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Lucky

Viennale

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Am Anfang wartet das Glück

Das Filmfestival Viennale in Wien beginnt und damit auch wieder das Viennale Tagebuch. Diesmal über den Eröffnungsabend im Gartenbaukino und den Film „Lucky“.

Von Christoph Sepin

Es geht also wieder los: Die Zeit des täglichen, stundenlangen Filmschauens, der Warteschlangen, der Kinosessel. Die Zeit des Eskapismus und der harten Konfrontation mit dutzenden Lebensrealitäten. Es ist Viennalezeit, Filmzeit, Zeit auf Entdeckungsreise zu gehen in den Kinos der Stadt Wien.

Gestern, Donnerstag, hat der ganze Filmspaß offiziell begonnen, mit der gewohnt gut betucht besuchten Eröffnungsgala im Gartenbaukino. „Lucky“, so heißt der Eröffnungsfilm dieses Jahr, Regisseur John Carroll Lynch (nein, nicht mit David Lynch verwandt, obwohl der in „Lucky“ mitspielt) war auch da.

Letztes Jahr ist an dieser Stelle im Viennale-Tagebuch noch über die verschiedenen Arten des Wartens in Warteschlangen philosophiert worden, diesmal soll’s um etwas ganz anderes gehen: Das beste System des Filmaussuchens aus dem Programm der Viennale. Weil 300 Filme kann man sich schwer anschauen und will das ja auch gar nicht. Wie also nicht den Kopf verlieren?

Vor dem Gartenbaukino wird mir ein gutes System vorgeschlagen: Aus dem Programmheft der Viennale sucht man sich die Filme raus, die ganz okay klingen, macht ein Kreuz daneben, wenn man sie sehen will, dann einen Kreis um dieses Kreuz, wenn man Karten dafür bekommen hat. Und ein Rufzeichen, wenn das ein richtig wichtiger Film ist. So kann man die ganze Komplexität des Kinos in simple Symbole zusammenfassen, was in diesen verwirrenden Zeiten oft ganz angenehm sein kann.

Viennale

Alexander Tuma

Den harten Tatsachen muss man sich trotzdem irgendwann stellen, das weiß auch der Wiener Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, der in seiner Eröffnungsrede im Gartenbaukino nicht nur Bezug auf den Tod des Viennale-Festivaldirektors Hans Hurch, sondern auch auf die derzeitige politische Situation nimmt: Die Viennale stehe für Aufklärung statt Vernebelung, Vielfalt statt Einfalt, das soll und muss ein Filmfestival können.

Hans Hurch habe im Anbetracht der ausgezeichnet gelungenen Programmierung und Abwicklung der letztjährigen Viennale gesagt, das hätte seine letzte sein können. Obwohl er eigentlich noch bis 2018 als Festivaldirektor agieren sollte. Tatsächlich war es dann aber doch Hurchs letzte Viennale und so fehlt seine klassische Ansprache und Rundumschlag auf der Bühne im Gartenbaukino. Dementsprechend emotional ist der Abend auch, gleichzeitig wird aber nicht einfach nur in Trauer sinniert, sondern akzeptiert.

Das Credo des ebenfalls heuer verstorbenen Harry Dean Stanton als Protagonist Lucky im gleichnamigen Film lautet: Realismus, das bedeutet zu realisieren was passiert ist, zu akzeptieren was das bedeutet und dementsprechend Taten folgen zu lassen. Ein Grundkonzept, das sich durch den Film, durch den Eröffnungsabend und wahrscheinlich auch durch die Viennale ziehen wird.

Lucky

Viennale

Über „Lucky“

Tatsächlich wirkt es so, als ob Harry Dean Stanton wusste, dass „Lucky“ sein letzter Film sein würde. Von Anfang bis Ende wirkt das wie ein Schwanengesang, eine Verabschiedung, ein - und da kommen wir wieder zum Thema - akzeptieren der Realität, des Älterwerdens, der Tatsache, dass alles ein Ende hat.

Das könnte jetzt in großer Tristesse und mit viel traurigem Fatalismus auf die Leinwand gebracht werden, „Lucky“ fällt aber in einen optimistischeren Tonfall. Zu wissen, was passiert, zu verstehen, das Dinge vergänglich sind, das kann nämlich auch etwas Gutes an sich haben. Denn wie kostbar etwas ist, eine zwischenmenschliche Beziehung, Freundschaft, ein Bloody Mary den Lucky jeden Abend in seiner Stammbar trinkt, das wird erst so richtig bewusst, wenn man akzeptiert, dass solche Dinge nicht für immer da sind.

Ein Film über Wertschätzung, Glück und Akzeptanz ist John Carroll Lynch damit gelungen. In dem der andere Lynch, David nämlich, eine hervorragende Gastrolle als Luckys Trinkkumpane Howard hat, in dem vorsichtig und Stück für Stück die erzählerischen Ebenen enthüllt werden.

Dass das alles dann oft doch sehr stark in den Pathos, die romantisierenden Bilder und die großen Metaphern abrutscht ist unumgänglich, macht den Film damit sicher nicht zur Angelegenheit für jede Art von Publikum, war in diesem Rahmen, an diesem Eröffnungsabend, unter diesem Stern aber der passende und fast schon prophetische Start in die Viennale 2017. Und was dann passiert, schauen wir uns noch an. Realisieren, akzeptieren, reagieren.

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