FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Szenenbild aus "A Hidden Life"

Iris Productions

Blumenaus 20er-Journal

Der missbrauchte Jägerstätter

Der verfälschte Blick auf das Innere: Warum mir Terrence Malick jetzt mit „A Hidden Life“ ganz besonders auf die Nerven geht.

Von Martin Blumenau

Mir geht Terrence Malick seit „Tree of Life“, seinem preisgekrönten Meisterwerk, auf die Nerven. Der Pocahontas-Film davor war noch anstrengend in einem intensiven Sinn und hatte eine Ebene, die noch an die Realtät anderer andockte.

Seither macht Malick den immer selben Film: Er setzt die innere Aufgewühltheit, die das Leben in ihm auslöst, nach außen und stülpt sie, also sich, über alles und alle drüber. Dabei tut er so, als würde er die Natur oder das Universum sprechen lassen - das ist aber ebenso Anmaßung wie Schwachsinn, eine Behauptung von Gottgleichheit, pathetic hoch zwei.

Die surrenden Monologe, die taumelnde Kamera, die beschwörenden Musiken und Sounds, alles sagt dir zu jeder Sekunde: Es gibt nichts Bedeutendes neben mir, alles andere ist Tand, nur das hier von mir dir Offenbarte hat Wert.

So gehen Sektengründer und Pyramidenspieler vor, professionelle Gehirnwäscher. Weil Malicks Ruf von davor ein untadeliger war und er seine eigentlich simplen Esoterik-Tricks nicht mit Verkaufs-Absichten verknüpft, sondern fließen lässt und die Betrachtenden mit der Wucht großer Kinobilder ködert, also reinen Lustgewinn samt scheinbarer Selbstreinigung verspricht, fällt das bei seinen Jüngern nicht ins Gewicht.

Nun ist die Erlösungs-Maschinerie des Terrence Malick in Österreich angekommen, inhaltlich: „A Hidden Life“ benutzt die Geschichte des Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter, einer Ikone des katholischen Widerstands gegen das NS-Regime. Die Jägerstätter-Geschichte, eine der vielen widerlichen Facetten der Geschichte, ist gut aufgearbeitet, dokumentarisch wie auch in einem großartigen Film von Axel Corti mit Kurt Weinzierl in der Titelrolle.

Jägerstätters Glaube ist so stark, dass er das verordnete Töten verweigern muss, selbst als klar wird, dass ihm dadurch das Todesurteil droht. Getragen wird er von seiner ihm inhaltlich wie emotional beistehenden Frau.
Seine Gegner sind die zynische NS-Bürokratie, aber auch die Amts-Kirche, die sich nicht mit den Machthabern anlegen will, der er also lästig ist. Zudem hat dieselbe Kirche in den Jahren davor das Schießen auf Menschen, gar auf Landsleute, wortreich legitimiert, als sie zentraler Teil der austrofaschistischen Diktatur war, beim Russen als Gegner der Nazis jetzt waren die moralischen Limits dann noch deutlicher gesenkt.

Dem Bauern Jägerstätter ist das egal, ein Mensch ist ein Mensch. Aber nichts von dieser humanistischen Radikalität spiegelt sich in seinem typischen, geschunden-abgekämpften Zwischenkriegs-Gesicht samt schmalem Oberlippen-Bärtchen.

Das alles, incl. Physiognomie, interessiert Malick genau gar nicht. Muss es auch nicht, solange er die konkrete Geschichte als Vorlage für eine Fabel nutzt; und mehr als Fabeln erzählt er ja auch nicht in seinen letzten Filmen, mit blassen, durchgepusteten Charakteren.

Im Fall Jägerstätter bleibt er dann aber so dicht dran an den basic facts, dass er sich schon die Frage gefallen lassen muss, warum er den knorrigen OÖ-Bauern von einem Schlacks, der aussieht wie ein norddeutscher Adeliger, spielen lässt. Die nach außen tretende innere Schönheit der Figur kann es nicht sein - August Diehl ist nicht schön, nur ein Oberbekleidungs-Model-Klischee.

Dass sich Diehl und seine Partnerin in endlosen Szenen die Gesichter zur jeweils eingeforderten Emotion bis zur hysterischen Grimasse verrenken, spiegelt weder das karge Leben, noch die ebenso karge Innenwelt der Jägerstätters wider. Sie waren sich nämlich von Beginn an ihrer Sache sicher, die permanente Versuchung durch die Teufel ist das komplett falsche Narrativ. Bei Malick schimmert es hingegen allzu durch, und, hoppala, sein nächster Film thematisiert genau das!

Ich denke, dass sich hier jemand nicht kühn, sondern paternalistisch und mit der Frechheit des kulturellen Kolonialisten eine Geschichte gesucht und für seine Zwecke, sein Ego, missbraucht hat. Und deshalb nervt „A Hidden Life“ noch mehr als die eh schon nervigen Malicks davor; weil ich hier wegen der Nähe zur Story dahinter die Verlogenheit doppelt spüre.

Trotzdem: Ich hätte es wohl für mich behalten und nur privat gestänkert wie bisher. Denn natürlich soll jeder alles machen dürfen und jede alles gut finden können, auch den größten Eso-Kitsch, ohne automatiserten Spott abzubekommen. Dann aber hat mir just heute ein*e befreundete*r Musiker*in (ich anonymisiere) ein neues, noch unveröffentlichtes Stück geschickt, das genau ins Thema reinfährt. Und wie. Es zeigt/erzählt eine alltägliche Geschichte eines ländlichen Paares der Nachkriegszeit und es erreicht sein hohes Emotionalisierungs-Potenzial durch das genaue Gegenteil von ausgestellter Grimassierung. Und im Gegensatz zum stundenlangen Tränendrücker-Schmarrn mit endloser Andeutungs-Lyrik fahren die dokumentarischen Bilder, die den poetischen Text begleiten, sofort ein.

Und drücken mir die Träne raus, die Malick, der Rattenfänger für aufgesetzte Gefühle, so gerne gehabt hätte.

Aktuell: