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Portraitfoto Clara Luzia mit Katze am Schoß

© Christoph Liebentritt

Artist Of the week

Wenn der Sound zum Song wird

9 Songs, 28 Minuten und trotzdem ist es das bis jetzt beste Album von Clara Luzia. „When I Take Your Hand“ ist kompakt, berührend, politisch, wundervoll produziert und Clara Luzia ist damit auch unser FM4 Artist Of The Week.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Der Bus rumpelt über die Löcher im Asphalt. Drinnen stehen dicht gedrängt schwitzende Menschen, die versuchen, sich an den Stangen und Gurten festzuhalten. Ganz unvermittelt wird man plötzlich von einem der Benützer des öffentlichen Verkehrsmittels angeschnauzt. Man bekommt böse Blicke zugeworfen und wird mit abwertenden Gesten bedacht.

Eine Situation, die Clara Luzia in ihrer Single „Mood Swing“ aufgreift, dem ersten musikalischen Lebenszeichen nach einer längeren Pause. Doch dieser erdig-rockige, fast schon punkige Track hat für Clara auch eine politische Dimension:

„Diese Autobusssituation sieht man ja heutzutage leider auch am politischen Parkett. Dieses Verhalten, dass man beschimpft, agressiv wird und alles niederstampfen will, wenn einem gerade danach ist. Das findet leider mittlerweile auch auf Staatsebene statt. Lange Zeit gab es ja noch so etwas wie diplomatischen Anstand, der ist jetzt manchmal auch schon weg.“

Die Platte von hinten aufzäumen

Auch auf ihrem letzten Album „Here’s To Nemesis“ hat ein gesellschaftskritischer Song die Platte eröffnet. Und auch damals hat Clara mit dem britischen Produzenten Julian Simmons (der bereits mit Künstler*innen wie Gemma Ray, Midlake oder Ed Sheeran zusammengearbeitet hat) am Sound gefeilt.

Doch für das neue Werk „When I Take Your Hand“ sind die beiden einen ganz anderen, umgekehrten Weg gegangen. Denn zuerst wurde eine Release-Tour geplant mit dem Versprechen an die Veranstalter, es werde ein neues Album geben. Bis dahin war noch kein neuer Song geschrieben.

Plattencover "When I Take Your Hand" von Clara Luzia, eine tätowierte Hand, alles in pinker Farbe getaucht

Asinella Records

Das neue Album „When I Take Your Hand“ von Clara Luzia ist auf ihrem Label Asinella Records erscheinen.

Nachdem die Tour auf den Beinen stand, ist Clara Luzia dann zwei Mal für dreitägige Sessions zu Julian Simmons nach London geflogen, um die Lieder für die Platte zu schreiben und aufzunehmen. Innerhalb dieser kurzen Zeit sind neun wundervolle, abwechslungsreiche Songs entstanden, meist ausgehend von einem Gitarrenriff von Julian; und sein ganz spezieller Sound hat dann Clara für Text und Arrangement der Nummern inspiriert.

„Bei den Akkorden von ‚When The Streets‘ habe ich immer gesagt, das ist meine Chris-Isaak-, Phil-Collins- und Coldplay-Nummer. Irgndwie hat mich die Gitarrenzerlegung sofort an ‚Wicket Game‘ erinnert und die Stimmung auch irgendwie an ‚Another Day In Paradise‘. Und der Refrain mit den Sternen und dem Glitzer geht eindeutig in die Coldplay-Richtung. Die ganze Nummer schrammt ja ein bisschen am ‚cheesy‘ vorbei.“

Zwischen Liebesliedern und Gesellschaftskritik

„When The Streets“ ist auch gleichzeitig eine Nummer über die Nacht. Die Zeit, in der man sich ins Dunkel stiehlt, seinen geliebten Menschen an der Hand nimmt und ins beschützende Schwarz hineintaucht. Aber auch hier erinnert uns Clara daran, dass gerade für Frauen die Nacht auch ein unsicherer Platz sein kann. Somit ist dieses Lied in seiner Sanftheit auch eine Hymne dafür, sich die nächtliche Straße wieder zurückzuerobern.

Auch in dem nachdenklichen Song „Running Out“ mit seinen reduzierten Gitarrenakkorden und dem trockenen und dennoch treibenden Schlagzeugbeat reflektiert Clara ihre große Sorge, dass wir Menschen unseren Planeten weiter zerstören, anstatt uns darum zu bemühen, ihn zu retten. Und zu dem dahinstampfenden Beat und dem satten Gitarrenriff von „Bold Move“ hatte Clara den am Boden aufstampfenden Wutbürger im Kopf, der nur an seiner eigenen finanziellen und sozialen Absicherung interessiert ist. In der zweiten Single „On The Street“ nimmt uns Clara Luzia in Courtney-Barnett-Manier an der Hand und führt uns durch die Stadt. Durch ihre Augen blicken wir auf die bettelnden Menschen und den urbanen Wahnsinn, der schon längst zum Alltag geworden ist. Das ganze wird von einem unglaublich coolen Bassriff begleitet und durch Händeklatschen aufgelockert.

Aber auch die Liebe kommt auf dem neuen Album „When I Take Your Hand“ nicht zu kurz. Reduziert auf Gitarre und Stimme ist das Liebesgeständnis an Claras Lebenspartnerin und Schlagzeugerin Catharina ein sehr intimer Song geworden, der lediglich von einem dezenten Synthie-Bass unterstützt wird. Trotz der freudesprühenden Beziehung der beiden ist „The Story Of Me & You“ ein durchwegs melancholisches und damit auch sehr berührendes Stück geworden.

Clara Luzia live in Österreich:

  • 9. Mai: Treibhaus, Innsbruck
  • 10. Mai: Orpheum, Graz
  • 11. Mai: Arge, Salzburg
  • 12. Mai: Posthof, Linz
  • 23. Mai: Arena, Wien
  • 09. Juni: Kunsthaus, Mürzzuschlag
  • 26. Oktober: OKH Vöcklabruck

Apropos Melancholie: Die Akkorde zu „I Remember You“ haben Clara sofort an die Stimmung eines Nick-Cave-Songs erinnert. Clara ist dabei auch ihre verstorbene Urgroßmutter eingefallen, der sie diese wundervoll atmosphärische Ballade nun gewidmet hat, die musikalisch in den frühen neunziger Jahren entstanden sein könnte.

Überhaupt ist „When I Take Your Hand“ ein zeitloses Album geworden. Ein Werk wie aus einem Guss, komplett herausgefallen aus dem trendigen Elektro-Indie-Musik-Kontinuum, das sich durch die letzten Jahre zieht. Clara Luzia und Julian Simmons haben es geschafft, mit viel Gefühl für gutes Songwriting und einem goldenen Händchen für Sounds eine Platte zu kreieren, die mit viel Kompression und Hall frisch und spontan klingt und gleichzeitig eine gewisse Endgültigkeit besitzt, die grandiose Popsongs auch aufweisen.

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