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Von der Wut in den Mut finden mit Edith Löhles „Bible Bad Ass“

Ein popkultureller Roman über die unsichtbaren weiblichen Figuren der Bibel sollte es werden. Mit „Bible Bad Ass“ hat Edith Löhle dieses Ziel nicht nur erreicht, sondern eröffnet eine neue Diskussion über ein durchgekautes, aber unverdautes Abendmahl.

Von Alica Ouschan

Mit 19 hat Edith Löhle bei einer Talentsuche ein Praktikum bei der BRAVO gewonnen und dort ihre journalistische Karriere gestartet. Nach über zehn Jahren bei diversen Lifestyle Magazinen und jahrelanger Recherche hat sie jetzt ihren ersten Roman veröffentlicht. Mit „Bible Bad Ass“ traut sie sich an ein Thema heran, das unsexier nicht wirken könnte und verleiht einer Diskussion popkulturelle Relevanz, die in aufgeklärten, feministischen Kreisen gerne unter den Teppich gekehrt wird.

Buchcover "Bible Bad Ass"

Leykam Verlag

„Bible Bad Ass“ von Edith Löhle ist bei Leykam erschienen.

Zugegeben: Hätte das Buch mich nicht mit seiner hübschen Ästhetik inklusive barockem Engel-Farbschnitt und Uterus-Rosenkranz bestochen - ich persönlich hätte es wohl nicht in die Hand genommen. Denn schließlich bin ich wie alle in meinem Umfeld schon lange aus der Kirche ausgetreten und habe mit diesem Männerverein nichts mehr am Hut. Würde ja auch nicht zu meiner feministischen Wertewelt passen. Die erste große Überraschung für mich: Der Protagonistin in Edith Löhles Roman geht es genau wie mir.

Auch für Edith Löhle war es der ausschlaggebende Grund, dieses Buch zu schreiben, wie sie im FM4 Interview erzählt: „Die Institution Kirche ist ein Big Player im Patriarchat, eines der großen Themen, die mich antreiben. Ich wollte die Glaubensfrage nicht einfach so abtun, wie es in der feministischen Bubble naheliegend ist. Ich wollte tiefer forschen und herausfinden, ob da nicht doch etwas ist, was für mich ein Handreichen oder ein Rächen der Geschichte ist.“ Ungehörten Gehör zu verschaffen und Unsichtbares sichtbar zu machen - als Journalistin und jetzt auch als Autorin: „Die Hauptfigur [in Bible Bad Ass] lehnt Religion und - in ihrem Fall - die katholische Kirche für sich ab, weil sie dort keine Identifikation, keinen Raum für sich als Frau gefunden hat.“

5000 Jahre Feminismus

Klara führt die typischen immergleichen Diskussionen, erlebt Alltagssexismus und Diskriminierung und ist jederzeit bereit, in jeglicher Situation mit voller Breitseite loszuschießen. Ihr ununterbrochener Kampf gegen Ungerechtigkeit treibt sie an den Rand eines feministischen Burn-Outs. Die Wut darüber, in einer Welt zu leben, in der man gefühlt in jeder Sekunde gegen Windmühlen kämpft, ist ihr und mir und so vielen anderen Feminist:innen nicht fremd. Gleichzeitig will man aber auch nicht darauf vergessen, die eigenen Privilegien zu reflektieren und anerkennen, dass man es im Vergleich zu vielen anderen eh ganz gut erwischt hat - „first world problems“ und ähnliche Phrasendrescherei setzt Edith Löhle in ihrem ersten Roman gekonnt ein, um ihre Figuren nahbar zu machen. Sie enttarnt und benennt Gedankenspiralen und Argumentationsketten, die wir uns antrainiert haben.

Die Protagonistin Klara lebt also ständig in ihrer Wut, die sie einerseits handlungsfähig macht, sie aber auch lähmt und auslaugt. Als sie sich aufgrund ihres Jobs als Journalistin mit Feminismus und Kirche auseinandersetzt, passiert etwas, das sich anfangs anfühlt wie die nächste große Verschwörung auf Social Media. Klara findet sich in einer Whatsapp Gruppe mit Bibelfiguren wieder: Maria Magdalena, Lilith, Edith, Marta, Ruth... Historische Figuren, die in den meisten unserer Köpfe nur als „Frau von“ existieren. Es beginnt eine Geschichte der Aufklärung, die Bibel wird knallhart auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft - es wird darüber reflektiert, wessen Geschichten erzählt und welche warum bewusst ausgelassen wurden:

„Durch die Geschichten von den ‚verunglimpften‘ Frauen merkt Klara, dass da doch ganz schön viel da ist, wodurch sie sich inspiriert fühlt und Mut bekommt.“

Übersetzungsfehler und anderer Irrglaube

Dass der gesamte Jungfrauen-Kult auf einem Übersetzungsfehler basiert (im Originaltext war lediglich von einer jungen Frau, keiner Jungfrau die Rede) oder dass das „Vater Unser“ im aramäischen Original geschlechtsneutral formuliert wurde, sind nur ein paar Beispiele für die neuen Fakten, die Edith Löhles „Bible Bad Ass“-Figuren vermitteln. Wissen, das man vielleicht gern im Religionsunterricht gelernt hätte, um nicht eine solch ausgeprägte Abneigung gegen Glauben an sich zu entwickeln. Eine Abneigung, die sich wie im Falle der Protagonistin als Angst entpuppt. Nämlich als Angst davor, was passiert, wenn da doch etwas dabei ist, dem man etwas abgewinnen kann.

Das Buch ist kein Bekehrungsversuch - auch Klaras neuer Bibelklub versucht nicht, sie zum Glauben zu führen. Im Gegenteil: „Ich möchte mit diesem Buch auf keinen Fall Glaubensinfluencerin sein“, sagt Edith Löhle. „Klara lernt: Wenn sie an etwas Göttliches glauben will, dann gerne an die Göttlichkeit in sich selbst.“ Gerade wenn es um ein solch aufgeladenes Thema wie Glauben, Christentum und Kirche geht, fühlt es sich durchaus richtig an, den einen oder anderen obligatorischen Kalenderspruch nicht auszulassen: „Wenn ich über die Protagonistin rede, traue ich mich, pathetisch zu klingen“. Auf die Frage, was Löhle und ihre Erzählerin durch dieses Buch gelernt haben, sagt sie: „Wie man es schafft, von der Wut in den Mut zu kommen.“

Schicksalshafte Reaktionen

In Apokryphen schmökern, mit Theolog:innen sprechen, sich in Esoterik-Foren rumtreiben und nach Südfrankreich reisen, um in der Grotte La Madeleine zu erfahren, wie dort die Geschichte von Maria Magdalena erzählt wird. Fünf Jahre lang hat Edith Löhle für „Bible Bad Ass“ recherchiert: „Es gibt unfassbar viel Literatur zu den unsichtbaren Frauen in der Bibel, sowohl im historisch-wissenschaftlichen Bereich, als auch in der Esoterik. Ich habe viele Bücher dazu gelesen, aber was ich nicht gefunden habe, war ein popkultureller Zugang. Und ich merke: Dieser ermöglicht es, diese Fakten, Quellen und Gefühle viel mehr Menschen nahe zu bringen. Deshalb ist es eine Romanform geworden, die an vielen Stellen pathetisch und überschwänglich ist.“

„Heul-Lach-Emoji von Maria. Die heilige Mutter Gottes verschickt Heul-Lach-Emojis. Und ich fühle mich wie das, dessen Kopf explodiert.“ (aus „Bible Bad Ass“)

Der Pathos, an den richtigen Stellen stilistisch unterstützt mit Songzitaten bekannter Popsongs, ist oftmals Ausgleich für die Menge an neuen Informationen und das Polarisierungspotential des Inhalts: „Ich hatte großen Respekt davor, was das Buch auslösen kann. Dass ich einen esoterischen Stempel aufgedrückt bekomme oder religiöse Gefühle verletzte. Religion ist ein emotionales Thema, genauso wie Feminismus und ich greife in beides so richtig tief hinein.“

Edith Löhle holt mit „Bible Bad Ass“ einerseits die Zielgruppe ab, mit der sie gerechnet hat, andererseits geht die Begeisterung für ihr Debüt weit darüber hinaus: „Ich dachte, es ist eine feministische Bubble, die das Buch feiern wird und wahrscheinlich hauptsächlich Frauen zwischen 20 und 40. Ich werde gerade eines besseren belehrt, weil es so viele unterschiedliche Leute erreicht, die ich Anfangs nicht mitgedacht habe.“ Damit ist sie der Institution Kirche jedenfalls einen großen Schritt voraus.

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