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Ariel Pink Archive

Mexican Summer

Die Ariel Pink Archives

Eine kleine Video-Revue der Karriere von Ariel Pink anlässlich der Wiederveröffentlichung des Frühwerks des Pop-Weirdos aus Los Angeles.

Von Christian Lehner

Eigentlich ist es eine Mogelpackung. Das Indie-Label Mexican Summer hat in der vergangenen Woche mit der Veröffentlichung der Ariel Archives begonnen. Eines vorweg: Das ist wunderbar! Das erste von insgesamt vier Re-Release-Paketen beinhaltet die überarbeiteten Alben „Underground“, „Loverboy“ und die Compilation „Oddities Sodomies Vol. 2“.

Die Remasters konservieren die schrottigen Thrills des frühen Werks, obwohl die Mono-Tapes in Stereo übersetzt wurden, und die neue Songsammlung zeigt in ihrer aufgepimpten Version, wie viel der Synth-Pop von heute den künstlerischen Ansätzen von Ariel Pink zu verdanken hat.

Ariel Pink NYC 2010

Christian Lehner

Ariel Pink, NYC 2010

Do-It-Yourself-Musik im Lo-Fi-Modus

Warum also Mogelpackung? Ariel-Pink-Nerds wissen: In seiner Zeit an der High School und später als Kunststudent in Los Angeles hat Ariel Rosenberg, so sein bürgerlicher Name, in einer manischen, acht Jahre anhaltenden Produktionsphase, über 200 Musikkassetten mit Songs vollgespielt – vornehmlich allein in einem Zimmer und mit minimalsten Mitteln.

Der Mann, der sich als Erbe und Hüter der MTV-Musikgeneration sieht, hat diese Songs teilweise über einen alten Walkman-Kopfhörer eingesungen, dazu mit dem Mund ein Schlagzeug simuliert und mit seinem E-Bass die Gesangslinien begleitet. Als Studio diente ihm ein alter 8-Spur-Kassettenrekorder.

Do-It-Yourself-Musik im Lo-Fi-Modus gab es bereits davor, aber nicht unbedingt als Huldigung an den Hochglanzpop der 1980er Jahre, an New Wave, Yacht- und Goth-Rock. Pinks Musik hatte auf die zeitgenössische Popszene einen ähnlichen Effekt wie jene von The Velvet Underground in den 1960ern Jahren. Um es mit einem Brian Eno zugeschriebenen Zitat zu sagen: Niemand kaufte die Platten, aber jeder, der sie hörte, gründete eine Band.

Heute gilt Ariel Pink als Patenonkel von Mikro-Genres wie Vaporwave, Hypnagogic Pop und Chillwave und als Stichwortgeber für Acts wie Animal Collectiv, Toro Y Moi, DIIV und Tame Impala. Er half, die „Retromania“, wie sie der britische Autor Simon Raynolds im gleichnamigen Buch beschrieben hatte, im Pop der Nullerjahre zu verfestigen. Mit etwas Abenteuerlust kann man auch eine Linie von seinen Flohmarkt-Synths zu den cheapen Sounds im aktuellen Trap ziehen.

Der Witz ist der - und jetzt kommen wir endlich zur wunderbaren Mogelpackung: Am einflussreichsten war Ariel Pink in der zweiten Hälfte der Nullerjahre, einer Zeit, in der er gar keine neue Musik schrieb und produzierte. Beginnend mit dem Album „Doldrums“, das 2004 auf dem Animal-Collective-Label Paw Tracks unter dem Signum Ariel Pink’s Haunted Graffiti erschie, sichteten in Folge gleich mehrere Plattenfirmen das umfangreiche Archiv und formten daraus vermarktbare Alben.

Die nun von Mexican Summer wiederveröffentlichten Longplayer waren streng genommen also keine. Bei Ariels „Alben“ aus den Anfangsjahren handeltet es sich zum Großteil um mit Schlagwörtern übertitelte Songskizzen, die er auf CD-Rom brannte und die außerhalb seines Freundeskreises und seiner Familie kaum jemand zu hören bekam.

Wenn also die „Ariel Archives“ nicht wirklich neue Schätze zu Tage fördern, so lassen sich diese nun zumindest in neuer Klangqualität angreifen (Vinyl Editionen + ausführliche Booklets). Lasst uns also eine Bontempi-Orgel aus dem Dachboden holen, ein elektrisches Kerzerl einschalten und den Release der „Ariel Archives“ mit einer kleinen Video-Revue seiner Karriere feiern.

For Kate I Wait (2000)

Eine Hommage an Kate Bush und einer der schönsten Songs von Ariel Pink. Erschienen ist die Huldigung auf seinem zweiten Album „The Doldrums“, das ursprünglich in einer Mini-Auflage im Eigenverlag auf CD-Rom erschien und bereits 2004 vom Animal Collective wiederveröffentlicht wurde.

Life in LA (2003)

Erschienen auf der Sammlung „Worn Copy“ ist es eines der traurigsten Stücke über Stadteinsamkeit aus der Feder eines durchgeknallten Kunststudenten überhaupt. „You could be so lonely /Life in L.A. is so lonely / Is so lonely that way ...“

Loverboy feat. John Maus (2002)

Der heute auch nicht unlegendäre Komponist und Musiker John Maus belegte auf der Kunstschule CalArts dieselben Kurse wie Ariel Pink. Maus ermunterte Pink, seine Musik einem größeren Publikum vorzustellen. Pink wiederum war für Maus der Grund, von der experimentellen Musik ins Popfach zu wechseln. „Probably my only friend“, soll Pink einmal über Maus gesagt haben.

Stray Here With You (2019)

Die „Single“ aus dem ersten Re-Release-Paket „Ariel Archives“. Remastered und aufpoliert stammt der Song von der Neukompilation „Oddities Sodomies Vol. 2“. Der Song zeigt die große Liebe von Ariel Pink zur Popmusik, die nur durch seine „technischen und persönlichen Defizite“, wie er in einem FM4-Interview einmal erklärte, nicht vollends zur Geltung kommt.

Didn’t It Click (2019)

Eine weitere Auskopplung und Neubearbeitung aus dem Ariel-Archiv. Ursprünglich 2002 auf der Zusammenstellung „Loverboy“ erschienen.

Bright Lit Blue Skies (2010)

Eines der wenigen Covers, die Ariel Pink gemacht hat. Das Original stammt von den Rockin’ Ramrods’ und ist 1966 veröffentlicht worden.

Round and Round (2010)

Wie „Bright Lit Blues Skies“ ist auch „Round and Round“ auf dem ersten Ariel-Pink-Album erschienen, das er mit einer regulären Band eingespielt hatte. Das Budget dafür kam vom renommierten Indie-Label 4AD. Das Album „Before Today“ und die Single landeten 2010 ganz weit oben in den Jahresbestenlisten der Musikkritik.

Put Your Number In My Phone (2014)

Aus dem letzten Album für 4AD mit dem Titel „Pom Pom“. Als Gäste waren Jorge Elbrecht (Ex-Violens) und der Novelty-Star und Runnaways-Manager Kim Fowley kurz vor dessen Tod dabei. Den langjährigen Zusatz „Haunted Grafitti“ als Platzhalter für eine (fiktive und später echte) Band gab Ariel Pink nun endgültig auf.

Another Weekend (2017)

Die wunderschöne Single aus dem letzten Studioalbum „Dedicated to Bobby Jameson“, das bereits auf Mexican Summer erschienen ist. Pink in all seinen Facetten und wieder bei sich als Einzelmusiker gelandet.

Tears On Fire feat. Weyes Blood (2017)

Was soll man sagen: der König und die Königin!

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