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Better Oblivion Community Center

Nik Freitas

Ein frühes Highlight des Musikjahres: Better Oblivion Community Center

„Better Oblivion Community Center“ nennen Phoebe Bridgers und Conor Oberst ihr gemeinsames Bandprojekt und erstes Album. Eine der schönsten musikalischen Überraschungen im noch jungen Musikjahr 2019.

Von Lisa Schneider

Vorfreude ist die schönste Freude, heißt es, dabei ist gleich beschenkt zu werden noch besser. So geschehen im Fall von Better Oblivion Community Center, der neuen Band von Phoebe Bridgers und Conor Oberst. Von heute auf morgen da und online: ihr gemeinsames, selbstbetiteltes Album.

Abseits der gängigen Marketingstrategie

Die Entscheidung, ein Album ohne Vorankündigung zu veröffentlichen, ist mutig, verzichten sie damit doch auf jegliche Promotion. Natürlich aber ist allein der Name Oberst in Kreisen schon gute Werbung. Auch der von Phoebe Bridgers ist nicht unbekannt: Sie hat nicht nur ein bewiesenermaßen gutes Händchen für Supergroups - gemeinsam mit Lucy Dacus und Julien Baker hat sie vor kurzem die Band boygenius gegründet - sondern hat auch schon zuvor, 2017, ihr sehr gutes Debütalbum „Stranger In The Alps“ veröffentlicht, bei dem Conor Oberst beim Song „Would You Rather“ mitgemacht hat. Das alles erlaubt spontane Aktionen im Release-Meer.

I love your music, likewise

Phoebe Bridgers ist 24 und damit 14 Jahre jünger als Conor Oberst - sie ist mit den Songs der Bright Eyes aufgewachsen. 2016 lernen sich die beiden auf einer Party in L.A. kennen, Phoebe Bridgers tritt dort live auf und hinterlässt Eindruck bei Conor Oberst, der ihr kurz danach eine E-Mail schickt: “I think lots of people will find good comfort in your songs. They are soothing and empathetic, which I know I need more of in my life.”

Cover Better Oblivion Community Center

Dead Oceans

Das selbstbetitelte, erste Album von Phoebe Bridgers und Conor Obers als Better Oblivion Community Center erscheint via Dead Oceans.

Was wohl stimmt. Conor Oberst hat mit „Ruminations“ und „Salutations“ in den letzten drei Jahren zwei Alben geschrieben, die sich inhaltlich um Depression, Paranoia, Schlaf- und Ratlosigkeit drehen. Ausgehend davon könnte man meinen - weil auch Phoebe Bridgers gerne betont: „I very much like sad music“ - dass Better Oblivion Community Center an den Emo-Folk seiner Mitglieder anknüpft. „I think it actually sounds more fun than you would think of us“, lacht Phoebe Bridgers aber bei der Vorstellung des Albums, und das stimmt.

Gemeinsame Ideen, neue Geschichten

Phoebe Bridgers und Conor Oberst schieben für Better Oblivion Community Center ihr sonst aufs Intimste ausgehorchtes Innenleben zur Seite. Das gemeinsame Schreiben hat sie auf neue, fiktionale Charaktere gebracht. Und genau dieses gemeinsame Schreiben war so intensiv, dass sie sich bei manchen Songs nicht mehr sicher sind, wer welches Wort beigesteuert hat. Keine Sorge, die McCartney oder Lennon-Frage heben sich die beiden für einen späteren Zeitpunkt auf.

Da ist das von schillernder Schwermut durchzogene Songwriting von Phoebe Bridgers, das an Aldous Harding oder Weyes Blood denken lässt. Und da ist natürlich die unverkennbare Stimme von Conor Oberst, neben Win Butler das Sprachrohr für Herz, Schmerz und Tränen der Millenials. Meistens singen die beiden gemeinsam, trotzdem ist das alles weit entfernt von romantischen Duetten Marke Pete Yorn und Scarlett Johansson. Was vor allem auch daran liegt, dass die Songs nicht - wie vielleicht erwartet - mit nur zwei akustischen Gitarren, sondern mit gesamtem Rockband-Set-Up eingespielt worden sind.

Nicht gelassen in die gute Nacht
Christoph Sepin hat sich mit „Dylan Thomas“ von Better Oblivion Community Center auseinandergesetzt.

Der ernste, nicht selten konfessionelle Ton der Texte, den man von Phoebe Bridgers und Conor Oberst kennt, gleitet mit diesem Album hinüber in eine humorvollere Art, die zerzauste, immer schwieriger zu verstehende Welt zu betrachten. So kann man Zeilen wie „So sick of being honest / I’ll die like Dylan Thomas/ a seizure on the barroom floor“ in Referenz an den berühmten walisischen Dichter, der durch Alkohol ums Leben kam zumindest verstehen. Sich den Wirren der (digitalen) Welt, der Politik oder gesellschaftlicher Fragen stellen, auch, wenn man keine Antworten auf die großen Fragen findet. „I’ve really never done anything, for everyone“ singen sie am Album-Opener „Didn’t Know What I Was In For“.

Sich den Spiegel vors Gesicht halten und die Maskerade üben. Über schreckliche Tagesnachrichten weinen, weil Mitfühlen ist angesagt. „Better Oblivion Community Center“ ist ein Album über Menschen, die sich angesichts von Informationsüberfluss und dem Wunsch nach Bestätigung in falschen Rollenbildern verlieren. Die zwar ehrlich versuchen, gut zu sein, aber viel mehr noch möchten, dass anderen sehen, wie gut sie sind. „There’s no way I’m curing cancer/ But I’ll sweat it out / I feel so proud now for all the good I’ve done“.

Dazu passt auch die Antwort auf das Rätsel zum Bandnamen:

Since we both have a penchant for morose songwriting, we thought that a sort of emo-bandname would be funny. And I think it both incapsulates both the idea of like impending doom but since the word „Community“ is in it, it’s like well you’re not alone in this, we’re all in this together“, so Conor Oberst.

Das „Better Oblivion Community Center“, ein gemeinsamer Kurort, dort das Schlechte zu vergessen. Oder: ein Musik gewordener All American Zauberberg.

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