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Buchcover des Romans "VOX"

S. Fischerverlag

Buch

“I like to write things that frighten me”

Christina Dalchers Debütroman VOX spielt in einer Gesellschaft mit fanatischem religiösem Vorbild. Frauen haben kaum Rechte und dürfen nur 100 Wörter pro Tag sprechen. Im Schnitt verwendet man rund 16.000 Wörter pro Tag.

Von Sophie Liebhart

Die Autorin Christina Dalcher

privat

Christina Dalcher pendelt zwischen den Südstaaten und Neapel. Die gebürtige Amerikanerin, zu deren Helden Stephen King und Carl Sagan zählen, promovierte an der Georgetown University in Theoretischer Linguistik und forschte über Sprache und Sprachverlust. Hier spricht sie über VOX:

„What we’ve got is a situation, where a religious and fundamentalist movement has gained a lot of power and effectively bought the presidency”, beschreibt Christina Dalcher im Interview die Gesellschaftsordnung in ihrem Roman “VOX”: Die neue Regierung beschließt da, dass früher alles besser war, als Frauen zuhause geblieben sind und nur Männer arbeiten durften. Und dorthin wollen sie wieder zurück.

Frauen sollen in „VOX“ aber nicht nur zuhause bleiben, sie sollen sich ihren Ehemännern unterwerfen und Gehorsam leisten. Ihnen werden alle Bücher weggenommen, sie haben keinen Zugang zu Computern oder ähnlichem und sie dürfen nur einhundert Wörter am Tag sprechen. Zum Vergleich: im Schnitt verwendet man rund 16.000 Wörter pro Tag.

Ein Armband zählt die gesprochenen Wörter und gibt bei Überschreitungen Stromschläge ab. Dass Dalcher sich entschließt, Frauen ihrer Sprache zu entziehen, ist kein Zufall. Sie hält Sprache für enorm wichtig und das nicht nur, weil sie Sprachwissenschaftlerin ist.

Language is absolutely crucial to our social structure, the way we interact with one another. If you take that away, we’re just another great ape.

Es ist ein packendes und bedrückendes Gefühl, wenn man sich beim Lesen in diese Welt hineinversetzt. Man ist fast erleichtert, als die Hauptfigur Jean beschließt, sich den Regeln zu widersetzen und feststellt, dass sie bei weitem nicht die einzige ist, die Widerstand gegen das vorherrschende System leisten will.

Buchcover "Vox" von Christina Dalcher

S. Fischer Verlag

„Vox“ von Christina Dalcher ist im S. Fischer Verlag erschienen, in der Übersetzung von Marion Balkenhol und Susanne Aeckerle.

Aktueller Bezug?

Die Autorin, Christina Dalcher bezieht sich in ihrem Buch eigentlich nicht direkt auf reale Ereignisse. Inspiriert hat sie auf gewisse Art und Weise die Präsidentschaftswahl in den USA: „What you have to understand is that a country is not this homogenous group of people. There are different people in it. So I was using that a little bit.“

Mit mehr Aufmerksamkeit gegenüber Randgruppen wären Überraschungen wie der Wahlausgang nämlich vorhersehbar, sagt Dalcher. „ I thought, sometimes people don’t pay attention. And then it’s sort of a surprise when something happens, when all of a sudden the places and the people that nobody paid attention to, have a much louder voice than anybody expected.”

Warum?

Eine Frage schwingt den ganzen Roman lang mit: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Dalcher hat darauf eine ganz klare Antwort. Die Charaktere in ihrem Buch waren viel zu lange passiv.
Das möchte sie auch ihren Lesern und Leserinnen mitgeben: „If this stirs women, men, anyone to decide, maybe I have been a little passive, maybe I have taken things for granted, now I’m gonna do something. That would make me really happy.”

Fazit

Christina Dalcher hat bislang immer Kurzgeschichten verfasst. VOX ist ihr Debütroman, passt thematisch aber genau zu ihren anderen Werken. Dalcher fasziniert es, bei ihren LeserInnen Emotionen auszulösen: “If my story makes people feel a certain way, that’s the best compliment ever.”

Dalcher schreibt am liebsten über dunkle Themen. Auch, weil sie selbst am liebsten Geschichten liest, die ihr Angst machen.

I like to read things that frighten me, I like to write things that frighten me. So I think I also like to write things that frighten or disturb other people.

Mit VOX gelingt es ihr definitiv, dass einer/m als LeserIn unwohl wird – vor allem bei der Beschreibung dieser dystopischen Gesellschaft. Das Buch ist bis zum Schluss spannend - auch wenn die Thriller-Elemente gegen Ende nicht mit dem fesselnden Anfang des Romans mithalten können.

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