Grüße aus dem Prekariat: Daria Bogdanskas Comic „Von Unten“

Aus der Sicht „Von Unten“ schildert die polnisch-schwedische Zeichnerin Daria Bogdanska in ihrem autobiografischen Comic-Debüt die Ausbeutung und Existenzangst ohne legale Arbeit. Stellvertretend für eine ganze Generation ohne sichere Jobs.

Von Claudia Unterweger

Daria ist im Dauerstress. Die Protagonistin, vom Aussehen her ein wenig wie die Punkrock-Version der Hauptfigur von „Persepolis“, ist neu in Malmö und will dort eigentlich Comiczeichnen lernen. Aber um im teuren Schweden überleben zu können, muss sie sich als unterbezahlte Kellnerin völlig überfordert in einem indischen Lokal durchschlagen.

In ihrem autobiografischen Comic-Debüt wirft Daria Bogdanska einen ungeschönten Blick auf den harten Arbeitsalltag und das prekäre Leben als Ausländerin im EU-Vorzeigeland Schweden. „Meinen ersten Arbeitsvertrag habe ich mit 30 bekommen. Dabei arbeite ich, seit ich 17 bin“, erzählt mir Bogdanska im FM4-Interview. Sie präsentiert ihr Buch erstmals in Österreich auf Einladung von UNDOK – Anlaufstelle zurgewerkschaftlichen Unterstützungundokumentiert Arbeitender. Als polnische Migrantin wurde Bogdanska oft nicht einmal die Hälfte des Lohns gezahlt, der ihr rechtlich zugestanden wäre, berichtet sie.

Erschöpft jongliert Daria im Comic von frühmorgens bis in die Nacht hinein Kunststudium, Beziehungsleben und mehrere „shitty immigrant jobs“. Auf die ist sie - auch wegen ihrer Anfangs noch holprigen Schwedischkenntnisse - angewiesen: Stundenlang in der Kälte Fahrradfahrer zählen im Auftrag der Stadt Malmö. Nach dem Kunstunterricht bis zur Erschöpfung kellnern. Ohne Arbeitsvertrag, für einen Hungerlohn.

Als sich Daria ihr WG-Zimmer nicht mehr leisten kann und in einen finsteren Keller zieht, sieht sie die Verhältnisse im wahrsten Sinn des Wortes: Von unten.

Im Comic - wie auch im echten Leben - wird Daria Opfer kafkaesker schwedischer Ausländergesetze. „Vorher hatte ich Schweden idealisiert. Jetzt sah ich die Risse in der schönen Fassade,“ lässt die Autorin Bogdanska ihre Protagonistin erkennen.

Dass sich viele mit Daria Bogdanskas Geschichte identifizieren können, zeigt das Echo auf ihre Graphic Novel. „Von Unten“ – oder im Original „Wage Slaves“ - hat auf internationalen Comic-Festivals für Furore gesorgt und ist in 8 Sprachen übersetzt worden.

„Hierarchien der Verzweiflung“

Bogdanska zeichnet die Hochs und Tiefs ihrer Figuren eindrücklich, in schwarz-weiß und detailreich. Und sie scheut sich nicht davor, die realen Namen der Lokale und Orte zu verraten, an denen sie in Malmö gearbeitet und gekämpft hat. „Oft wird Migrant*innen nicht geglaubt, wenn sie berichten, dass sie mitten unter uns ausgebeutet werden. Ich verwende daher meine persönliche Geschichte, um ein verdrängtes soziales Problem aufzuzeigen.“

Heute unterrichtet die 32-Jährige Illustration und Comiczeichnen in Malmö. Für die Rechte von illegal beschäftigten MigrantInnen kämpft sie weiterhin und ist dadurch zu einer jungen Hoffnungsträgerin in der angegrauten schwedischen Gewerkschaftsbewegung geworden.

Die zentrale Wendung nimmt die Handlung im Comic, als Daria bewusst wird, dass ihre Kollegen aus Bangladesh für noch weniger Geld illegal im Restaurant schuften und dem korrupten Lokalbesitzer total ausgeliefert sind. Zum ersten Mal beschließt sie, MitstreiterInnen zu suchen und sich gegen die Ausbeutung zu wehren.

„Union organizing can be fun, and scary!“

Spannend wie eine Detektivstory, aber auch humorvoll schildert Daria Bogdanska den nicht unriskanten Kampf ihres Comic-Alter-Egos für bessere Arbeitsbedingungen. „Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt: Gewerkschaft und Arbeiter*innenrechte, auch das können spannende Themen für Graphic Novels sein!“ lacht Bogdanska im Interview.

In ihre Autobiografie lässt sie auch praktische Infos darüber einfließen, wie sich sogar bei illegaler Beschäftigung unter Umständen Arbeitsrechte erstreiten lassen. Zugleich ist „Von Unten“ aber auch einfach die berührende persönliche Geschichte einer Mittzwanzigerin auf der Suche nach einem Zuhause, nach Freundschaft und nach Freiheit.