FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

der rapper haftbefehl

universal music

An alle Azzlackz!

Die Frage wer Haftbefehl 2020 noch braucht, könnte man einfach beantworten, doch ich bevorzuge lange Antworten.

Von Mahdi Rahimi

Felix Diewald sieht das anders!

Den Rapper Haftbefehl braucht 2020 eigentlich niemand mehr: Chabo, Babo, Azzlack. Haftbefehl war mal richtige deutsche Sprach-Innovation. Das ist vorbei. Auf dem neuen Album von Aykut Anhan ist die Intention eindeutig größer als das Ergebnis.

Haftbefehls Musik handelte von Beginn an von zwei Themen, die auf dem Track am Album mit Capo angesprochen werden, nämlich Depressionen und Schmerz.

Die ganzen lustigen Wörter und Tracks, wo Chabo, Babo und Brudi verwendet werden, waren dafür da, dass man den Rest des Albums hört und damit das wovon Haftbefehl wirklich rappt, nämlich der Abstiegsgesellschaft.

Da niemand wirklich ein Album hören mag, auf dem jemand die Dämonen seines Lebens auf 15 Tracks behandelt, braucht man eben auch Partytracks. Außerdem hört einem niemand zu, wenn man scheiße rappt.

Genauso wie es z.b. bei Future nicht primär um Percocet und MDMA geht, sondern seinem Kampf mit seiner Existenz, geht es bei Haftbefehl auch nicht darum, dass man den Duden wegen ihm in ein paar Jahren neu schreiben muss, sondern um die Verarbeitung seines Lebens.

Sein Werk ist geprägt vom Suizid seines Vaters als er 14 war, im Jahr 1999, weswegen er auch dieses Jahr auf ganzen sechs Tracks über zwei Alben verarbeitet. Wovon er sonst rappt, ist das Leben in Offenbach als Sohn aus einer sogenannten Gastarbeiterfamilie, mitten unter weiteren Migranten, deren Eltern ebenso am deutschen Wirtschaftswunder beteiligt waren und als Dankeschön um Bleiberecht, Recht auf Leben (Solingen, Hanau, NSU) und einer besseren Zukunft für die Kinder kämpfen mussten, deren Leben in schwerer Depression und Entfremdung und manchmal Suizid, wie bei Haftbefehls Vater, endete. Er rappt auch über das Leben im Spätkapitalismus, die wahren Parallelgesellschaften, im Endeffekt rappt Haftbefehl über alles wofür Menschen auf die Straße gehen und er hat 10 Jahre lang nichts anderes gemacht.

der rapper haftbefehl

universal music

„Das weisse Album“ von Haftbefehl ist im Juni 2020 bei Universal erschienen.

Haftbefehls Lebenswerk besteht darin, dass er als Stimme einer Schicht gedient hat, deren Repräsentanz in Medien gleich gegen Null geht und den Weg für eine neue Generation an Rappern geebnet hat, die explizit selbstbewusst politisch sind, ohne dass sie uninteressant klingen.

Im Endeffekt gibt es im deutschen Rap ein vor und nach Haftbefehl und DWA reiht sich dem Werk an, weil die Themen auf DWA sind die Themen über die Haftbefehl immer gerappt hat und über die jeder große Lyriker und Schriftsteller auch schreibt, nämlich das Leben und dem täglichen Kampf mit sich selbst und der Existenz auf Erden. Und er schrieb immer für “Azzlackz und Strassenninjas”, wie er auf 069 von Unzensiert, dem letzten Werk vor DWA rappte.

Um die Frage zu beantworten weil tl;dr, ja, man braucht 2020 Haftbefehl mehr denn je. Genauso wie man ihn zwischen 2010-2019 gebraucht hat und die 7000 Jahre Menschheitsgeschichte davor. Niemand fragt sich ernsthaft 2020 ob man Brecht oder Bachmann braucht, warum sollte man sich fragen, ob man Haftbefehl braucht?

mehr Musik:

Aktuell: