FM4 Sun Screen: „Jaws“ (1975)

Die Liebling-Sommerfilme der FM4 Filmredaktion. Eine Reise von Long Island über die Lombardei in die Catskills und Camp Crystal Lake. Und noch weiter. Der Film „Jaws“ macht den Anfang.

Von Pia Reiser

Es könnte alles so schön sein, auf Amity Island. Das Meer ist blau, die Sonne scheint, die Zäune der Kleinstadt weiß gestrichen. Auf die kleine Insel bei Long Island kommen sonnen- und badehungrige New Yorker mit großen Fähren – und der Tourismus ist wichtig für Amity. Dann macht aber ein weißer Hai, der Menschen attackiert - und frisst, dem Sommeridyll einen Strich durch die Rechnung. Leider hört die junge Frau, die zu Beginn des Films „Jaws“, auf Deutsch „Der weiße Hai“, nachts schwimmen geht, nicht den exzellenten Soundtrack von John Williams, der das Herannahen des Hais signalisiert. Nur ein Arm wird von ihr am Strand gefunden werden.

Der Bürgermeister von Amity will die Strände trotzdem nicht sperren, denn das sei katastrophal für den Tourismus. Dann gehen ja die Städter und Städerinnen einfach woanders hin schwimmen!

Drei ganz unterschiedliche Männer

Für Boris Johnson ist übrigens dieser Bürgermeister der wahre Held von „Jaws“. Alle anderen müssen sich zwischen drei anderen, ganz unterschiedlichen Männern entscheiden. Denn, natürlich ist „Der weiße Hai“ auch eine Neu-Deutung des Monsterfilms, viel interessanter ist aber seine Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen von Männlichkeit. Da ist einmal, Raubein, Trinker, Kriegsveteran und Fischer Quint, der das Meer wie seine Westentasche kennt. Er kann aber auch ziemlich coole Haie auf Schultafeln zeichnen.

Kontrapunkt zum kauzigen, wortkargen und fluchenden Seeman ist ein junger Herr, der 1975 hier ein Hipster-Outfit vorwegnimmt: In Jeansjacke, Heather Grey-Sweater und einer gestrickten Haube, die nicht büber die Ohren geht, kommt Hooper in Amity an.

Hooper, der Meeresbiologe, der junge, moderne Mann, der setzt im Gegensatz zu Quint auf Wissenschaft und Vernunft. Und dann ist da noch Brody, der neue Polizeichef der Stadt, der genau zwischen den beiden Extremen pendelt. Diese drei verschiedenen Männer machen sich in „Der weiße Hai“ schließlich auf, um dem Riesenhai den Gar aus zu machen. Hab ich schon erwähnt, dass Brody eigentlich Angst vor Wasser hat? Konfrontationstheorie ahoi.

Geniestreich in Sachen Suspense

Dass man den Hai erst so spät im Film zu sehen bekommt, was inzwischen als Geniestreich in Sachen Suspense gilt, war ein glücklicher Zufall. Die mechanischen Haie, die für den Film gebaut wurden, funktionieren im Salzwasser nicht so richtig und Regisseur Steven Spielberg muss umdisponieren. „Der weiße Hai“ markiert das Ende des experimentierfreudigen „New Hollywood“ und den Beginn des richtig schlechten Image des Hais.

Seit 40 Jahren hat der Film einen fixen Platz in der Popkultur, interpretiert wird der Hai mal als „Vagina Dentata“, mal als Symbol für den Watergate-Skandal. Dieses Jahr hat wegen manch fahrlässiger Corona-Politik der rücksichtslose Bürgermeister von Amity ein Comeback als Meme gefeiert. Für viele ist nach „Der weiße Hai“ die Sehnsucht nach Meer erstmal zu Ende. Denn, nachdem man den Film gesehen hat, muss man erstmal die Melodie und den Gedanken an den Hai wieder aus dem Kopf bekommen, wenn man im Meer schwimmt.

Wer jetzt ganz große Lust auf „Jaws“ auf großer Leinwand bekommen hat: Das Votivkino in Wien zeigt den Film am 18. Juli um 20 Uhr.

FM4 Film Podcast: Sommerfilme

In der neuen Ausgabe des FM4 Filmpodcast plaudern Jan Hestmann und Christian Fuchs über einige der schönsten, hitzigsten und auch gruseligsten Sommerfilme. Anhören könnt ihr euch das hier.