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Kurz Vile und Courtney Barnett

Danny Cohen

With a Little Help From My Friends

Ein wohliger Wind: „Lotta Sea Lice“, das gemeinsame Album von Courtney Barnett und Kurt Vile.

von Philipp L’heritier

Das ist eine Platte wie die weichen Sonnenstrahlen, die einen für ein spätes Frühstück unter der Decke hervorlocken. Man muss noch gar nicht, aber man will schon ein bisschen.

Der Himmel ist pastell, der Teekessel singt süß, jetzt Croissants und die guten Eier. Danach auf der Veranda den Wolken beim Vorbeiziehen zusehen und schöne Dinge denken.

„Lotta Sea Lice“ von Courtney Barnett und Kurt Vile sucht keine große Revolution und keinen Skandal, es ist ein Album über Intimität, Zuneigung, Vertrauen und die flauschige Kuschelhand.

Ewig, ewig hat es gedauert bis diese Gemeinschaftsproduktion der australischen Musikerin Courtney Barnett und dem immer gut vernebelt aus der Wäsche schauenden Zottelboy Kurt Vile aus Philadelphia fertig geworden ist. Die beiden haben erfolgreiche Solo-Karrieren, sind getrennt voneinander dauernd auf Achse und kümmern sich um die Familie.

Sie haben sich auch Zeit gelassen mit „Lotta Sea Lice“, das hört man, aber eben nicht in pompösem Studiowahn oder enormer Anstrengung, sondern in der Gelassenheit, der Ruhe, der wohligen Nachmittagsmüdigkeit, die diese Platte verströmt.

Around the World

Wie es so geht, sind sich Barnett und Vile vor Jahren irgendwann einmal in irgendeinem Backstage-Bereich zufällig in die Arme gestolpert und haben sich sogleich die Verehrung des musikalischen Werks des jeweils anderen gestanden. Und auch so hat man sich gut verstanden.

Den Plan zur gemeinsamen Platte haben die beiden bewusst weitläufig und offen gehalten, eine Platte ohne Stress und Mühe sollte es werden, eine Platte von und für zwei Menschen. Das ist „Lotta Sea Lice“ auch geworden.

An da und dort zusammengestückelten acht Tagen, auf gut 15 Monate verteilt, haben sich Barnett und Vile im Studio zusammengefunden und ein Album aufgenommen, das ganz ohne Schweiß aus dem Karohemd gepurzelt scheint.

Ein Album, das sich kaum aus dem üblichen Arbeitsfeld der zwei bewegt, eine Sammlung von Stücken, nett aneinandergetackert, ein Flickenteppich kleiner Preziosen, eine Art fiktive B-Seiten-Collection voll wunderlicher Stücke, die für den Ausschusskorb viel zu gut wären.

Kurz Vile und Courtney Barnett

Danny Cohen

Neue Chemie

Man muss sich von „Lotta Sea Lice“ nichts Neues erwarten, aus der Chemie und dem subtilen Magnetismus zwischen Courtney Barnett und Kurt Vile entsteht dann doch große Anziehungskraft.

Kurt Vile kennt man schon einige sehr gute Alben und EPs lang als freundlich vernuschelten Freund der alten Meister des klassischen Rock-Erzählertums: Bob Dylan, Neil Young, Bruce Springsteen. Dazu schmeißt er spinnerte 70er-Psychedelik und luftigen Wald-und Wiesenfolk in den Topf. Bei Courtney Barnett liegen viele Vorlieben ähnlich, sie dreht die ganze Angelegenheit dabei gerne Richtung krachigem 90er-Gitarrenrock.

Beide mischen in ihren Texten kleine Alltags- und Tagebuch-Poesie mit assoziativen, symbolhaften Bildern. Nachdem man „Lotta Sea Lice“ von Courtney Barnett und Kurt Vile gehört hat, muss man sich fragen, wo denn diese gemeinsame Platte so lange gesteckt hat.

Alles fügt sich: Es gibt Folkrock und Blues, mal ein bisschen Country und voller Elegie aus dem Instrument genudelte Gitarrensoli. Mal übernimmt Barnett die Leadstimme, dann wieder steht Vile im Zentrum. Die Stimmen ergänzen sich, testen einander aus - wobei freilich alle zwei eher Sänger im Stile des sympathisch-verkühlten Krächz-Habitus sind. Alles ist brüchig, es hält zusammen, delikat.

Gemeinsam einsam

Und wieder singen hier Barnett und Vile Lieder vom Privaten, oft vom gemeinsamen Privaten: die Einsamkeit des Künstlers auf Tour, der goldene Hafen der Familie. Über den Globus versprengte Freundschaften, die man nur vage pflegen kann – und manchmal bloß auch nur das will. Das ist nicht traurig, lässt vielmehr den Moment der Zusammenkunft, wenn er denn stattfindet, viel heller leuchten.

Barnett und Vile schreiben Lieder übers Liederschreiben, alleine, gemeinsam. Sie schreiben Lieder über Frühstück mit geliebten Menschen. „Lotta Sea Lice“ enthält eine Coverversion eines bereits veröffentlichten Stückes von Kurt Vile und eines von Courtney Barnett – hier wird die gegenseitige Wertschätzung demonstriert und es ist richtig so und es wärmt.

Am Ende der Platte steht ein Cover eines Songs der großen, von Tanya Donelly geleiteten 90er-Heldinnen Belly: „Untogether“ heißt das Lied. „Untogether“, das ist ein richtiger Titel. Hier umarmen sich Trennung, Verblassen, Erinnerung an die Einheit, der Geist der gegenseitigen Berührung ist noch am Leben. Hier ist Verschmelzen und Umspielen von zwei Menschen, die sich verstanden haben. Ein kleines Glück.

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