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Filmstill aus "Under The Silver Lake"

Ascot Elite

Ein Film Noir im Hipster-Remix: „Under the Silver Lake“

Mit dem stylischen Horrorschocker „It Follows“ hat sich David Robert Mitchell einen Namen gemacht. Jetzt begeistert der Regisseur erneut mit „Under the Silver Lake“, einer durchgeknallten Mystery-Comedy in greller Popverpackung.

von Christian Fuchs

Hach, unergründliches Los Angeles: Dass gerade die sonnenverbrannte Hauptstadt der beautiful people ein abgründige, dunkle Sogkraft hat, wissen wir aus etlichen Büchern und Filmen.

Die verstörenden Romane von James Ellroy kommen einem sofort in den Sinn, in denen die Schattenseiten Hollywoods bis in den letzten, schummrigen Winkel ausgeleuchtet werden. Oder Roman Polanskis schleichender Thriller „Chinatown“, in dem L.A. von Gewalt und Korruption regiert wird. Die zweite Staffel der Ausnahmeserie „True Detective“ zeigt ebenfalls die kriminellen Facetten des kalifornischen (Alb-)Traums. Gar nicht zu reden von der hard boiled Literatur und dem klassischen Film Noir, dieser Schwarzweiß-Welt der gescheiterten Cops, gnadenlosen Gangster und fädenziehenden femme fatales, die das Fundament für alle sinistren L.A.-Mythen bildet.

Zwei ziemlich bemerkenswerte Filme, die ihre Protagonisten auf paranoide Odysseen durch die Stadt der (Todes-)Engel schicken, setzen auch auf Humor. In der kultisch verehrten Krimisatire „The Big Lebowski“ der Coen-Brüder folgen wir dem hippieartigen Dude (Jeff Bridges) auf einen wahnwitzigen Neo-Noir-Trip. In Paul Thomas Andersons „Inherent Vice“ spielt Joaquin Phoenix einen kiffenden Langhaar-Detektiv, der von einen bizarren Fall verschlungen wird. „Under the Silver Lake“, vom jungen Regisseur David Robert Mitchell, wirkt nun wie ein poppiger Remix dieser beiden irrlichternden Werke - und begeistert gleichzeitig mit frischen Ideen.

Filmstill aus "Under The Silver Lake"

Ascot Elite

Videospiele, Voyeurismus und Verschwörungstheorien

Sam (Andrew Garfield) ist ein eher konfuser junger Mann. Dank mütterlicher Unterstützung muss sich der Twentysomething nicht gerade dringend einen Job suchen und hat Zeit für seine Hobbies: Obskure Comichefte sammeln, ziellos durch die boboeske Silver-Lake-Nachbarschaft in L.A. flanieren, seine hübsche Nachbarin Sarah (Riley Keough) ausspionieren. Ach ja, Sam liebt auch alte Videospiele und verschwurbelte Verschwörungstheorien. Irgendwann sagt jemand in diesem Film: „There’s an entire generation of men obsessed with video games and secret codes“.

David Robert Mitchell gehört selbst zu dieser Geek Generation. Aber der Regie-Shootingstar, dem wir den überaus hypnotischen Horrorthriller „It Follows“ verdanken, hat glücklicherweise sehr vielfältige Obsessionen.

Einerseits ist „Under the Silver Lake“ eine akribische Hommage an die erwähnte Film-Noir-Ära und verbeugt sich stylistisch vor dem dazugehörigen Style. Inklusive bestimmter Kameraeinstellungen und einem unheilschwangeren Score des Elektronikers Disasterpeace, der an den legendären Bernhard Hermann erinnert. Auf der anderen Seite parodiert Mitchell die dekadente Hipster-Hölle im Los Angeles der Gegenwart, inklusive teurer Schnösel-Parties und esoterischer Sekten.

Filmstill aus "Under The Silver Lake"

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Rätselhafte Reise ins Herz der Finsternis

Ach ja, zurück zum Plot: Als Sarah nach einem verwirrenden nächtlichen Kiffer-Intermezzo mit Sam plötzlich spurlos verschwindet, verwandelt sich der verhuschte Bursche in eine Slackerversion des berühmten Privatdetektivs Sam Spade. Schon bald taucht er in den mysteriösen Untergrund von Los Angeles ab, wird verprügelt, unter Drogen gesetzt und beinahe ermordet. Eine rätselhafte Reise ins Herz der Finsternis beginnt.

Aber weil „Under the Silver Lake“, wie „The Big Lebowski“ und „Inherent Vice“, eben auch eine Komödie ist, warten wilde und witzige Überraschungen an jeder Weggabelung. Einige ausgesucht spinnerte Szenen lassen den Kopf auch nach dem Kinobesuch noch rauchen. Abseits der omnipräsenten Weirdness betört der Film aber auch mit ein paar spektakulären Sets, knalligen Farben, einem coolen 90s-Popsoundtrack und natürlich der Besetzung. Ex-„Spider Man“ Andrew Garfield, der zuletzt in „Silence“ oder „Hacksaw Ridge“ eher mit gequälten Leidensposen nervte, darf als verschlurfter Sam in die bisherige Rolle seines Lebens schlüpfen. Die ohnehin immer großartige Riley Keough fasziniert als Femme Fatale für das Instagram-Zeitalter.

Filmstill aus "Under the Silver Lake"

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David Robert Mitchells Hipster-Noir-Epos mag tatsächlich überambitioniert sein, überlang und überladen, wie manche Kritiker feststellten. Aber gleichzeitig ist es im Hier und Jetzt schon ein Ausnahmefall, dass ein junger Regie-Exzentriker genug Geld bekommt, um einen Starschauspieler durch so einen sonderlichen Film zu jagen. Noch toller, dass „Under the Silver Lake“ nicht bloß von einem Streamingkanal verheizt wird, sondern auch auf der großen Leinwand zu sehen ist. Denn erst dort entfaltet sich die verquere Schönheit des Films wohl richtig.

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