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OpenXR: Virtual Reality wird einfacher

Die Khronos Group, die seit Jahren wichtige Software-Standards wie OpenGL und WebGL verwaltet, hat sich auf einen Virtual-Reality-Standard geeinigt. OpenXR soll die Fragmentierung zwischen VR-Headsets und -Plattformen verringern.

Von Christoph Weiss

Während ich mich dieses Jahr mehrere Wochen in Bangkok aufhielt, besuchte ich mit Freunden unter anderem Zero Latency, eine Virtual-Reality-Arcade, in der wir uns beim Spielen gemeinsam in einer Halle von der Größe eines Lagerhauses bewegten. Avatare interagierten im virtuellen Raum, die dahintersteckenden Personen waren aber auch im physischen Raum präsent. Beeindruckend.

Ebenfalls in Bangkok habe ich Interessierte auch zum Ausprobieren des Oculus Quest eingeladen. Das mobile Standalone-VR-Headset war in meinem Reisegepäck, hauptsächlich, weil ich während des Fluges damit Spaß haben wollte. Es wurde dann aber zum begehrten Spielzeug bei meinen Kumpels, und das Air-BnB-Apartment war immer wieder kurz Holodeck für jeweils eine Person (während die anderen Chang-Bier tranken). VR war in Bangkok aber auch Thema auf einem der Technologie-Meetups, die ich besuchte, denn da wurde mit dem frisch eingetroffenen Valve Index an einem typischen Gaming-PC experimentiert. Bei dieser Gelegenheit fiel mir dann wieder einmal auf: Innerhalb von 48 Stunden hatte ich auf drei verschiedenen VR-Systemen gespielt, die auf völlig unterschiedlicher, miteinander nicht kompatibler Hard- und Software beruhen.

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VR noch nicht Mainstream

Wir befinden uns im achten Jahr nach der Crowdfunding-Kampagne von Oculus, dem Auslöser einer Welle an neuer VR-Technologie. Heute werden Virtual Reality-Erlebnisse auch im Café, im Schwimmbad und in der Geisterbahn angeboten.

Selbst im Jahr acht aber gilt: Virtual Reality ist noch nicht Mainstream geworden. Denn die junge Technologie befindet sich noch immer in einem Experimentierstadium, in dem sie versucht, ihre Design- und Interface-Sprache zu finden. Virtual-Reality-Headsets sind heute da, wo Smartphones in den neunziger Jahren waren - vor der Erfindung des kapazitiven Touchscreens und jener Logik, mit der wir heute ganz selbstverständlich unsere Apps und Games bedienen.

Die Schnittstellen unserer Smartphones sind heute standardisiert (Bluetooth, WLAN, USB etc.), Anwendungen und Zubehör sind zwischen Geräten verschiedenster Hersteller kompatibel, das Setup einigermaßen unkompliziert. Virtual-Reality-Headsets hingegen verfügen noch über unterschiedlichste Anschlüsse und Schnittstellen, die Anwendungen und das Zubehör für einzelne Headsets sind proprietär und mit anderen Geräten inkompatibel, die Geräte selbst werden als kompliziert und mühsam empfunden.

Hat die Fragmentierung bald ein Ende?

Die Erstellung und Verwaltung von offenen Standards im Multimedia-Bereich wird oft durch Unternehmenszusammenschlüsse vorangetrieben. Ein solches Konsortium ist die im US-Bundesstaat Oregon beheimatete Khronos Group. Sie setzt sich seit dem Jahr 2000 für offene Standards auf einer Vielzahl von Multimedia-Plattformen und -Geräten ein. Zu den über 100 Mitgliedern zählen u.a. Nvidia, AMD, Intel, Google, Microsoft und Apple.

Die Khronos Group verwaltet unter anderem die beiden wichtigen Grafikstandards OpenGL und WebGL. Im Jahr 2017 hat eben dieses Konsortium beschlossen, einen offenen, lizenzfreien Standard für Virtual Reality und Augmented Reality zu schaffen: OpenXR.

Ein Beispiel für die Probleme, die OpenXR lösen könnte, aus meinem Leben: Als ich im Jahr 2016 ein Oculus Rift an meinen PC anschloss, verweigerten die USB-Anschlüsse meines Computers die korrekte Zusammenarbeit mit dem Headset. Erst als ich eine zusätzliche USB-PCI-Karte kaufte, funktionierte die Sache reibungslos. Mit dem Headset eines anderen Herstellers aber war es genau umgekehrt: Die USB-Anschlüsse der PCI-Karte erwiesen sich als nutzlos, dafür funktionierten die internen USB-Anschlüsse. Hinsichtlich ihrer Spezifikationen hätten beide Headsets eigentlich mit allen USB-Sockets zusammenarbeiten müssen. Ganz ähnlich sieht die Sache hinsichtlich der Videoanschlüsse aus: Manche VR-Headsets benötigen ein HDMI-Signal - ob dieses aber richtig ankommt, ist teilweise nicht nachvollziehbar. Andere Headsets benötigen einen Display-Port. Für User*innen, die nicht genauestens recherchieren, ist es ein Glücksspiel, ob ihr neu gekauftes Headset mit ihrem Computer überhaupt funktioniert.

OpenXR Problem

Khronos Group

Der chaotische Status Quo der VR-Industrie zeigte sich 2018 auch daran, dass sich einige Hersteller von Headsets und Grafikkarten (Oculus, Valve, Microsoft, Nvidia und AMD) auf den neuen Anschluss-Standard Virtual Link einigten, noch im selben Jahr aber einen Rückzieher machten. Dabei ist Virtual Link eine großartige Idee: Der Anschluss soll bei zukünftig produzierten VR- und AR-Headsets zur universellen Verbindung werden, über die Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Headsets sowohl das Videosignal, als auch Positions- und Bewegungsdaten erhalten. Denn ein Virtual-Link-Kabel kann gleichzeitig 32,4 Gbit/s an Bilddaten in 4K-Auflösung bei 120 Frames pro Sekunde sowie 10 Gbit/s an USB 3.1-Daten übertragen.

Während aber Valve sein neues Headset Index entwickelte, gab der Konzern plötzlich bekannt, Virtual Link doch nicht einzusetzen. Oculus verzichtete auch beim Rift S darauf, und Nvidia brachte ein paar neue Grafikkarten ohne den Anschluss auf den Markt. Diese Dinge gehen manchmal eben nicht so schnell wie man sich das zuerst vorstellt.

Standards hinsichtlich der Software

In der gerade veröffentlichten Spezifikation OpenXR 1.0 sind die Lösungen für Probleme dieser Art aber quasi vorgesehen. Zwar legt sie Standards nicht für die Hardware fest, sondern hinsichtlich der Software, die für die Darstellung von Spielen und Anwendungen in VR und AR verantwortlich ist – also zum Beispiel für die bei VR-Spiele-Entwicklern beliebten Grafikengines (hauptsächlich Unreal und Unity) sowie die bekannten VR-Plattformen (SteamVR/OpenVR, Oculus, OSVR, Windows Mixed Reality etc). Weil von dieser Software aber eben auch abhängt, wie die Videosignale und Daten durch die Kabel flutschen, hat das mittelfristig auch Einfluss auf die Standardisierung der Hardware und ihrer Anschlüsse.

OpenXR Solution

Khronos Group

OpenXR wird dafür sorgen, dass Games und Apps ohne größeren Aufwand auf den verschiedensten Headsets und Plattformen laufen, und die Headsets einander hinsichtlich ihrer Schnittstellen ähnlicher werden. Das betrifft auch die beliebten Handcontroller, die in VR verwendet werden – denn ihre Kommunikationsprotokolle sind Teil der Software-Spezifikation OpenXR. Das könnte also dazu führen, dass es keine nervige Inkompatibilität mehr zwischen Oculus Touch, Vive Wands und Windows-MR-Controllern gibt.

Weiters existiert mit Monado ein Open-Source-SDK, das Linux für OpenXR öffnet. Und sogar der Konzern Sony, der mit dem PSVR eines der kommerziell erfolgreichsten Virtual-Reality-Headsets auf den Markt gebracht hat, ist an OpenXR beteiligt, was zur leichterer Portierung von VR-Games zwischen Playstation und SteamVR, Oculus Quest, Google Daydream etc. führen wird.

Im Optimalfall macht OpenXR zukünftig das Leben nicht nur für Entwickler*innen, sondern auch für Konsument*innen von Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Software leichter. Es ist ein technisches Fundament, auf dem VR und AR ihr faszinierendes, aber wahrscheinlich Jahrzehnte dauerndes Einsickern in den Mainstream fortsetzen können.

OpenXR Philosophies

Khronos Group

Bei allem Optimismus muss trotzdem damit gerechnet werden, dass geschäftliche Entscheidungen auch in Zukunft Einfluss auf Inhalte und Plattformstrategien haben werden. Facebook als Eigentümerin von Oculus beteiligt sich zwar an OpenXR, schielt aber dennoch ständig auf die Möglichkeiten, die eine geschlossene VR-Plattform mit sich bringt. Und woran Apple hinsichtlich AR-Hardware seit Jahren arbeitet, weiß niemand so genau. Es ist jedenfalls gewiss, dass bei stärkerer Marktdurchdringung von VR und AR dank OpenXR einzelne Konzerne auch weiterhin ihr eigenes Süppchen kochen werden.

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