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Filmstill aus "Die Migrantigen"

Golden Girls Filmproduktion

Ausländer sein ist wie Hollywood!

Irgendwas mit Migrationshintergrund? Nein, Arman T. Riahis „Die Migrantigen“ ist die lustigste österreichische Komödie (ohne Hader in der Hauptrolle) seit Langem. Gescheit und mit Liebe zum Detail.

Von Jan Hestmann

Willkommen in Rudolfsgrund, einem fiktiven Multikulti-Viertel mitten in Wien. Die Aufwertung des Grätzels ist voll im Gang, dichtes Gewusel zwischen den Obst- und Gemüseständen am Markt. Mitten in der Menge ein Fernsehteam auf der Suche nach dem ultimativen Culture Clash, einem saftigen Aufreger für die Quote.

Die Antworten der Passanten und Marktstandler auf den zunehmenden Ausländeranteil sind aber ernüchternd friedfertig: Begeisterung da („toller Flair“), ein wenig diplomatischer Wiener Grant dort („es gibt suichane und suichane“). Unterm Strich alles recht versöhnlich und die große Aufreger-Story in weiter Ferne, als sie schließlich auf Omar und Tito treffen, kleinkriminelle Prolos mit Migrationshintergrund, wie fürs Fernsehen geschaffen.

Hauptdarsteller des Films "Die Migrantigen"

Golden Girls Filmproduktion

Faris Rahoma (li.) als Benny aka Omar und Aleksandar Petrovic als Marko aka Tito

Was die Leut vom Fernsehen nicht wissen: Omar und Tito sind in Wirklichkeit Benny und Marko, zwei waschechte Wiener Bobos, der eine erfolgloser Schauspieler, der andere erfolgloser Werbedesigner. Sogenannten Migrationshintergrund haben sie tatsächlich, der ist nach außen hin aber maximal an Bennys Haarfarbe zu vermuten. Das Aufeinandertreffen mit dem Fernsehteam erkennen sie als Chance, ihre Karriere anzukurbeln und täuschen die gesuchten Klischee-Ausländer fortan vor. Schon sind sie für die Reality-Serie angeheuert.

Was macht man so als Ausländer?

Das Problem ist bloß, Benny und Marko sind dermaßen gut „integriert“, dass sie gar keine Ahnung davon haben, was Ausländer eigentlich so den ganzen Tag machen. Und als ihnen selbst keine Klischees mehr einfallen, gehen sie zu Recherchezwecken auf die Straße, wo sie auf Juwel treffen - in ihren Augen ein echter Vorzeige-Ausländer - und fortan ihr Lehrmeister in Sachen Street Credibility.

Gemeinsam mit den Hauptdarstellern Faris Rahoma und Aleksandar Petrovic hat Regisseur Arman T. Riahi (bekannt geworden unter anderem für die Nazar-Doku „Schwarzkopf“) das Drehbuch geschrieben. Alle drei gehören zu jenen, denen hierzulande gemeinhin Migrationshintergrund zugeordnet wird. Auf die Frage, wie er die Recherche für den Film angelegt hat, antwortet Riahi im Interview: „Ich habe die letzten 35 Jahre meines Lebens recherchiert. Dabei ist viel Material zusammengekommen. Humor, Lebensgefühl, kleine Anekdoten, Feinheiten, die in das Drehbuch eingewoben worden sind.“

Wie in Hollywood! Nutten, Kokain,... du hast alles, weißt du. Als Ausländer ist dir nie langweilig!

Und genau diese eingewobenen Beobachtungen sind es auch, die den Film auszeichnen. „Die Migrantigen“ ist eben nicht nur irgendeine Komödie mit platten Ausländergags und Holzhammer-Pointen. Natürlich werden hier ordentlich Klischees ausgeschlachtet, aber das muss auch so sein. Denn es wird mit so viel Liebe fürs Detail und so viel Doppelbödigkeit gemacht, dass wir nur applaudieren können. Auch wenn wir einstecken müssen: So lautet eine der vielen Lektionen über den Parade-Ausländer im Film, dass er, im Gegensatz zum Bobo, niemals FM4 hören würde. Bitter.

Die Charaktere wirken authentisch (abgesehen von den stark überzeichneten „nicht-migrantischen“ Nebenfiguren), was nicht zuletzt an einem Spitzen-Cast liegt, und ausgerechnet Randfiguren wie Juwel sind es, die am Ende als eigentliche Titelhelden strahlen. Wobei man schon auch bemerken muss, dass „Die Migrantigen“ ein Buben-Film ist. Migrantinnen kommen hier keine vor, vom Putzpersonal der Bobos abgesehen.

Filmstills aus dem Film "Die Migrantigen"

Golden Girls Filmproduktion

Benny mit Markos Vater Herr Bilic in dessen Gemeindebauwohnung

Trotz der Doppelbödigkeit und Smartness funktioniert der Film als locker-leichte Komödie, die keinen Zeigefinger heben, sondern in allererster Linie gut unterhalten will. Und das geht auf. Der große Humor in „Die Migrantigen“ besteht schließlich darin, dass nie versucht wird, bestimmte migrantische Gruppen überzeichnet filmisch abzubilden (anders als bei der Fernsehreporterin, die tatsächlich eindimensional bleibt), sondern stattdessen die Vorstellungen aller Beteiligten, ob migrantisch oder nicht, über jene Gruppen darzustellen. Und das erweist sich als der unendlich witzigere Ansatz. Kurz gesagt: Mario-Barth-Humor auf die Metaebene gehoben.

Und so antwortet Juwel auch einmal im Film auf Bennys Frage „Was macht man so als Ausländer?“ mit: „Wie in Hollywood! Nutten, Kokain,... du hast alles“. Am Ende ist es also wirklich wie in Hollywood: Alle spielen den echten Ausländer, niemand ist der echte Ausländer. Das liegt natürlich daran, dass für Riahi Begriffe wie „Ausländer“ oder „Migrationshintergrund“ in einer Großstadt wie Wien gänzlich und schon längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. Das ist gut so. Und die Selbstverständlichkeit, mit der der Film das rüberbringt, macht ihn aus.

Abgesehen davon ist „Die Migrantigen“ eben vor allem ein sehr lustiger Film. Überhaupt der lustigste Film aus Österreich seit Langem, der nicht Josef Hader in der Hauptrolle hat (wenngleich der auch zumindest in einer Nebenrolle brilliert, ganz ohne geht ja nicht, oder?).

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