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Elevate Opening 2019

Johanna Lamprecht / Elevate / CC BY-NC-ND 2.0

Elevate Festival: It’s in fashion to have compassion

Jede*r kann sich engagieren: Das Elevate Festival verbreitet in seiner Eröffnungsnacht Aufbruchsstimmung mit hochkarätigen Gästen wie Pamela Anderson, Nnimmo Bassey oder Srećko Horvat.

Von Katharina Seidler

Auf der Bühne des großen Orpheum-Saals in Graz ist ein roter Teppich ausgerollt, denn das Elevate Festival freut sich auf den bisher größten Stargast in seiner 15-jährigen Geschichte. Die Einladung von Pamela Anderson hat schon im Vorfeld viel Aufmerksamkeit erregt und bei manchen auch für Verwunderung gesorgt. Die Schauspielerin ist für ihr Engagement für die Tierschutzorganisation PETA schon länger bekannt und hat sich in jüngerer Vergangenheit via Twitter auch zu den Gelbwesten-Protesten in Frankreich oder zu Sebastian Kurz‘ Besuch bei Donald Trump zu Wort gemeldet. Sie steht hier beim Elevate allerdings langjährigen Aktivist*Innen gegenüber, die sich den Kampf gegen etwa Klimakrise oder Überwachungsstaat zur Lebensaufgabe gemacht haben; umstritten sind etwa ihre verteidigende Haltung gegenüber Wladimir Putin oder ihre Kritik am #metoo-Movement und am, wie sie sagt, übertriebenen Feminismus der Gegenwart.

Ihre Rolle bei der Festival-Eröffnung ist allerdings eine andere. Pamela Anderson ist an diesem Mittwoch nach Graz gereist, um dafür zu plädieren, dass jeder Mensch sich engagieren kann. „I don‘t have an education or anything, I just do what I feel is right,“ sagt sie sinngemäß im On-Stage-Interview mit Elevate-Mitbegründer Daniel Erlacher, und mit ihrer entwaffnend direkten Art kann sie damit die Herzen des Publikums gewinnen. Sie erzählt davon, wie der Fund eines von ihrem Vater erlegten Rehs sie zur Vegetarierin machte, und wie ein von ihr geschriebener Brief Wladimir Putin dazu brachte, die russische Robben-Jagd in Kanada einzustellen (FM4-Kollegin Maria Motter hierzu: „Sie hat die Robben-Route geschlossen!“).

Elevate Opening 2019

Lena Prehal / Elevate / CC BY-NC-ND 2.0

Pamela Anderson und Elevate-Mitbegründer Daniel Erlacher

„It’s in fashion to have compassion“ mag ein reißerischer Slogan sein, aber Anderson bringt damit die Aufbruchstimmung auf den Punkt, die der Abend ausstrahlt. Es ist ihr erster politischer Auftritt bei einem derartigen Festival, und sie bewegt sich noch sichtlich unsicher, aber mit herzlichem Gefühl auf diesem neuen aktivistischen Terrain. Überraschenderweise stellt also gerade der Hollywood-Star unter den Elevate-Gästen einen niederschwelligen Zugang zur Welt von Aktivismus und persönlichem Engagement bereit, wie später auch viele Menschen aus dem zahlreich erschienenen Publikum bestätigen.

Appell an alle

Auch die weiteren Speaker dieser angenehm kompakten Opening Night appellieren an jeden und jede Einzelne/n. Grazer Schülerinnen und Schüler erzählen von ihren von Greta Thunberg inspirierten #FridaysForFuture-Protesten und laden zur Teilnahme am nächsten, großen Klimastreik, einem „Lichtermeer für das Klima“ am 15. März.

Elevate Opening 2019

Johanna Lamprecht / Elevate / CC BY-NC-ND 2.0

Schülerinnen und Schüler der Grazer #FridaysForFuture-Bewegung

Der nigerianische Umweltaktivist, Autor und Träger des Alternativen Nobelpreises Nnimmo Bassey, der im Laufe des Elevates noch ausführlich über Klimakrise und zivilgesellschaftliche Bewegungen sprechen wird, stimmt auf der Bühne Bob Marleys „Redemption Song“ an: „How long shall they kill our prophets, while we stand aside and look?“, später plädiert der kroatische Philosoph Srećko Horvat dafür, dass jede Fähigkeit den Fortschritt unterstützen kann: „Kannst du kochen? Dann koche für eine Flüchtlingsfamilie. Kannst du in einer Band spielen? Dann unterstütze gute Veranstaltungen. Hast du Geld? Dann gib es uns. Just kidding! (Not kidding.)“

Elevate Opening 2019

Johanna Lamprecht / Elevate / CC BY-NC-ND 2.0

Nnimmo Bassey

Wahr oder fake?

Auch das diesjährige Festivalmotto „Truth“ taucht im Laufe des Abends natürlich öfter auf. Bundespräsident Alexander Van der Bellen betont in einer Videobotschaft, wie wichtig die Suche nach der Wahrheit besonders in Zeiten ist, in denen sich auch die absurdesten Lügen, wie etwa die Leugnung des Klimawandels, in Sekundenschnelle global verbreiten. Die Kunst-Kuratorin des Elevate, Berit Gilma stellt außerdem das größte bisherige Auftragswerk des Festivals „Liquid Truth“ vor. Der Grazer Uhrturm bekommt hierbei durch eine Projektion der Studios schnellebuntebilder und Knoth&Renner einen virtuellen Sekundenzeiger verpasst, der die Schnelllebigkeit des Wahrheitsdiskurses im digitalen Zeitalter verdeutlicht. Via Twitter können sich die Menschen ihre Nachrichten mit den Hashtags #truth und #fake in Kombination mit #elevatefestival auch selbst auf die Uhr projizieren lassen; außerdem twittert der Uhrturm selbst als @uhrturm_graz stündlich Statistiken über wahre und falsche Meldungen aus dem World Wide Web.

Elevate Opening 2019

Johanna Lamprecht / Elevate / CC BY-NC-ND 2.0

Großer Andrang zur diesjährigen Opening Night

Inspirierend war nach dem offiziellen Teil auch der Auftakt des Elevate-Musikprogramms. Auf der kleinen Bühne des Orpheums spielt sich der norwegische Musiker Bendik Giske, in Lack und hautengen Zwirn gekleidet, direkt im Anschluss allein mit seinem Saxophon in eine atemlose Trance. Ähnlich dem großen Colin Stetson bezieht Bendig Giske die Magie seiner Musik aus der meditativen Schönheit der Repetition. Er geht dabei sogar noch minimalistischer vor als Stetson und verzichtet auf jegliche zusätzliche Klangerzeuger außer seinem Instrument. Die Klappen des Saxophons sind dabei ebenso sorgfältig mikrophoniert wie Giskes Körper, man hört also jeden Atemzug, das Rauchen der Luft durch das Instrument sowie das Tappen der Finger auf den Saxophonklappen, was der Musik in all ihrer Außerweltlichkeit auch einen extrem menschlichen Ausdruck verleiht.

Elevate Opening 2019

Johanna Lamprecht / Elevate / CC BY-NC-ND 2.0

Bendik Giske

Seinen musikalischen Erweckungsmoment hatte Bendik Giske in den Techno-Hallen des Berghain. Die losgelöste, queer-sexuelle Energie dieses Ortes beschwört er auf seinem kürzlich erschienenem Debütalbum „Surrender“, einem frühen Meisterwerk des Jahres 2019, in acht einnehmenden Stücken. Seine an Minimal Music ebenso wie an Techno und Ambient geschulten Tracks schraubt Giske mit Zirkularatmung in transzendente Sphären, in denen man zwischen Geschwindigkeit und Stillstand nicht mehr unterscheiden kann, ähnlich einem Kreisel, der sich so schnell dreht, dass er still zu schweben scheint. Das allererste Konzert ist somit gleich ein Highlight eines vielversprechenden Elevate-Musikprogramms, das heute mit etwa Klangmeditation von Kelly Moran oder einem Konzert in völliger Dunkelheit in die zweite Runde geht.

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