FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Uncut Gems

A24

„Uncut Gems“: Bitte einen Oscar für Adam Sandler

Man kennt ihn als Star des brachialen Blödelkinos, doch Adam Sandler hat mehrere Gesichter. So manisch und mitreißend wie in dem Krimidrama „Uncut Gems - Der schwarze Diamant“ hat er aber noch nie gespielt.

Von Christian Fuchs

Natürlich taucht sein Name nicht auf der Nominiertenliste für die kommenden Academy Awards auf. Ein Oscar für Adam Sandler, das wäre dann doch zuviel für das Hollywood-Establishment. Aber zumindest hagelt es in den USA Kritikerhymnen für seine Rolle im Krimi-Psychodrama „Uncut Gems“. Der Mann, der Amerika seit Jahrzehnten mit infantilen Gags zum Lachen bringt, gilt auf einmal als seriöser Schauspieler. Weil er auf wahnwitzige Weise in einem rauen Indiestreifen brilliert.

Dabei ist der manische Juwelenhändler, den Sandler in dem Film der Regiebrüder Safdie spielt, nicht sein erster Ausflug ins Dramafach. 2002 überraschte der Star des brachialen Blödelkinos Filmfans zum ersten Mal. „Punch-Drunk Love“ heißt das Meisterwerk, in dem Adam Sandler einen Stadtneurotiker spielt, der sich unsterblich verliebt. Unter der Regie des genialen Paul Thomas Anderson lässt der Komiker intime Gefühle aufblitzen. Hingerissen und gerührt ist man geneigt, alle Vorurteile über Adam Sandler über Bord zu schmeißen.

Punch Drunk Love

Columbia

Adam Sandler in „Punch Drunk Love“

Bitterböse Selbstreflexionen und bewährte Dämlichkeit

Ein potentieller Arthouse-Akteur wurde nach „Punch-Drunk Love“ aber nicht aus dem Sandman. In unzähligen Klamaukstreifen tobt er sich weiterhin gezielt unter sämtlichen Gürtellinien aus, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Und dann kommt 2009 der Regisseur Judd Apatow und lässt Adam Sandler sich selbst spielen, quasi. In „Funny People“ überzeugt er als sterbenskranker Komiker in der Midlife Crisis, den der Zynismus vergiftet hat. Ein unterschätztes Epos zum Thema Sterben, Leben, Lachen, Lieben.

Weil man mit solchen bitterbösen Selbstreflexionen nicht reich wird (oder bleibt), schiebt Sandler eine Überdosis gewohnter grotesker Filme nach. Auch als er von seiner Stammfirma Sony zu Netflix wechselt, ändert sich nichts an der bewährten Mischung aus charmant und dämlich. Ebenfalls für den Streamingkanal entsteht aber 2017 die bittersüße und blitzgescheite Familienkomödie „The Meyerowitz Stories“. Regisseur Noah Baumbach („Marriage Story“) kennt Adam Sandlers impulsive Stärken. An der Seite von Ben Stiller und Dustin Hoffman lässt er ihn zur Hochform auflaufen.

„Uncut Gems“, wie eben der coole Originaltitel von „Der schwarze Diamant“ bei uns lautet, ist nun allerdings der Höhepunkt in der Nebenkarriere des Kindskopf Sandler. Man muss stellenweise an die Getriebenheit einiger früher Filme von Robert De Niro und Harvey Keitel denken, wenn man dem 53-Jährigen darin beim Auszucken im Asphaltdschungel zusieht.

Uncut Gems

A24

Filmischer Fiebertraum mit emotionalem Amoklauf

Adam Sandler spielt in „Uncut Gems“ einen Juwelier im New Yorker Diamond District, der mit hektischer Getriebenheit seine Geschäfte abwickelt. Auf den ersten Blick ein schmieriger Schlawiner, der vom ganz großen Deal träumt, entpuppt sich Howard Ratner irgendwann als Antiheld wie aus einer griechischen Tragödie. In einem Ensemble aus Indiedarstellern, Hip-Hop- und Basketball-Stars steigert sich Adam Sandler in einen Amoklauf der Emotionen, den man erst einmal verdauen muss.

Seit vielen Jahren, erzählen Josh und Benny Safdie in Interviews, haben sie sich schon um ihren Hauptdarsteller bemüht. Aber die eigenwilligen New Yorker Regie-Brüder, die in ihrem eigenen Kosmos zwischen rauer Street Credibility und einer Liebe zum europäischen Kunstkino leben, schafften es nicht einmal, beim Agenten von Superstar Sandler vorzusprechen. Erst als dieser dann den irrlichternden Gangsterstreifen „Good Time“ gesehen hat, in dem die Safdie-Brothers Robert Pattinson durch die Nacht hetzen, klappt die Zusammenarbeit.

Uncut Gems

A24

Während Adam Sandler erst unlängst auf Netflix eine der schlechtesten Komödien der Welt veröffentlichte („Murder Mystery“), kann man dort also ab heute den umwerfenden „Uncut Gems“ ansehen. In den USA brachte der Streamingkanal den filmischen Fiebertraum kurz und erfolgreich ins Kino, hierzulande bleibt derzeit leider nur die Internet-Option. Sehr schade, denn dieser schwarze Diamant funkelt auf besondere Weise. Am Schluss bleibt man erschöpft, verstört und begeistert zurück und wünscht sich: Bitte zwischendurch einmal einen Oscar für Adam Sandler.

mehr Film:

Aktuell: