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Szenenbild aus "A Hidden Life"

Iris Productions

FILM

„Wahnsinnig viel Freiheit“: Valerie Pachner über ihre Arbeit mit Terrence Malick

„A Hidden Life“ zeigt das verborgene Leben des österreichischen Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter aus amerikanischer Kunstkino-Sicht. In einer Hauptrolle dabei: Die Schauspielerin Valerie Pachner, die über den ungewöhnlichen Dreh erzählt.

Von Christian Fuchs

Auf klassische Weise Stories erzählen? Das interessiert Terrence Malick schon lange nicht mehr. Der mittlerweile 76 Jahre alte US-Regisseur steht für den radikalen Bruch mit narrativen Traditionen. Malicks Kino lebt von überwältigenden Bildern, schwärmerischer Musik und philosophischen Off-Monologen. Seine malerischen Filme verhandeln existentielle Fragen - und zelebrieren bei aller inhaltlichen Düsternis die Schönheit der Welt.

Der spezielle Zugang von Terrence Malick hat sich auch bei seinem jüngsten Werk nicht wirklich verändert. Zwar greift „A Hidden Life“ (Eine verborgenes Leben) das wahre Schicksal des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter auf, der während der Zweiten Weltkriegs den Kriegsdienst verweigerte. Aber trotz mancher Faktentreue, trotz mehr Dramaturgie und Dialogen als man es zuletzt von Malick gewohnt war, hält der Regisseur an seinem poetischen Stil fest.

Mittendrin in dieser berauschenden und berührenden Kino-Erfahrung: Die beiden Hauptdarsteller August Diehl und Valerie Pachner. Beide brillieren als Ehepaar Franz und Fani Jägerstätter, das auch in den grausamsten Momenten zusammenhält. Die junge Oberösterreicherin, eben noch in einem Film von Marie Kreutzer („Der Boden unter den Füßen“) zu sehen, gerät damit zurecht ins internationale Blicklicht. Im Interview schwärmt Valerie Pachner von der einmaligen Erfahrung mit Terence Malick zu drehen.

Christian Fuchs: Man sagt ja, die Filme von Terrence Malick entstehen eigentlich erst wirklich im Schnitt. Wie war es, „A Hidden Life“ zum ersten Mal auf einer großen Leinwand zu sehen?

Valerie Pachner: Es gab tatsächlich viel mehr Material, als dass, was man jetzt im Endresultat sieht. Aber ich hab irgendwie im Moment, als ich den Film gesehen habe, das dann total angenommen und alles andere vergessen. Für mich war dann klar, das ist der Film. Lustigerweise ist es aber auch so, dass die intensivsten Szenen, an die man sich als Schauspielerin erinnert, auch im Schnitt gelandet sind.

Szenenbild aus "A Hidden Life"

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In Amerika, wenn Malick mit einem großen Ensemble dreht, fürchten die Nebendarsteller, die ja auch meistens Stars sind, dass sie im fertigen Film gar nicht vorkommen. Diese Gefahr war ja bei dir war nicht gegeben, die spielst die weibliche Hauptrolle in dem Film.

Ja (lacht). Man spielt natürlich kurz einmal mit dem Gedanken, aber dadurch, dass es auf wahren Begebenheiten passiert, wusste ich, okay, also ganz weit weg kann es jetzt auch nicht gehen.

Hattest du schon vorher einen Bezug zu den Filmen von Terrence Malick, vor dem Casting und vor der Anfrage?

Ich habe mich eigentlich erst dann, als ich das Casting gemacht habe, intensiver mit seinem Werk beschäftigt. Ich wusste irgendwie von ihm, aber ich hatte nicht so eine Kenntnis von seinen Filmen. Das ist tatsächlich erst danach passiert, dann habe ich mir alle angeschaut.

Es gibt ja viele Möglichkeiten als Schauspielerin, sich auf Filme einzustimmen. Aber Terrence Malick macht nicht das klassische psychologische Kino. Wie bereitet man sich da auf diese Rolle der Fani Jägerstätter vor?

Also eigentlich schon sehr ähnlich wie bei anderen Filmen. Einfach, dass man, nachdem es eine Person war, die wirklich gelebt hat, erst einmal Informationen sammelt. Und in dem Fall waren die Briefe sehr wichtig, die Franz und Fani Jägerstätter sich geschrieben haben. Weil man da schon sehr viel herausliest, wie die gelebt haben, wie sie ihren Glauben und ihre Liebe gelebt haben. Und dann habe ich vermutet, nachdem ich Malicks Filme angesehen habe, dass auch viel improvisiert werden wird.

Insofern habe ich mich dann in der Vorbereitung auch ein bisschen intensiver damit beschäftigt, bestimmte Dinge zu lernen. Die ganzen Tätigkeiten, die man als Bäuerin in den Vierziger Jahren gemacht hat – also Sensen lernen, Kühe melken und Schafe scheren. Ich habe auch wieder mehr gekocht und meine Oma gefragt, was es so für Rezepte gab damals. Ich habe schon gespürt, ich kann da nicht nur strikt nach dem Skript gehen, sondern, dass ich wahrscheinlich viel mehr auch einfach anbieten muss, von mir aus. Insofern war es auch ein bisschen eine breitere Vorbereitung als üblich.

Szenenbild aus "A Hidden Life"

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Wie sind dann die Dreharbeiten verlaufen? Ist ein Bauernhof aufgebaut worden oder habt ihr in einem Setting, das es schon gegeben hat, gespielt?

Wir haben auf sechs verschiedenen Höfen in Südtirol gespielt und die waren alle schon so da. Also die wurden nicht extra gebaut. Und sie waren auch komplett ausgestattet – es war wirklich wie so ein Spielplatz, auf dem man sich so bewegen konnte. Das Besondere ist auch, dass es keine Lichtumbau-Pausen gab, weil nur mit natürlichem Licht gearbeitet wurde. Das heißt, es lagen auch nirgends Kabel herum, man konnte wirklich überall hin. Die Kamera ist beweglich, die geht mit einem mit, also das ermöglicht einem schon wahnsinnig viel Freiheit. Terry ermutigt einen gleichzeitig, über das, was im Skript steht, hinauszudenken.

Es gab auch Raum, Sachen selber auszuprobieren. Also ich hatte eine Liste mit Sachen, von denen ich gesagt habe: So, das würde ich gerne ausprobieren – und die habe ich ihm gegeben und er hat das dann auch total aufgegriffen. Vieles von dem, was man letztlich im Film sieht, stand nicht im Skript, sondern ist erst wirklich beim Dreh entstanden oder es waren Ideen, die wir eingebracht haben.

Ich erinnere mich an ein Interview meinerseits mit Johannes Krisch, der ja auch im Film mitspielt. Er ist damals relativ knapp vom Set gekommen und meinte: Wahnsinn, das kann man nicht vergleichen mit irgendeinem anderen Film von der Art, zu arbeiten.

Wie gesagt, was halt wirklich prägt, ist eine enorme Freiheit in so vielem. Also Freiheit in der Zeit – man hat 20-, 30-Minuten-Takes, wo man die Sache immer wieder wiederholt. Es gibt auch nicht diesen einen Tag, an dem man die schwierige emotionale Szene dreht, sondern man macht die jeden Tag oder mehrmals am Tag und nächste Woche noch mal.

Es ist fast wie ein Probenprozess, in dem man sozusagen die Geschichte und auch den Charakter erforschen kann. Und es ist eben sehr beschränkt auf einfach nur die Kamera – es gibt kein Licht und das Set ist komplett ausgestattet. Die Weitwinkel ermöglichen es von der Kamera her, dass man sich sehr frei bewegt. Plötzlich gibt es so wahnsinnig viel Zeit. Wir haben zwar auch einen Callsheet gehabt, aber wir haben uns nicht unbedingt daran gehalten. Oft ist es auf einem Set so stressig, aber da hatte man plötzlich das Gefühl, man hat den ganzen Tag auf diesem Hof und man kann jetzt immer wieder etwas ausprobieren. Und man darf auch scheitern, es gab sozusagen nicht diesen Perfektionsdruck.

Szenenbild aus "A Hidden Life"

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Selbst wenn man zum Beispiel im Off war und gerade nicht dran, konnte etwas passieren. Ich bin einmal irgendwo gesessen mit einem der Mädchen, die unsere Töchter gespielt haben und es wurde eigentlich gerade etwas mit August Diehl gedreht, und plötzlich höre ich Terry sagen: Oh, Jörg (das ist unser Kameramann), look over there! Und dann haben sie mich gefilmt. Und es war immer wie so ein einziger Flow am Dreh. Das hat einen dann ermöglicht, dass man wirklich einfach so eintaucht in die Geschichte und das ganze Technische vergisst und – ja, wirklich einfach nur da drinnen ist in der Geschichte.

War da deine Theatererfahrung eigentlich hilfreich bei dieser sehr eigenen Arbeitsweise?

Ja, das kann schon sein. Es gibt ja auch nicht dieses Schuss–Gegenschuss-Prinzip bei Malick, sondern man kann sich wie bei einer Theaterprobe ganz frei im Raum bewegen. Und da war es sicher hilfreich, sozusagen diesen Background zu haben, um auch Sachen anzubieten. Ich weiß, dass Terry ganz angetan war von all den gut vorbereiteten Schauspielern, und das hat auch damit zu tun, dass viele einen Theater-Background hatten und zum Beispiel schnell Texte lernen konnten. Er hat oft erst in der Früh den Schauspielern Texte geschickt, die sie dann schnell lernen mussten.

Die Schauspieler sind bei ihm fast immer in Bewegung, zusammen mit der Kamera ergibt das einen speziellen Flow. Auf Youtube findet man auch Zusammenschnitte aus Malick-Filmen, die fast wie eine Tanz-Choreografie wirken.

Ja, er hat ein paar Prinzipien, die quasi vor allem seiner visuellen Vision folgen und das ist unter anderem „Keep moving“, also man muss immer in Bewegung bleiben. Das gehört zu seinen Standards.

Wenn wir jetzt einmal über die Geschichte sprechen, was bleibt für dich am zwingendsten in Erinnerung von diesen beiden Figuren oder von deiner Figur?

Ich glaube, am meisten in Erinnerung bleibt mir dieses klare Gefühl von „was ist richtig“. Und dem zu folgen und es sogar über die eigenen Bedürfnisse und letztlich auch den Überlebensinstinkt zu stellen. Zu sehen, wozu der Mensch fähig ist, gibt einem eine ungeheure Kraft. Ich mochte auch, dass es nicht um jemand geht, der eine Revolution anführt, sondern um einen einfachen Bauern. Es sind keine Intellektuellen, die auf bestimmte Ideen kommen und alle anderen überzeugen wollen. Jeder Mensch kann für sich entscheiden, was ist richtig, dafür braucht es nicht unbedingt einen Doktortitel oder sonstwas.

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Hat sich das manchmal abstrakt angefühlt, eine österreichische Bäuerin auf Englisch zu spielen? Mit anderen Schauspielern, die vielleicht sogar kurz im Dialekt hineingefunkt haben oder auf Hochdeutsch? Das ist ja ein Sprachgewirr in der Originalfassung eigentlich.

Ja, das war irgendwie lustig, das hat sich aber ziemlich schnell aufgehoben. Ich hatte dann nach der ersten, zweiten Woche eigentlich das Gefühl, als ob die Grenzen zwischen den Sprachen verfließen würden - und es war auch ein bisschen egal, was die jeweils für eine Sprache sprechen, der Inhalt war wichtig. Ich fand es eigentlich auch schön, zwischen diesen Sprachen hin- und herzuspringen.

Findet man nach so einer Dreh-Experience wieder leicht zu einem ganz normalen Film zurück?

Es ist schon eine Umgewöhnung (lacht). Diese sehr prägende und wichtige Erfahrung wird mit mir mitgehen und mir bleiben.

Gibt es jetzt schon neue Projekte oder vielleicht sogar internationale Angebote, die sich durch den Film ergeben haben?

Ich habe bei dem neuen „Kingsmen“-Film mitgespielt, der kommt im Herbst heraus. Ich habe jetzt auch einen Agenten in L.A. und bin gerade am Herausfinden und Schauen, wie und wo und was als Nächstes.

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Als letzte Frage: Gibt es einen ganz besonderen Moment, der von „A Hidden Life“ in Erinnerung geblieben ist?

Ich bin ja überhaupt keine Anekdotenerzählerin (lacht). Aber ganz besonders war es, als wir im Original-Jägerstätter-Haus gedreht haben, im Schlafzimmer. Da hatte ich vorher gehört, dass vielleicht die Töchter von Franz Jägerstätter vorbeikommen. Und ich kann mich erinnern, wir spielten gerade eine sehr intensive Szene, plötzlich merke ich im Augenwinkel: Oh Gott, da steht eine ältere Frau neben der Kamera. Als der Take vorbei war, war es die Maria, die mittlere der Töchter. Es war dann eine sehr besondere Begegnung und sie zu treffen hat dem ganzen Film, der Arbeit noch einmal eine eigene Tiefe gegeben.

Gab es Reaktionen von der verbliebenen Familie auf den fertigen Film?

Ja, sie haben den Film auch gesehen. Wir haben ihn ihnen vor Cannes gezeigt bei ihnen zuhause und sie haben gesagt, sie mochten den Film.

Das ist ein schönes Kompliment. Danke für das Interview.

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