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Der Roman "Leming" von Murmel Clausen

Voland & Quist

Murmel Clausens Roman „Leming“ - Eine humorvolle Annäherung an das Thema Suizid

Drei Freund:innen schließen online einen Pakt: Sie wollen zusammen in einen ungarischen Vulkan springen. Im neuen Roman „Leming“ von Murmel Clausen mündet diese lebensverneinende Idee in einen berührend-amüsanten Roadtrip.

Von Christian Pausch

Hilfe im Krisenfall

Hilfe für Kinder und Jugendliche: 147 (Rat Auf Draht)

Österreichische Telefonseelsorge: 142

Online via Chat und E-Mail unter: telefonseelsorge.at

Bevor der Roman losgeht, findet man in Murmel Clausens Buch zwei QR-Codes für die deutsche und die internationale Telefonseelsorge. „Wenn sich jemand in einer scheinbar ausweglosen Situation befindet, ist es wichtig darüber zu sprechen“, schreibt der Autor auf dieser, der Geschichte vorangestellten, Seite. Und das ist nicht nur gut gemeint, sondern eine wichtige Botschaft, denn in „Leming“ geht es um das Thema Suizid.

Murmel Clausen kennt man eigentlich als Gag-Schreiber. Er hat zusammen mit Michael „Bully“ Herbig „Der Schuh des Manitu“ geschrieben und hat jede Menge Witze zu deutschen Erfolgsshows wie „Die Bullyparade“ oder „Ladykracher“ von Anke Engelke beigesteuert. So verwundert es nicht, dass auch der vorliegende Roman, trotz des selbstzerstörerischen Überthemas, mit jeder Menge Witz aufwartet. Dass sich das hervorragend ausgeht, ist das Kunststück, das Murmel Clausen hier vollbringt.

Drei Teenager:innen auf Roadtrip

In einem Suizid-Forum im Internet lernen sich Kolja, Verena und Reinhold kennen und schließen einen Pakt: Sie wollen ihre Leben gemeinsam beenden und zwar auf dramatisch-spektakuläre Weise durch einen Sprung in den erloschenen ungarischen Vulkan Hegyestű. Bleibt nur noch eine Hürde, denn da müssen sie erstmal hinkommen. Also starten die drei ungleichen Teenager:innen einen Roadtrip nach Ungarn.

Die ganze Zeit lief grauenhafter Deutschrock, was für mich stimmungsmäßig jetzt nicht so der Bringer war.

"Leming" Roman

Voland & Quist

„Leming“ von Murmel Clausen ist beim Verlag Voland & Quist erschienen.

Aus der Sicht des Ich-Erzählers Kolja begleiten wir die drei auf ihrer vermeintlich letzten Reise. Doch Kolja hat ein Geheimnis vor den beiden anderen. Sein Ziel ist es, zu verhindern, dass Verena und Reinhold springen. Also unternimmt Kolja im Laufe der Geschichte so einige holprig-komische Versuche, um seine Freund:innen davon zu überzeugen, wie schön die Welt doch ist. Nach und nach erfährt Kolja allerdings mehr über seine Internet-Bekanntschaften und zweifelt daran, dass er den geplanten Suizid stoppen kann:

Ich saß da auf meinem Plastikstuhl und fragte mich, was ich hier eigentlich wollte. Genauer gesagt, warum ich mir einbildete, meinen beiden Freunden neuen Lebensmut schenken zu können. Meine Kindheit in Frankfurt war im Vergleich zu allem, was ich inzwischen von ihnen wusste, das reinste Paradies gewesen. Sie waren die Trümmerkinder, ich das fette Baby im Bällebad.

Was alle drei Protagonist:innen mit ihrem Autor gemeinsam haben ist ein Gefühl für Sprache. Und so sind es vor allem die Wortwitze und Wortspielereien, die diesem Roman und seinem schweren Thema eine wunderbare Leichtigkeit verleihen. Manchmal vergisst man zwischen Partys am Ballaton, wilden Autofahrten und peinlichen Flirtversuchen sogar, warum die drei eigentlich unterwegs sind; bis sich das Thema Tod wieder hineinschleicht in die Gedanken der Jugendlichen und in die Zeilen des Romans.

Wenn ich jetzt eine Sternschnuppe sähe, würde alles gut werden. Kam natürlich keine.

Murmel Clausen ist hier ein genauso berührender, wie lustiger und im besten Sinne unkomplizierter Roman gelungen, der uns Leser:innen noch lange nach der letzten Seite begleitet. Wer „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf geliebt hat, wird auch „Leming“ ins Herz schließen. Und ja, Lemming schreibt man eigentlich mit zwei M, warum das im Buchtitel nicht so ist, hat natürlich auch mit dem fantastischen Sprachwitz der Hauptfiguren und ihres Autors zu tun.

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