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Vom „Pflegenotstand“ zur „Care Revolution“

Der Protest von ArbeiterInnen im Pflege- und Gesundheitsbereich wird immer lauter. Sie fordern nicht nur mehr Personal, sondern eine „Care Revolution“. Was hat es damit auf sich?

von Ali Cem Deniz

Anfang Mai hat die Volksanwaltschaft scharfe Kritik an den Zuständen in Alten- und Pflegeheimen geübt. Massive Mängel, krasse Menschenrechtsverletzungen und strukturelle Gewalt. So lauten die Vorwürfe von Volksanwalt Günther Kräuter. Eine ExpertInnen-Kommission hat österreichweit Einrichtungen unangekündigt besucht. Besonders gravierende Mängel haben sie in der Betreuung von Menschen mit Demenz entdeckt.

Die Kritik der Volksanwaltschaft kommt für viele, die im Pflegebereich arbeiten, nicht überraschend. Sie warnen schon seit langem vor Personalmangel und niedrigen Qualitätsstandards.

Schlagwort und Bewegung

Die Probleme im Pflege- und Gesundheitswesen sind nicht nur in Österreich bekannt. Eine breite Öffentlichkeit hat in Deutschland das Konzept der „Care Revolution“ erreicht. In ihrem Buch „Care Revolution. Schritte in eine solidarische Gesellschaft“ untersucht die Sozialwissenschafterin Gabriele Winker die Zustände der sogenannten „Sorge-Arbeit“. Die Pflege ist für sie nur ein Teil der Sorge-Arbeit. Dazu gehören auch Beratung, Erziehung, Betreuung und zwischenmenschliche Beziehungen. Tätigkeiten, die nicht mit der Logik der Profitmaximierung vereinbar sind, so Winker. Deshalb fordert sie einen Perspektivenwechsel, der die menschlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt.

Demo von PflegerInnen

APA/HERBERT PFARRHOFER

Demo am „Internationalen Tag der Pflege“

Inzwischen wird der Begriff „Care Revolution“ von tatsächlich politisch aktiven Gruppen genutzt. Die Plattform „Care Revolution Wien“ macht unabhängig von den Gewerkschaften auf die Forderungen der Pflege-ArbeiterInnen aufmerksam. „Für mich persönlich hat der Begriff damit zu tun, unsere Arbeitsverhältnisse und damit auch die Situationen jener, für die wir sorgen, zu verbessern“, sagt Tobias von Care Revolution Wien. Er arbeitet seit sechs Jahren in einem Wiener Krankenhaus. In dieser Zeit hat er eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bemerkt.

Ständiger Zeitdruck

In der Theorie gibt es für jeden Patienten einen klar definierten Pflegeprozess, der aus unterschiedlichen Schritten besteht. „Doch in der Praxis schaut es anders aus, weil Zeit in unserem Beruf eine Mangelware ist“, sagt Tobias. Die Aufgabenbereiche und Kompetenzen von ÄrztInnen, Pflege-ArbeiterInnen und anderem Personal würden dadurch immer unklarer. Immer mehr KrankenpflegerInnen müssten zum Beispiel Blut abnehmen, um die ÄrztInnen zu entlasten. Das ist zwar gesetzlich seit längerem erlaubt, aber in der Praxis führe das dazu, dass die PflegerInnen selbst wiederum Tätigkeiten delegieren müssten, weil ihnen nicht genug Zeit bleibt.

Am 12. Mai, dem „Internationalen Tag der Pflege“, sind in Wien rund tausend Pflege-ArbeiterInnen für einheitliche Mindeststandards und mehr Personal auf die Straßen gegangen.

FM4 Auf Laut: Care Revolution

Warum wird die Arbeit in Kranken- und Pflege-Einrichtungen so wenig wertgeschätzt und so gering bezahlt? Was bedeutet es, das Zuwendungsarbeit, so genannte Care-Arbeit vielfach in den privaten Bereich bzw. in die Schattenwirtschaft (zurück-)verlagert wird? Und was hat Empathie mit Effizienz zu tun?

Die FM4 Diskussion über „Pflegenotstand und Care Revolution“ mit Lukas Tagwerker.

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