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Birgit Birnbacher gewinnt den Bachmannpreis

ORF/ Johannes Puch

Birgit Birnbacher gewinnt den Bachmannpreis

„Der Schrank“, ein Text über Prekariat und Gesellschaft überzeugte die Jury in Klagenfurt.

Von Daniel Grabner

Die 43. Tage der deutschsprachigen Literatur sind zu Ende. Ein ziemlich heißer Jahrgang mit Temperaturen bis zu 38 Grad im Garten des Landesstudios, einer großen Vielfalt an sehr unterschiedlichen Texten und durchwachsenem Niveau. Den Bachmannpreis gewonnen hat dann ein Text, der zwischen den diesjährigen Genreauffälligkeiten wie Science Fiction (Katharina Schultens „Urmünder“), Roadmovie (Tom Kummers „Von schlechten Eltern“), Kriegsreportage (Ronya Othmanns „Vierundsiebzig“) und mexikanische Parabel (Daniel Heitzlers „Der Fluch“) mit leisen Zwischentönen und einer subtilen Studie gesellschaftlicher Lebensrealität überzeugt hat.

„Das ist nicht viel, aber es könnte weniger sein.“ (Birgit Birnbacher, „Der Schrank“)

Mit diesem Satz beginnt Birgit Birnbachers Text „Der Schrank“. Er erzählt von einem Mehrparteienhaus in einer heruntergekommenen Gegend am Rande von Salzburg. Die Bewohner, allen voran die 36-jährige Ich-Erzählerin, eine arbeitslose Akademikerin, nehmen an einer sozialwissenschaftlichen Studie zum Thema Arbeit und Gesellschaft teil. Ein sogenannter „Beobachter“ von außen besucht regelmäßig die Bewohner, führt Interviews und interessiert sich vor allem für einen Lieferanten, der vor einiger Zeit im Vorgarten des Hauses vor Erschöpfung zusammengebrochen ist.

„Der konnte nicht mehr. Nicht mehr was? Einen Schritt gehen, sage ich, über das hinausdenkend, was gerade passiert. Wir schweigen eine Weile. So etwas gibt es, sagt der Beobachter, schaut von einem zum andern und schließlich wieder zu mir. Das gibt es oft, sage ich, sagte der Notarzt, alle Tage gibt es das, dass einer nicht mehr kann.“

Verleihung Bachmannpreis

ORF/ Johannes Puch

Birgit Birnbachers Figuren sind gestrandete. Nicht nur am Rande der Stadt, sondern vor allem am gesellschaftlichen Rand. Birnbacher, die als Sozialarbeiterin tätig war und Soziologin ist, sagt im FM4 Interview über ihren Text: „Es ist gesamteuropäisch gerade ein enorm wichtiges Thema, dass sich eine soziale Mittelschicht auflöst und in prekäre Randfasern ausfranst. Ich wollte die unterschiedlichen Seiten dieser Ränder gerne beleuchtet wissen.“

Mit dem episodisch erzählten „Wir ohne Wal“ debütierte die 36-Jährige 2016. Danach folgten Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften und mehrfache Auszeichnungen. Derzeit schreibt Birnbacher an ihrem zweiten Roman.

Weitere Preise für Fischer, Federer, Othmann und Jost

Zweiter Favorit des Bewerbs war der 27-jährige Österreicher Leander Fischer. Er las am Samstag seinen Text „Nymphenverzeichnis Muster Nummer eins Goldkopf“, in dem ein Musikschullehrer das Fliegenfischen, insbesondere die akribische Kunst des „Nymphenknüpfens“ (das Her- und Zusammenstellen eines passenden „Fliege“) erlernt. Fischer erhielt den mit 12.500 Euro dotieren Deutschlandfunkpreis.

Verleihung Bachmannpreis

ORF/ Johannes Puch

Der Kelag Preis ging an die gebürtige Kärntnerin Julia Jost für ihren Antiheimat-Text „Jenseits des Schakaltals“, Yannic Han Biao Federer erhielt für seinen Trennungsgeschichte „Kenn ich nicht“ den 3Sat Preis, Ronya Othmann für ihren Text „Vierundsiebzig“, der sich mit dem jesidischen Genozid auseinandersetzt, den Publikumspreis, der in Verbindung mit einem Stadtschreiber-Stipendium verliehen wird.

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