Keaton und Catherine O’Hara sorgen für eine „Beetlejuice“-Reunion, und das ist einer der schönsten Teile der Oscarverleihung: Schauspieler:innen zu sehen, die nicht eh grad im Rahmen einer Press-Tour herumgereicht werden. Und es gibt den ersten Oscar für „Poor Things“, für „Make Up and Hairstyling“. Das ist hauptsächlich wegen Willem Dafoes tollem zusammengenähten Gesicht, sagt Philipp Emberger neben mir und er hat wohl Recht. Dann gibt’s gleich noch einen für „Production Design“ - zu Recht, „Poor Things“ hat hier nicht nur eine Welt, sondern gleich mehrere herrlich merkwürdige, gothic-angehauchte, retrofuturistische Welten aus dem Boden gestampft und ein schiefes Lissabon noch dazu.

Auf meinem Oscar-Notizzettel ist ja „evtl. David Niven Flitzer Gag Update mit Barry Keoghan?“ gestanden - und ähnliches wohl auch auf den Zetteln der Autor:innen der Oscars, denn Kimmel erinnert an den Flitzer aus dem Jahr 1974, dann rennt aber nicht Keoghan zu „Murder on the Dance Floor“ über die Bühne, sondern ein nackter John Cena in Birkenstocks (Barbie!) präsentiert den Oscar für „Best Costume Design“ und Holly Waddington, die ein Kleid wie aus „Poor Things“ trägt (Ritterrüstungs-Puffärmel!) wird ausgezeichnet. John Cena wurde wurde inzwischen in einen babyrosa Vorhang eingewickelt.

Oscarverleihung

AP Photo/Chris Pizzello

Bad Bunny in einem Sakko mit nichts drunter und Dwayne Johnson präsentieren die Nominierten für „Best International Feature“ - und Jonathan Glazers „The Zone of Interest“ wird ausgezeichnet! „It’s not about what they did then, it is about what we do now“, so Glazer in seiner Rede. „Right now we stand here as men who refute their Jewishness in a Holocaust being hijacked by an occupation which has led to conflict for so many innocent people. Whether the victims of October the 7th in Israel or the ongoing attack on Gaza — all the victims of this dehumanization, how do we resist?“

Emily Blunt und Ryan Gosling als recht adrette Sichtbarmachung von Barbenheimer kommen auf die Bühne, führen einen recht putzigen Rival:innen-Streit auf und erwähnen dann lobend die Zunft der Stuntleute, nach einer Spitzenmontage gibt’s aber dann keinen überraschend eingeführten Stunt-Oscar, sondern ein „We salute you“. Naja. Mich irritiert das Kleid von Emily Blunt, bei dem die Träger immer fünf Zentimeter von den Schultern entfernt sind. Ryan Gosling trägt ein Sakko mit Gucci-Glitterrand. Mittelgut.

„There are actors, and then there are actors who don’t drop characters until the DVD commentary“, so Sam Rockwell über Robert Downey Jr. In der Kategorie „Best Supporting Actor“ haben wir gleich zwei Schauspieler, die wir jahrelang nur mehr in Marvel-Filmen zu sehen bekommen haben; das ist jetzt vorbei. Und wie in jedem Kaffeesatz seit Film-Release zu lesen war, wird Robert Downey Jr. ausgezeichnet! Nach einenhalb Stunden der erste Oscar für „Oppenheimer“. „I’d like to thank my terrible childhood, the Academy - in that order.“ Den Oscar für Downey kann man nicht nur als Auszeichnung für seine Darstellung von Lewis Strauss sehen, sondern auch als einen Zwischendrin-„Lifetime Award“.

Apropos Zwischendrin-Lifetime: Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito tauchen überraschend auf, die waren nicht als Präsentatoren angekündigt, feiern eine „Twins“-Reunion und andere Gemeinsamkeiten - „we both tried to kill Batman“. Dann kommt vermutlich der schönste Oscar-Moment für Kollege Christian Fuchs: „Godzilla minus One“ wird für „Best Visual Effects“ ausgezeichnet und jeder aus dem Team hat einen kleinen Godzilla mit dabei! (Auch sehr toll: Die PreisträgerInnen hatten Schuhe, deren Absatz eine Godzilla-Kralle war!)

„This is the first Oscar in Ukrainian history“, „20 Days in Mariupol“ wird als „Best Documentary Feature“ ausgezeichnet. Regisseur Mstyslav Chernov ist nach Glazer der zweite, der politische Töne anschlägt, sich wünscht, er hätte den Oscar nicht bekommen, weil er den Film gar nicht hätte drehen müssen, wenn Russland nicht die Ukraine angegriffen hätte. Bizarrerweise setzt dann die instrumentale Version von „I’m just Ken“ ein. Tonal jetzt doch eine recht breite Grätsche.

Zendaya in einem Kleid mit schwarzen Palmen (gibt’s die nicht auch in „Dune“?) präsentiert „Best Cinematography“. Hoyte van Hoytema, der Mann mit dem schönen Namen, der immer ein bisschen so aussieht, als wäre er gerade aus einem Herr-der-Ringe-Land angereist, nimmt den Oscar entspannt und in Turnschuhen entgegen. Ein Highlight in Sachen Antiklimax: Wes Andersons Kurzfilm „The Wonderful World of Henry Sugar“ wird als „Best Action Short Film“ ausgezeichnet, aber ANDERSON IST NICHT DA. Dann kommen schon rotbehoste Kinder, die mit Becky G vor einem Ring of Fire „The Fire Inside“ aus „Flamin’ Hot“ singen. Ein Hauch Eurovision Song Contest.

UND DANN KOMMT ENDLICH JOHN MULANEY, der sich grad so Paul-Mescal-Wuckerlhaare wachen lässt, die immer unter den Ohren nach vorne zu kriechen versuchen, und macht herrliche Witze über Sound im Film und erzählt irrerweise den Plot von „Field of Dreams“ nach - und verdient und großartigerweise wird „The Zone of Interest“ ausgezeichnet! Ryan Gosling in einem pinken Anzug mit Glitzersteinen beginnt dann im Publikum „I’m just Ken“ zu singen, auf der Bühne ist Mark Ronson in einem weiten hellrosa Hemd und meine Damen und Herren, es folgt einer der größten und schönsten Oscar-Momente, eine nicht bis in die Fingerspitzen Perfektion suchende Aufführung des besten Songs, den uns das Kino letztes Jahr geschenkt hat. Gefühlt hunderte, vermutlich eher 60, Kens singen und tanzen mit, auch Kingsley-Ben Adir und Simu Liu und plötzlich steht da Slash! Die Kens tragen Ryan Gosling, dann geht er ins Publikum und Gerwig, Robbie und Emma Stone singen mit. „Barbie“ mag ohne Oscars nach Hause gehen, aber er ist definitiv der Crowdpleaser und der Herzensliebling. Wäre es 1995 und ich beim „Rolling Stone“, würd ich sagen: Die Menge tobt. Aber, es kommt, wie es zu vermuten war: Billie Eilish und Finneas O’Connell werden für „What Was I Made for“ mit einem Oscar ausgezeichnet - das ist der zweite Oscar für die beiden, die bereits für „No Time to Die“ ausgezeichnet worden sind.

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Der „In Memoriam“-Teil ist inszenatorisch immer ein schwieriger, dieses Jahr war’s ein bisschen viel: Eingeleitet wurde das ganze von einem Clip aus „Nawalny“, auf der Bühne gab es eine Ballett-Choreografie, ein Streichquartett und Andrea Bocelli und sein Sohn haben dann auch noch „Time to Say Goodbye“ gesungen. Die Montage mit den Verstorbenen war dann nie fernsehbildschirmfüllend zu sehen, sondern im Hintergrund.

Nicolas Cage, Brendan Fraser, Matthew McConaughey, Ben Kingsley und Forest Whitaker nehmen dann auf der Bühne Aufstellung, so als würden sie gleich ihre „Charmed“-Witchcraft-Fähigkeiten zeigen und halten kleine Lobesreden auf die Nominierten in der Kategorie „Best Actor“. Standing Ovations für Cillian Murphy. „I’d like to dedicate this to the peacemakers everywhere.“

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Der stets freundliche Steven Spielberg, der einige nicht so gute Witze im Laufe des Abends mit Kopfnicken und Thumbs Up mitgemacht hat, tritt zum Soundtrack von „Schindler’s List“ auf und überreicht Christopher Nolan den Oscar für „Best Director“. Die einzige Schauspiel-Kategorie, in der das Rennen noch offen war, ist taktisch klug fast am Ende platziert. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Lily Gladstone und Emma Stone - und Emma Stone wird für ihre Darstellung der Bella Baxter in „Poor Things“ ausgezeichnet, sie ist sichtlich überrascht und schnappatmet sich auf die Bühne, um als Erstes mitzuteilen, dass ihr Kleid kaputt ist. Sie packt dann auch noch eine Taylor Swift-Referenz in ihre Rede, als sie sich an ihre kleine Tochter wendet und meint „I love you bigger than the whole sky“. Das ist der zweite Oscar für Emma Stone, sie ist bereits für „La La Land“ als „Best Actress“ ausgezeichnet worden. Nach einer der lebendigsten Reden kommt Al Pacino zum Soundtrack zu „Der Pate“, die Krawatte ist locker gebunden, und mit den doch originellen Worten „My eyes see Oppenheimer“ geht jetzt auch „Best Picture“ an Christopher Nolans Annäherung an Robert Oppenheimer. Die Oppenhomies inklusive Josh Hartnett und Florence Pugh erklimmen gut gelaunt die Bühne, Emma Stone bedankt sich und Hoyte van Hoytema packt ein knallpinkes (Barbie!) iPhone aus und macht Fotos.

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Kimmel hat zuvor einen Trump-Witz aus den letzten Jahren recyclet, wir sehen noch den Messi-Hund, wie er auf den Hollywood-Stern von Matt Damon macht. Ein weiteres Kapitel im auch schon recht langen Fake-Feud zwischen Kimmel und Damon.

Was bleibt also übrig von den Oscars 2024?

Sieben Oscars für „Oppenheimer“, vier für „Poor Things“, zwei für „The Zone of Interest“, viel Liebe in der Show für „Barbie“, eine sensationelle Aufführung von „I’m just Ken“, viele tränenreiche Augen, wenig wirklich umwerfende Reden und die größte Überraschung war neben Slash (darauf hätte wohl eher niemand Geld gewettet) der recht skurril-charmante Auftritt von Schwarzenegger und DeVito. Dass „Saltburn“ nicht mal mit einem Witz in einem Nebensatz bedacht worden ist, ist schade. Ansonsten: Bitte lasst Mulaney nächstes Jahr die Oscars moderieren!

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