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La Vérité

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Stars, Stars, Stars bei den Filmfestspielen in Venedig

Am Eröffnungstag der 76. Filmfestspiele in Venedig verteidigte Direktor Alberto Barbera weiterhin sein Festival-Lineup, das nach #metoo und Quoten-Debatten noch immer rückwärtsgewandt bleibt. Im französischen Familiendrama „La Verité“ des diesjährigen Cannes-Gewinners Kore-eda Hirokazu („Shoplifters“) waren am Mittwochabend Juliette Binoche und Catherine Deneuve erstmals gemeinsam auf der Leinwand zu sehen.

Von Petra Erdmann

Mit „La Vérité“ wurden die diesjährigen Filmfestspiele in Venedig eröffnet. Die exzentrische Fabienne (Catherine Deneuve) ist in erster Linie eine Ikone des französischen Kinos und dann Mutter. Mit der Wahrheit nimmt es die Schauspielerin im fortgeschrittenen Alter nicht so genau.

La Vérité

R.Kawauchi

„La Vérité“

Anlässlich der Veröffentlichung ihrer Memoiren reist ihre Tochter (Juliette Binoche) mit Mann (Ethan Hawke) und Kind aus New York an, um sie mit der gemeinsamen Vergangenheit neu zu konfrontieren. „You can’t trust memory”, bleibt da nicht nur Hawkes oft bemühte Tagline. Nach seiner atemberaubend atmosphärischen Familiendramödie „Shoplifters“ verfährt Kore-eda Hirokazu in „La Verité“ letztlich thesenhaft mit dieser changierenden Mutter-Tochter-Beziehung. Er zieht einen Filmdreh als Parallelhandlung ein, in der die Wahrheit als das reinste Schauspiel gewissenhaft seziert wird.

Die Deneuve hat in „La verité“ als kapriziöse Vielraucherin und Teetrinkerin im großbürgerlichen Stadtpalais-Setting ganz amüsant eine rücksichtslose Karriere und dann auf der Pressekonferenz sich selbst zu verteidigen („Ich bin weit davon entfernt, wie Fabienne zu sein“). Die Binoche, die eine zurückhaltende Drehbuchautorin spielt, erzählt, dass sie im echten Leben immer 100% gibt. Ob „beim Kochen oder wenn ich Zähne putze“. Warum Regisseur Kore-eda Hirokazu, der nur Japanisch spricht, seinen ersten fremdsprachigen Film eine Komödie nennt, blieb im Verborgenen. Komisch war, dass Catherine Deneuve die Regieanweisungen von Kore-eda in seinem „Gesichtsausdruck lesen konnte, auch wenn ich am Set nur mit seiner Übersetzerin sprechen konnte“. Ethan Hawke hat es nicht zur Pressekonferenz am Lido geschafft. Seine Nebenrolle als arbeitsloser US-Seriendarsteller und alkoholkranker Mustergatte war weird genug.

Once upon time in Venice

Das Gerücht gibt es schon länger: Die US-Studios stehen unter großem Druck, ihre Oscar-Favoriten aus Venedig abzuziehen und dem fast zeitgleich laufenden A-Filmfestival in Toronto den Vorzug einzuräumen. Zumindest, wenn es sich um hochkarätige Hollywood-Ware handelt.

Die letzten zwei Jahre konnte sich Venedig-Direktor Alberto Barbera noch mit den Welturaufführungen der späteren Oscar-Gewinner „Roma“ und „The Shape of Water“ auf einen fachmännischen Riecher berufen. In Sachen #metoo und Quoten im Wettbewerb gibt sich der 69-Jährige aber nach wie vor wenig fortschrittlich. Schon im Vorfeld sorgte ein Backlash und ein verbaler Lapsus des Mostra-Chefs für Wirbel. Barbera hatte Roman Polanski („J’accuse“) und den afroamerikanischen Filmemacher Nate Parker („American Skin“) eingeladen. Beide stehen bzw. standen wegen Vergewaltigung unter Anklage. Die Regisseure werden sich vermutlich nicht dem medialen Blitzlichtgewitter des Festivals aussetzen. Alberto Barbera hatte Polanski mit dem bedeutendsten italienischen Barockmaler verglichen: „Sollen wir alle Caravaggios verbrennen, weil wir wissen, dass der Mann ein Mörder war, der sich seiner Bestrafung entzog?“

In Barberas Wettbewerbsauswahl kommen weiterhin die Regisseurinnen zu kurz. Gerade mal zwei konkurrieren dieses Jahr mit ihren 19 männlichen Kollegen um den Goldenen Löwen. Die australische Neo-Filmemacherin Shannon Murphy könnte mit ihrer Komödie „Babyteeth“ über eine schwer kranke Teenagerin und ihren Dealer-Boyfriend eine Entdeckung werden. Haifaa Al-Mansours Film „Das Mädchen Wadja“ (2012) gilt als der erste Kinofilm, der komplett in Saudi-Arabien gedreht wurde. Die Filmemacherin tritt nun mit „The Perfect Candidate“ am Lido an und zeigt eine junge Ärztin, die als erste Frau in ihrem Heimatdorf kandidiert.

Pelikanblut

Moritz-Schultheiß

„Pelikanblut“

Mit dem Eröffnungsfilm „Pelikanblut“ in der Nebenreihe „Orrizonti“ gab die deutsche Regisseurin Katrin Gebbe ein deutliches und verqueres Genre-Lebenszeichen ab. Eindringlichen Mummy- und Body-Horror bringt Gebbe mit einer großen Portion Realismus unter einen recht unblutigen Hut. Chapeau vor Nina Hoss. Sie legt als Einzelkämpferin und alleinerziehende Mutter eine Tour de Force hin, um ihrem adoptierten Mädchen die verstörende Empathielosigkeit und Gewalttätigkeit auszutreiben.

Auch wenn eine Frischzellenkur des ältesten Filmfestivals der Welt in Sachen Genderpolitik mehr und mehr ansteht, über die bevorstehenden filmischen Highlights und den damit verbundenen Hollywood-Schauspielrummel muss man sich die nächsten zehn Tage keine Sorgen machen. Das wird beim Erstellen einer Top5-Must-see-Liste klar:

Seberg

La Biennale

„Seberg“ - Kirsten Stewart schlüpft in dem Bio-Picture von Andrew Benedict in die Rolle DES It-Girls der Sixties, Jean Seberg.

Joker

Nico Tavernise

„Joker“ - Kann Joaquin Phoenix als psychopathischer Batman-Bösewicht die Performance des verstorbenen Heath Ledger toppen?

The Laundromat

La Biennale

„The Laudromat“ - Steven Soderberghs Netflix-Thriller über die „Panama Papers“ mit Meryl Streep.

Marriage Story

La Biennale

„Marriage Story“ - Die Filmeltern Adam Driver und Scarlett Johansson lassen sich unter der Regie von Noah Baumbach scheiden.

American Skin

La Biennale

„American Skin“ – Wie der afroamerikanische Regisseur Nate Parker selbst könnte auch das Selbstjustiz-Drama und sein Produzent vor Ort, Spike Lee, für Aufregung sorgen.

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