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Jubel beim Coachella Auftritt von Beyoncé

Kyle Grillot/AFP

Was Beyoncé(s Auftritt) so besonders macht

Mit einem Jahr Verspätung erstürmt Beyoncé die Coachella-Bühne und inszeniert als erste schwarze Headlinerin den größten Auftritt, den das Festival je gesehen hat.

Von Dalia Ahmed

Im Zuge ihres bombastischen 1 Stunde 45 Minuten-Sets erzählt uns Beyoncé, dass sie eigentlich schon letztes Jahr bei Coachella hätte auftreten sollen, aber dann mit ihren Zwillingen schwanger wurde und in der Karenz diese Performance „erträumte“. Eine Performance, in der Beyoncé als Bandleaderin einer HBCU (Historically Black Colleges and Universities) Marching Band auftritt und einen Pulk an afroamerikanischen MusikerInnen und TänzerInnen anführt.

Beyoncés Coachella-Auftritt ist als „Homecoming“-Parade einer historisch afroamerikanischen Universität inszeniert. Also eine Parade, bei der die Blechblasinstrumente dröhnen, die Drumline trommelt, die Majorettes tanzen und die afroamerikanischen StudentInnen den Spirit ihrer Colleges im Chor hochleben lassen.

Von diesem Paradebeispiel der „Black Excellence“ inspiriert, hat sich Beyoncé vor einem mehrheitlich weißen Publikum, das die horrenden Coachella-Ticketpreise bezahlen kann, kompromisslos als schwarze Amerikanerin - und konkret Texanerin - präsentiert.

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Schon der Start der Show war ein Erlebnis für sich. Beyoncé - im handgefertigten, mit dem Abbild Nofretetes bestickten Balmain-Cape - geht als Bandleaderin die Bühne entlang, an Tänzerinnen im Tutanchamun-Body vorbei. Und dann steht sie plötzlich ganz oben auf der Tribüne. Eine Tribüne, die denen auf den Sportplätzen der HBCU-Institutionen und anderen amerikanischen Unis nachempfunden ist. Sie trägt einen gelben Hoodie (ebenfalls von Olivier Rousteing entworfen) mit glitzernden, griechischen Buchstaben drauf. Ein Hoodie, der auf die afroamerikanischen Studentenverbindungen wie Alpha Phi Alpha verweist.

Und dann geht es auch schon richtig los. Beyoncés Set ist ein Medley ihrer größten Hits. 22 Jahre Karriere werden da zusammengefasst. Lieder wie „Crazy in Love“, „Formation“, „Single Ladies“ und 25 Tracks mehr werden mit dem Sound der Marching Band wiedergegeben. Und das auch mal in einer New-Orleans-Brassband-Version, mal als Reggaeinterpretation, mal als Go-Go-Variation und mal im Stil des klassischen Rock’n’Rolls. Der rote Faden dabei ist die Hommage an möglichst viele Formen der Musik, die von den Nachfahren afrikanischer Sklaven entwickelt wurden. Beyoncé huldigt den Riesen, auf deren Schultern sie steht. Und das macht sie nicht nur mit der Interpretation ihrer Songs, sondern auch durch das Einspielen von Samples und das Zitieren anderer Musikstücke. Da blitzt mal 2Pacs „California Love“ auf, es wird der Swag Surf getanzt, Fela Kutis „Zombie“ angestimmt oder Beyoncé singt mit verzerrter Stimme, als Verweis auf ihren Bundeslandsmann DJ Screw und seine „Chopped & Screw“-Technik.

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Auch Beyoncés Familie wird eingebunden. Mit ihrem Mann Jay Z singt Beyoncé „Deja Vu“. Schwester Solange kommt für eine freudige „Get Me Bodied“ Tanzeinlage auf die Bühne und Kelly Rowland und Michelle Williams schauen für eine Destiny’s-Child-Reunion vorbei, die ein schwindelerregendes Nostalgie-High verursacht.

Einige Male verlässt Beyoncé die Bühne, um sich umzuziehen (und ihre Nägel umzulackieren) und überlässt die Szene ganz den knapp 100 schwarzen KünstlerInnen, die sie mitgebracht hat. Da gibt es dann eine Ausdruckstanz-Performance zu Nina Simones „Lilac Wine“, eine Majorette twirlt den Baton, die Marching Band tobt sich musikalisch wie akrobatisch aus und es wird gebuckt, steppgetanzt, gecrumpt und unzählige andere Formen des afroamerikanischen Tanzes werden präsentiert. Dabei sieht man die TänzerInnen auch immer wieder lachen. Es wirkt, als würde tatsächlich eine Homecoming Parade oder Pep Rally vor den Augen von Millionen ZuseherInnen vor Ort und via Livestream von Statten gehen.

Und dann gibt es noch die unzähligen anderen Details, die Beyoncé in diese Performance miteinfließen hat lassen, um sie zu einem (pop)kulturellen Großereignis zu machen. Die schwarzen Geigerinnen, das Wiederauftreten ihrer all black, all female Liveband, die vielen Call-&-Response-Momente, die der Musik der afroamerikanischen Kirchen entlehnt sind - also die Musik, aus der Blues, Rock, RnB und unzählige Genres mehr hervorgehen.
Besondere Momente auch: ein Sketch, in dem Rassismus und Sexismus in Form einer Hazing/Line-Naming-Zeremonie, wie sie bei Studentenverbindungen üblich sind, thematisiert werden; Beyoncés direktes Ansprechen der Frauen im Publikum; das eingespielte Zitat von Malcom X: „The most disrespected woman in America is the black woman. The most un-protected person in America is the black woman. The most neglected person in America is the black woman.“

Und am Prominentesten das Singen des sog. Black National Anthem „Lift Every Voice and Sing“.

Angeblich befürchtete Beyoncés Mutter, Tina Knowles, dass das mehrheitlich weiße Publikum Beyoncés Performance nicht dechiffrieren könnte und nur verwirrt wäre. Vielleicht haben viele auch nicht gesehen, was da alles drinnen war in dieser Beychella Performance, aber einiges ist definitv hängen geblieben. Allein schon, dass die Bühne eines Festivals, dessen Lineup recht männlich und weiß ist (am Tag davor bezeichnete Vince Staples die Coachella Mainstage als „White People Stage“), zur Headlinerslot-Zeit von knapp hundert schwarzen Menschen regelrecht gestürmt wird und diese darauf performen und „Black Joy“ ausleben, ist schon Statement genug. Beyoncé fasst es selbst am besten zusammen, als sie während ihrer Show meint: "Coachella, thank you for allowing me to be the first black woman to headline. Ain’t that ’bout a bitch?” Also frei übersetzt heißt das so viel wie: Danke für nix, ihr Deppen. Zeit wurde es!

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Beyoncés Coachella-Auftritt war so imposant, weil es um mehr als ihre Hits ging. Beyoncé nutzte ihre Plattform als Showcase afroamerikanischer Kultur. Angefangen beim Weave Pat bis hin zur souligen A-capella-Einlage. Beyoncés „Flawlessness“, ihr quasi übermenschliches Diva-Auftreten spiegelt damit die Exzellenz der Afroamerikaner und vor allem Afroamerikanerinnen wider. Eine Gruppe Menschen, denen Unmenschliches widerfuhr und auch heute noch widerfährt und die nicht nur überleben, sonder auch Kunst erschaffen, nach der sich alle die Finger lecken.

Deswegen war die Show durchzogen von militärischen Motiven, die auch Teil der Geschichte der Drumline und Marching Bands sind. Denn Beyoncé und ihre MusikerInnen und TänzerInnen projizierten mit ihrem Auftritt Kraft, Willensstärke und Freude - aka Black Power.

Eine Performance, die man freudig als „Black Girl Magic“ zelebriert. Aber mit Magie hat das wenig zu tun. Beyoncés Karriere sowie dieser Auftritt fußen auf viel Disziplin und harter Arbeit. Seit Wochen probt sie elf Stunden am Tag, war bis ins kleinste Detail bei der Planung der Show involviert und ist ja auch verantwortlich für einen Katalog an Songs, der die absolute Spitze des aktuellen Popgames darstellt. Keine/r kommt an Beyoncés Level heran. Und das wird sich wahrscheinlich auch in den nächsten paar Jahren nicht ändern. Praise Bey! Und Coachella ist tot, lang lebe Beychella!


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