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Chance the Rapper

APA/AFP/Valerie MACON

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Artist of the Week: Chance The Rapper

Auf “The Big Day” feiert Chance The Rapper sein Leben als Vater und frischgebackener Ehemann. Nicht unbedingt die klassischen Hip Hop Themen.

Von Martin Pieper

Die Internetfanbase von Chance The Rapper ist enttäuscht. Da bringt der Rapper aus Chicago endlich sein erstes „Album“ heraus, und statt Drogen und Gewalt kommt Gott ins Spiel, statt bekifftem Partyspaß bedankt sich Chance The Rapper bei seiner Frau, seinem Kind und seiner restlichen Familie. Nicht gerade der Stoff aus dem aktueller Hip Hop gemacht wird. Aber trotz seiner gerade 26 Jahre ist Chance The Rapper eben auch schon lange im Geschäft. Auch wenn „The Big Day“ – gemeint ist damit tatsächlich sein Hochzeitstag – als Debütalbum vermarktet wird, seinen Fame hat Chance The Rapper seinen Mixtapes zu verdanken, die er in den letzten sieben Jahren immer gratis zum Download zur Verfügung gestellt hat. Sein Vorbild war der Kanye West aus College Drop Out Zeiten. Der wurde auf die Mixtapes des talentierten Rappers aufmerksam und ist Mentor und Freund von Chance The Rapper geworden. Chance verteidigt sogar Kanyes Liebe zu Donald Trump, auch wenn er selbst eingefleischter Demokrat ist, immerhin war sein Vater ein Mitarbeiter von Barack Obama.

Albumcover "The Big Day" von Chance the Rapper

Chance the Rapper

Eine Platte wie eine Hochzeitsparty

Chance als Rapper verbindet musikalische Offenheit mit Gospelverliebtheit. Mitunter verwandelt seine unbändige Euphorie seine Raps in Gesang, ausnahmsweise auch autotune-frei. Seine zahlreichen Features reichen von krediblen Hip Hop-Freund*innen bis in die oberste Popliga, von Cardi B. bis Justin Bieber, von Lil‘ Wayne bis Ed Sheeran. Und jetzt also ein „richtiges Album“. In Interviews ist ihm wichtig darauf hinzuweisen: „The Big Day“ ist was Besonderes. In üppigen 77 Minuten geht es Chance The Rapper darum, den Spirit seines Hochzeitstags vom vergangenen März, einzufangen. Eine richtige Tanzparty sei das gewesen, erzählt er.

Not Single Anymore!

Geheiratet hat er Kirsten Corley mit der er eine recht turbulente Beziehung über die letzten Jahre geführt hat, inklusive gemeinsamer Tochter. Dass hier sein Privat- und Familienleben so ausführlich erörtert wird, hat den Grund, dass das ganze Album genau davon handelt. Es geht um seine wunderbare Ehe, seine Tochter, die restliche Familie (sein kleiner Bruder Taylor Benett rappt auch nicht schlecht auf dem Track „Roo“) und seinen Weg zu Jesus. Das passt gerade auch sehr gut zu Kanye Wests aktueller Verfassung als Neo-Prediger mit einer Art Neo-Gospelmusik.

Chance The Rapper ist aber nicht so weit von uns Sterblichen entfernt wie die West/Kardashian-Galaxie. Er bleibt in seinen Struggles immer „relatable“, der Junge aus Chicago steckt immer noch in ihm.

Chance the Rapper mit seiner Familie

APA/AFP/Robyn Beck

Chance The Rapper als Familienvater: mit seiner Frau Kirsten Corley und seiner Tochert Kensli Bennett bei einer Filmpremiere.

Die Gästeliste von Chance the Rapper ist lang

„The Big Day“ ist voller unterschiedlicher Styles. Schon im ersten Track „All Day Long“ (feat. John Legend) trifft die Sprachakrobatik von Chance The Rapper auf die Elektro-Drums und einen 80ies New Jack Swing Groove samt House Piano, und das in nur vier Minuten. Auch die stilistisch diverse Liste an Gästen erinnert an die Gästeliste einer Hochzeitsparty, wo von Schwiegervater über seltsame Onkel bis zu alten Schulfreunden und Omas alle eingeladen sind. Der stets sehr „indie“freundliche Chance The Rapper hat sich unter anderen Beth Gibbard on Death Cab for Cutie geholt, den alten Grantler Randy Newman oder die Coco Rosie Schwestern, die dem Geschwistern-Song Roo eine Portion Oddness mitgeben.

Weitere Freunde, Bekannte und Wegbegleiter wie Nicki Minaj, das Unterhosenmodel Shawn Mendes, Gucci Mane, Francis and the Light, En Vogue oder SWV bringen ihren jeweiligen Sound mit auf die Party. Und das kann cruisender 90ies R’n’B sein („I Got You (Always and Forever”) oder gar ein bisschen Trap („Hot Shower“).

Zusammengehalten wird das alles von der positiven Zuversicht, mit der Chance The Rapper seinen aktuellen Lebensentwurf präsentiert. Auch in dieser Hinsicht ist „The Big Day“ in all seiner Breite (und auch Zugänglichkeit) eher eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Hip Hop, der sich am wenig optimistischen Amerika Donald Trumps abarbeitet.

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