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Stirbt die Biene, stirbt der Mensch

„Die Geschichte der Biene“: Drei Familien, drei Jahrhunderte, drei Kontinente. Der Debütroman von Maja Lunde.

Von Zita Bereuter

Vor zehn Jahren mussten etliche Imker in den USA gruselige Beobachtungen machen: Um ihre Bienenstöcke herrschte eine unnatürliche Stille. In den Bienenstöcken eine schockierende Leere. Die Arbeiterinnen fehlten. Nur die Königin, die Brut, einige jungen Bienen, der Honig und auch die Pollen waren vorhanden.

In der Dokumentation „More than Honey“ von Markus Imhoff wird dieses Szenario in menschliche Verhältnisse übertragen. Man stelle sich also vor, sämtliche Jugendliche und Erwachsene sind verschwunden, während in den Säuglingsstationen unversorgte Babys schreien und die Supermärkte und Kühlschränke bestens gefüllt sind.

Die Geschichte der Bienen

btb

„Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde ist bei btb erschienen und wurde von Ursel Allenstein aus dem Norwegischen übersetzt.

Der Roman wurde mit dem Norwegischen Buchhändlerpreis ausgezeichnet, in 30 Länder verkauft.

2007 verloren die USA in 36 Staaten über ein Drittel ihrer Bienenvölker. Dieses mysteriöse Bienensterben bekam den Namen CCD – Colony Collapse Disorder. (Mehr dazu auch in „Bümchensex und Nervengift“, einem Artikel von Andreas Schindler über das Bienensterben und die fragwürdige Zulassungspraxis hochgiftiger Produkte.)

Die Norwegische Autorin Maja Lunde hat den Film „More than Honey“ auch gesehen. Im Nachwort zu ihrem Roman „Die Geschichte der Bienen“ führt sie die Dokumentation als eine ihrer Quellen an. Neben dem Bienensterben greift sie darin aber auch eine andere reale und doch gleichzeitig surreale Entwicklung auf: Das menschliche Bestäuben: Weil es keine Bienen mehr gibt - etwa in manchen Gegenden in China - klettern dort Menschen auf Bäume und bestäuben mit feinen Pinseln in akribischer Kleinarbeit manuell die Blüten.

Mit einem solchen Szenario beginnt der Roman „Die Geschichte der Bienen.“

„Wie verwachsene Vögel balancierten wir auf unseren Ästen, das Plastikgefäß in der einen Hand, den Federpinsel in der anderen.“

Wir befinden uns in China im Jahr 2098. Es gibt keine Bienen mehr. Die Protagonistin und Erzählerin in dieser Dystopie ist die Arbeiterin Tao. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen bestäubt sie unter großem körperlichem Einsatz von Hand Bäume.

„Das kleine Plastikgefäß war gefüllt mit dem luftigen, leichten Gold der Pollen, das zu Beginn des Tages exakt abgewogen und an uns verteilt wurde, jede Arbeiterin erhielt genau die gleiche Menge. Nahezu schwerelos versuchte ich, unsichtbare kleine Mengen zu entnehmen und in den Bäumen zu verteilen.“

Bricht ein Ast ab, bedeutet dies einen Abzug vom ohnehin schon knappen Lohn. Knapp sind auch die Lebensmittel und Besitztümer. Knapp ist alles, was Freude macht. Tao beklagt sich nicht, schließlich geht es ihnen in China im Vergleich zu Europa oder den USA nach dem großen Kollaps noch gut ...

Maja Lunde

Oda Berby

Maja Lunde ist in Norwegen sowohl als Kinder- und Jugendbuchautorin als auch für ihre Drehbücher bekannt. Diese Erfahrung zeigt sich in „Die Geschichte der Bienen“, ihrem ersten Roman für Erwachsene.

Taos Geschichte ist einer von drei Erzählsträngen in dem Roman „Die Geschichte der Bienen“.

Ein anderer führt ins Jahr 1852 nach England. William, ein Biologe, war noch vor wenigen Jahren ein talentierter Forscher. Um seine kinderreiche Familie zu ernähren muss er als Samenhändler Geld verdienen. Mittlerweile liegt das Geschäft allerdings darnieder - genauso wie William selbst. Warum er seit Wochen das Bett nicht verlassen kann, wissen weder der Arzt noch seine Familie - geschweige denn William selbst. Schließlich beginnt William zu experimentieren - mit Bienen und dem perfekten Bienenstock.

Der dritte Erzählstrang spielt in Ohio in den USA im Jahr 2007. George ist Imker. Wie schon sein Vater und dessen Vater. Folglich soll auch sein Sohn, Tom, Imker werden. Aber der will studieren und sieht seine Zukunft im Journalismus.

Doch dann gibt es erste Fälle von CCD – Colony Collapse Disorder, dem Bienensterben.
George spricht lieber vom Verschwinden, von den Problemen oder von dem großen Schlamassel. Und das trifft ihn und seine Bienenzucht hart.

„Ich wandte mich der benachbarten Beute zu. Das Flugbrett, der Eingang zum Bienenstock, lag auf der anderen Seite, sodass ich sie nicht sehen konnte, aber das brauchte ich auch nicht, um zu wissen, was mich erwartete, denn es war viel zu still. Keine Spur von Milben. Keine anderen Krankheiten. Keine Massaker, kein Friedhof, keine Leichen. Der Bienenstock war einfach nur verlassen worden.“

Diese gekonnte Vermischung von Realität und Fiktion macht den Roman „Die Geschichte der Bienen“ zu einem spannenden Pageturner.

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