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20.11.17 FM4 Schnitzelbeats- "Trip"

Digatone

FM4 Schnitzelbeats

FM4 Schnitzelbeats – „Trip“

1971, als der ORF – unter dem Einfluss von „Hair“ – tatsächlich ein psychedelisches Hippie-Musical in Auftrag gegeben hat.

Von Al Bird Sputnik

Wir widmen uns heute einem aufsehenerregenden, letztlich völlig vergessenen Höhepunkt heimischer Fernsehgeschichte und seinem begleitenden Soundtrack. Basierend auf einem Stück von Silke Schwinger entstand im Jahr 1971 innerhalb weniger Drehtage der revolutionär anmutende TV-Spielfilm „Trip“, der am 8. August im Nachtprogramm des ORF auf Sendung ging – und danach sang- und klanglos in den Archiven verschwand.

20.11.17 FM4 Schnitzelbeats- "Trip"

ORF

Der Plot des Filmes ist simpel und gut: Ein selbsternannter Messias, der charismatische Prediger Ronny Nia kommt für 10 Tage nach Wien, um hier die universelle Liebe Gottes zu verkünden. Bereits bei seiner Ankunft am Flughafen erwarten ihn und seine Entourage eine euphorische Teenager-Fanschar sowie ein lokales Presseaufgebot. Unvergesslich bleibt der junge Peter Rapp als interviewführender – und sichtlich irritierter – TV-Reporter. Drumherum: Fernsehkameras, Autogrammjäger, Blumenkinder, Polizei.

Gespickt mit einem hochkarätigen Ensemble deutschsprachiger BühnendarstellerInnen damaliger Tage (etwa Julia Migenes, Su Kramer und Ron Williams), begleitet der „Trip“ eine Gruppe junger Hippies, die sich rasch um den prominenten Gast gebildet hat, bei ihren Ausschweifungen, von einem Underground-Happening zum nächsten. Es wird ausgelassen gefeiert, getanzt und gesungen. Und ja, Drogen sind wohl auch im Spiel.

Doch es kommt, wie es wohl kommen muss: Nach der anfänglichen Ekstase folgen Abstürze, Ernüchterung und Depression. Als ein Mitglied der Gang an einer Überdosis stirbt, kippt die Stimmung. Und da auch Religionsführer Ron essentielle Antworten schuldig bleibt, bricht die Gruppe schließlich auseinander. Das Narrativ des „Trip“ verzichtet dabei bemerkenswerterweise auf den gehobenen, moralischen Zeigefinger und steuert indes auf ein offenes, impulsives Ende zu.

Jörg Eggers mit Maler Fuchs.

Digatone

Die experimentelle Machart des Films, für die Regisseur Jörg Eggers verantwortlich zeichnete, ist für damalige Sehgewohnheiten bahnbrechend. Auf minutenlange Szenen aus einer einzigen Einstellung folgen halluzinogene Albtraumsequenzen mit psychedelischen Überblendungen und temporeichen Schnitt-Abfolgen; eine Ästhetik, die streckenweise an die Arbeiten des US-amerikanischen Underground-Filmers Kenneth Anger erinnert. Ein eigens vom Maler Ernst Fuchs entworfenes Bühnenbild tut sein übriges.

Die mediale Rezension in Österreich, die mit der Erstausstrahlung des Filmes einherging, fiel hingegen verhalten aus. Anscheinend konnten sich weder das heimische Publikum noch Kritiker einen Reim auf das Gezeigte machen. Der Film verschwand daraufhin wieder in der Versenkung und in den Archiven des ORF. Der Soundtrack des Filmes, der beim deutschen Majorlabel Telefunken kurze Zeit später als Langspielplatte erschien, entwickelte sich aber über die Jahre zu einem gesuchten Kultobjekt. Mittlerweile erzielt die gleichnamige „Trip“-LP Sammler-Preise in dreistelliger Höhe.

20.11.17 FM4 Schnitzelbeats- "Trip"

Digatone

Der Innsbrucker Kulturverein Digatone hat den seltenen Soundtrack nun ausgegraben und macht die Musik aus dem Film als liebevoll gemachtes Reissue wieder zugänglich. Ein starkes Geschütz: Unter der Leitung der Wiener Jazz-Legende Fatty George wirkt die Besetzung des „Trip“-Filmmusik-Orchesters auf Spätgeborene wie ein kleines Who-is-who heimischer Unterhaltungsmusik der frühen 1970er-Jahre: In Fattys Band wirkten einige spätere Superstars, etwa Karl Ratzer, Peter Wolf, Richard Schoenherz und Leszek Zadlo, die anno 1971 jeweils noch am Anfang ihrer Karriere standen. Erweitert wurde das illustre Kollektiv noch um namhafte Jazzer aus dem Umfeld der ORF Big Band. Und peng! Der „Trip“-Soundtrack ist ein Meisterwerk des heimischen Souljazz und zudem ein bedeutendes Stück heimischer Pop- und Subkulturgeschichte.

Und wer weiß? Vielleicht haben wir ja doch noch einmal die Gelegenheit, diesen Film auch wieder im Fernsehen zu sehen.

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